Michael Georg LinkFDP - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Reise des Bundeskanzlers nach Israel und Ägypten war ein starkes Signal der uneingeschränkten Solidarität Deutschlands mit Israel. Auch die EU muss dieses Signal jetzt unmissverständlich senden; denn für Antisemitismus oder Antiisraelismus darf in der gesamten EU kein Platz sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber da herrscht durchaus noch Nachholbedarf. Bundestag und Bundesregierung haben letzte Woche als starkes Signal beschlossen, alle Zahlungen in Richtung Palästinensische Gebiete auf den Prüfstand zu stellen, um sicherzustellen, dass nichts direkt oder indirekt in die Hände der Hamas gelangt. Welch ein Kontrast zur europäischen Ebene! Denn ein ebenso deutliches Zeichen seitens der EU fehlt bisher, sowohl im Hinblick auf finanzielle Konsequenzen als auch zum Beispiel durch die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation gegenüber dem Iran bzw. dem iranischen Mullah-Regime als Drahtzieher. Da haben wir uns als Deutscher Bundestag klar positioniert.
Und dann gibt es zudem ein Kompetenzgerangel, das der EU wirklich schadet. Der eine Kommissar stoppt zunächst die Gelder, die Kommissionspräsidentin von der Leyen gibt sie wieder frei, allerdings ohne Überprüfung! Dann fühlt sich der Präsident des Europäischen Rates nicht genügend berücksichtigt, und der Hohe Vertreter für Außenpolitik streitet auf offener Bühne mit der Kommissionspräsidentin um Zuständigkeiten. Das, Kolleginnen und Kollegen, kann und darf so nicht weitergehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
Selten waren die Handlungsfähigkeit und Einigkeit der EU, aber auch die Reformbedürftigkeit größer als jetzt. In dieser dramatischen internationalen Lage brauchen wir umso dringender einen echten europäischen Außenminister. Es ist daher richtig und wichtig, dass die Außenministerin weiter intensiv für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der EU wirbt und auch deutsch-französische Expertenvorschläge zur Reform der EU angeregt hat. Aber diese Vorschläge dürfen kein deutsch-französisches Solo bleiben, sondern wir brauchen jetzt gemeinsam mit den Ostmitteleuropäern, Südeuropäern und nordisch-baltischen Mitgliedstaaten entwickelte Vorschläge für die Reform der EU. Hier ist das Ergebnis der polnischen Wahlen ein echter Lichtblick. Endlich meldet sich der größte Staat Ostmitteleuropas in der Europapolitik zurück. Deshalb unterstützen wir als FDP alle Ideen, das Weimarer Dreieck auf sämtlichen Ebenen mit neuem Leben zu füllen, im Besonderen auch parlamentarisch.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, ohne Reform der EU werden wir auch die nötige Aufnahmefähigkeit für Kandidaten aus dem Westbalkan und aus Osteuropa – Moldau und die Ukraine wurden bereits erwähnt – niemals erreichen. Wir werden uns im vierten Quartal sehr intensiv mit dem Thema eines potenziellen Beginns von Beitrittsverhandlungen befassen, allerdings ohne dabei Aufnahmedaten zu nennen. Man tut auch den Kandidaten keinen Gefallen, wenn man Daten zu früh nennt. Daten kommen nach den Reformen, am Ende der Verhandlungen, nicht vorher.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Ich bin dankbar, dass verschiedenste Redner, allen voran der Bundeskanzler, auch das Thema Ukraine angesprochen haben; denn wir dürfen uns nicht an diesen Krieg gewöhnen. Der Faktor Zeit spielt leider für Putin. Deshalb sollten wir alles tun, um die Ukraine jetzt militärisch wie finanziell weiter zu unterstützen. Wo nötig, auch durch erweiterte und verstärkte Waffenlieferungen! Der Faktor Zeit ist essenziell.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Chantal Kopf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, last, but not least: Das andere ganz große Thema des vierten Quartals werden die Finanzen und der Haushalt der EU sein. Die Überprüfung des Haushaltsrahmens ist das eine. In der Zeit nach Corona müssen wir zurück zu Haushalten kommen, die nicht entgrenzt sind, sondern wieder klare Grenzen haben und Schuldenbremsen einhalten. Deshalb lassen Sie mich deutlich sagen: Aus unserer Sicht sind die Vorschläge der Kommission zur Überarbeitung des Haushaltes weit überzogen. Es muss eine Repriorisierung der Aufgaben stattfinden, wenn neue Aufgaben hinzukommen. Die Lösung kann nicht immer nur neues Geld sein.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Richtig!)
Und das zweite große Haushaltsthema im vierten Quartal ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Lassen Sie mich deutlich sagen: Bei diesem so wichtigen Thema betont der Bundesfinanzminister zu Recht, dass wir einen glaubwürdigen und nachhaltigen Abbau der Staatsschuldenquote nur schaffen, wenn wir die jährlichen Defizite reduzieren. Deshalb ist für Deutschland das 3-Prozent-Kriterium das obere Limit beim jährlichen Defizit und kein allgemeiner Zielwert.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Wir unterstützen die Bundesregierung nachdrücklich dabei, gemeinsame verbindliche Schuldenabbaupfade einzuführen. Die Handlungsfähigkeit Europas hat auch etwas mit soliden Haushalten zu tun. Hier stehen, wie gesagt, jetzt wichtige Entscheidungen an, bei denen wir die Bundesregierung nach Kräften unterstützen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir unterstützen die FDP!)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Dr. Ralf Stegner.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Knut Gerschau [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602227 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |