19.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 131 / Tagesordnungspunkt 7

Ralf StegnerSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das schreckliche Pogrom vom 7. Oktober hat uns alle zutiefst erschüttert. Das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoah ist durch nichts zu rechtfertigen oder zu entschuldigen; da gibt es keine Aber-Sätze. Wir trauern um die Opfer und sind in Gedanken bei den Familien, Freunden und bei den Geiseln, die nach Gaza verschleppt wurden.

Kein Staat der Welt würde einen Angriff wie die terroristische Invasion der Hamas, den Massenmord an Kindern, an feiernden jungen Menschen und ganzen Familien einfach hinnehmen. Der Schutz der eigenen Bevölkerung ist das oberste Gebot der Staatlichkeit. Deshalb hat gerade Israel jedes Recht zur Selbstverteidigung. Deshalb muss die Bedrohung durch den Terror der Hamas für die israelische Bevölkerung ein für alle Mal beendet werden. Der Bundeskanzler hat es auch in Tel Aviv gesagt: Gerade wir Deutschen stehen fest an der Seite Israels, an der Seite der Jüdinnen und Juden.

Unsere Gedanken gehen in diesen Tagen auch an die Zivilbevölkerung in Gaza, und der Vorgang mit dem Krankenhaus muss dringend aufgeklärt werden. Eins ist klar: Krankenhäuser, Schulen, humanitäre Konvois und Unterkünfte von Flüchtlingen müssen geschützt werden. Sie dürfen nicht als Schutzschilde für militärische Einrichtungen missbraucht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrung muss gewährleistet sein.

Wenn jetzt das zynische Spiel mit dem Schicksal von Geiseln und den um sie bangenden Angehörigen per Video in aller Öffentlichkeit stattfindet, wenn zivile Opfer für Propagandazwecke instrumentalisiert werden, wenn Täter und Opfer vertauscht werden, wenn Angst und Desinformation verbreitet werden, wenn Tage des Zorns ausgerufen werden, muss uns eins doch klar sein: Nur mit Humanität werden wir dem Terror am Ende die Geschäftsgrundlage entziehen können, damit nicht immer neue Generationen in Angst und Hass gegeneinander aufwachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und des Abg. Knut Gerschau [FDP])

Deshalb ist es kein Widerspruch, solidarisch an der Seite Israels zu stehen und zugleich auch über jedes zivile Opfer in Gaza zu trauern. Der Terror der Hamas ist doch der gemeinsame Feind von friedlichen Menschen in Israel und Palästina.

Und es ist eine Schande, wenn auf deutschen Straßen wieder judenfeindliche Parolen gebrüllt werden, wenn das in Wahlkampfbierzelten bejubelt wird, wenn Synagogen wieder angegriffen werden. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, das endlich mit aller Konsequenz zu bekämpfen. Gerade in Deutschland ist das etwas anderes als anderswo. Wir haben eine besondere Verpflichtung, das zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, für Ihre klaren Worte und auch dafür sehr dankbar, dass Sie so rasch bei unseren Freunden in Israel waren. Ich beziehe da übrigens auch die Außenministerin mit ein, die das gestern im Auswärtigen Ausschuss hervorragend dargestellt hat.

Es zeigt aber: Wir sind beim Ukrainekrieg und wir sind auch in dieser Lage fest an der Seite unserer Verbündeten. Wir kümmern uns um humanitäre Hilfe. Wir werden unserer Verantwortung, diese Regierung wird ihrer Verantwortung in schwierigen Zeiten gerecht, und das ist gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen alles dafür tun, einen Flächenbrand, einen großen regionalen Krieg mit schrecklichen globalen Folgen, zu verhindern. Deshalb ist es gut, dass es unermüdliche deutsche Diplomatie gibt, Gespräche mit Ägypten, Jordanien und anderen – dafür herzlichen Dank –, und sie hatten ja auch schon Erfolg.

An diejenigen in Moskau und Teheran, die in dieser Katastrophe zynisch ihren Vorteil sehen, sei gesagt: Wir mögen manchmal etwas langsamer sein, aber Freiheit und Demokratie sind auf Dauer deutlich stärker als die Ideologie des Hasses und des Imperialismus, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Welt ist aus den Fugen. Wir erleben Terror und Gewalt, Hass und unermessliches Leid. Ja, wir brauchen Wehrhaftigkeit. Was wir überhaupt nicht brauchen, ist der Überbietungswettbewerb der verbalen Empörung, der Gnadenlosigkeit, der radikalen Forderungen, der Militarisierung von Sprache und Denken, die wir momentan in der politischen Kommunikation haben. Es ist doch im Gegenteil unsere Menschlichkeit, die den einzigen Ausweg aus diesem Schrecken aufzeigen wird. Unsere Humanität unterscheidet unsere freiheitliche Demokratie von ihren Feinden und Gegnern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Oder um es mit dem wunderbaren ersten Satz des Grundgesetzes zu sagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das meint alle Menschen; das meint es gerade in solchen Situationen. Das war unsere dauerhafte Lehre aus Nazidiktatur und Weltkrieg. Wir hoffen auf Frieden in Europa und in Nahost. Wir sollten als Europäische Union endlich diplomatisch in der Region mehr Flagge zeigen. Wir werden unsere Freunde in der Ukraine und in Israel langfristig und dauerhaft in ihrem Streben nach Freiheit, nach Demokratie und Sicherheit unterstützen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7602228
Wahlperiode 20
Sitzung 131
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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