Sepp MüllerCDU/CSU - Bericht zum Stand der Deutschen Einheit 2023
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, vielen Dank, dass Sie in Ihren Ausführungen das Positive vorangestellt haben. Sie hatten vor allem den Wunsch gehabt nach Streit. Dem komme ich gerne nach; denn Ihr Bericht, den Sie vorgelegt haben, setzt in meinen Augen die falschen Prioritäten.
Die Streitampel befindet sich in der Selbstbeweihräucherung, egal ob Bürgergeld oder Wohngeldausweitung. Das ist Ihre Priorität in diesem Bericht. Es fehlen in Ihrem Bericht – anders, als Sie hier gesagt haben – die Vermögens- und Einkommensunterschiede zwischen Ost und West. Die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West liegen bei gleicher Arbeit bei bis zu 20 Prozent. Die Vermögensunterschiede bei Erbschaften in Mecklenburg-Vorpommern liegen im Vergleich zu Bayern bei über 100 000 Euro. Natürlich ist das etwas, was die Menschen im Transformationsprozess nicht nur besorgt, sondern auch umsorgt.
(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Darum finde ich es bemerkenswert, Herr Staatsminister Schneider, dass in einem sozialdemokratischen Bericht das Wort „Tarif“ nicht einmal auftaucht und das Wort „Gewerkschaft“ lediglich zweimal auftaucht. Deswegen glaube ich, Herr Staatsminister, Ihre Bundesregierung verwechselt Ursache und Wirkung. Sie setzen die falschen Prioritäten. Wir brauchen gut bezahlte Arbeitsplätze. Das ist die Aufgabe, der Sie sich stellen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Intel! TSMC!)
Sozial ist, was Arbeit schafft. Deswegen wollen wir auch Wohlstand für alle. Natürlich haben wir die Chipfabriken von Intel, unter anderem auch in Dresden, und die Ansiedlung von Tesla in Brandenburg. Deswegen heißt es nicht mehr „Abwanderung West“, es heißt jetzt „Einzug Ost“, und das sind positive Beispiele.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Darum rufe ich auch meinen Freunden von den Gewerkschaften zu: Streitet weiter! Kämpft weiter dafür, dass diejenigen, die gleiche Arbeit leisten, auch gleiche Löhne bekommen!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Streitet weiter dafür, dass diejenigen, die in Zwickau und in Brandenburg am Band stehen, die gleichen Löhne bekommen wie diejenigen in Wolfsburg am Band! Streitet weiter bei der Käserei in Jessen, dass die 500 Euro Lohnunterschied zur Käserei in Bayern ausgeglichen werden!
Wir brauchen in unserem Land bei gleicher Arbeit gleiche Löhne. Das ist die Aufgabe der Gewerkschaften, und die müssen wir stärken, meine sehr geehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Marianne Schieder [SPD]: Das ist aber nicht die Unionslinie!)
Meine Gewerkschaft, die IGBCE, Herr Habeck, schreibt in ihrem aktuellen Mitgliedermagazin: Es „droht ein Exodus“ in Bezug auf die Industrie. Dieser droht nicht nur, sondern die Streitampel führt dazu, dass die Industrie abwandert.
(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In meiner Heimatstadt hat der letzte Industriebetrieb am Dienstag vor drei Wochen einem Drittel seiner Belegschaft die Kündigung ausgesprochen. Warum? Begründung: Der Strompreis ist zu hoch. – 60 Familien stehen jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz.
(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Wo geht das Unternehmen hin? Das geht nicht nach Bahrain, das geht nicht nach Afrika. Das geht hinter die deutsch-österreichische Grenze, und das haben Sie, Herr Habeck, zu verantworten, weil Ihre Streitampel beim Thema Strompreis keine Einigung erzielt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Eijeijei!)
Sie haben zu verantworten, dass Sie unserem Antrag, die Energiesteuer auf das europäische Mindestmaß zu reduzieren, nicht zugestimmt haben. Die Streitampel hat zu verantworten, dass sie unserem Antrag, die Atommeiler weiterlaufen zu lassen, nicht zugestimmt hat.
(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])
Ihre Streitampel hat zu verantworten, dass die Freunde aus Schwedt heute immer noch Existenzsorgen haben, weil die zweite Pipeline von Rostock nach Schwedt immer noch nicht gebaut wird.
(Zuruf des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Deswegen droht nicht nur ein Exodus; es findet ein Exodus statt, und den haben einzig und allein Sie, Herr Habeck, zu verantworten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Ach du liebe Güte!)
Lassen Sie mich in der letzten Minute noch eins sagen – das ist mir wichtig; das hat nichts mit dem Bericht zu tun –:
(Marianne Schieder [SPD]: Besser nicht!)
Im 34. Jahr der Friedlichen Revolution besorgt und beschämt es mich, was in der Stadt Leipzig und in Ostberlin aktuell auf den Straßen los ist. Wer in einem Land, das friedlich zu einer Revolution gekommen ist, die Rechte mit Füßen tritt, Polizisten anschreit und beschimpft, dem muss ich sagen, dass er in unserem Land nichts mehr zu suchen hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Wir sind ein friedliches Land, wir sind das Land der Friedlichen Revolution. Alles andere ist inakzeptabel, und was aktuell auf ostdeutschen Straßen los ist, beschämt mich. So viel dazu.
Herr Habeck, Sie sprechen nach mir. Ich hoffe, dass Sie uns beim Thema Strompreis neue Botschaften übermitteln.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zum Stand der Deutschen Einheit 2023 |