Mario CzajaCDU/CSU - Bericht zum Stand der Deutschen Einheit 2023
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich bin mir nur noch nicht sicher, wer jetzt wen heiraten soll. Aber das werden Sie uns im Nachgang noch erklären.
(Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hängen geblieben?)
– Nein, ich kenne das Beispiel schon von ihr, keine Sorge.
Ein positiver Aspekt ist, dass wir momentan wieder Ansiedlungen in den neuen Ländern erleben und dass wieder mehr Menschen in die neuen Länder ziehen. Das ist das Positive, das man aus dem Bericht herausziehen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Trotzdem die AfD so stark ist!)
Das, was wir hier heute erleben, ist natürlich ein Sprechen über Wirtschaftsdaten, über Zahlen, über Fakten, über Universitätsabschlüsse. Aber wir reden wenig über die Frage der subjektiven und mentalen Prägung, die den Unterschied an vielen Stellen ausmacht, und die vielen Verletzungen, die auch in den vergangenen drei Jahrzehnten entstanden sind, die Sorgen und Ängste, die da sind, und sicher reden wir auch wenig über die Grunderkenntnis, dass das Thema Kommunikation im Osten eine besondere Rolle spielt. Sie, Herr Staatsminister, haben das auch auf Seite 5 in Ihrem Bericht zum Ausdruck gebracht.
Aber schauen wir mal auf die Realität der vergangenen Monate. Viele Entscheidungen der Bundesregierung haben in Ostdeutschland nicht nur schieres Unverständnis ausgelöst, sondern offenen Frust und, ja, auch manch eine rustikal formulierte Verzweiflung.
Schauen wir zum Beispiel auf die Kommunikation zum sogenannten Heizungsgesetz, ein Gesetz, das nur von Drohungen, von Verboten, von Enteignungen, von dem Eingriff in die Privatsphäre geprägt ist. Das Beispiel der Enteignung ist gerade noch mal im Speziellen genannt worden. Man muss doch diese Bevölkerungsgruppe verstehen, die finanziell deutlich schlechter gestellt ist als die vom Heizungseinbau Betroffenen im Westen, die über Vermögen verfügen. Für sie bedeutet der Einbau einer Wärmepumpe im Grunde, alles zu verlieren, wenn sie sie selbst bezahlen muss. Dass im Osten eine besondere Wut entstanden ist, ist das Ergebnis der Arbeit der Bundesregierung der vergangenen Monate.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Falls das eine Rede für den Hashtag #DankeHabeck gewesen ist: Herr Habeck, ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe den Eindruck, dass die Gestaltung einer Wärmewende ohne soziale Kälte, mit Anreizen für die Menschen, ohne maximale Verunsicherung die Aufgabe der Stunde gewesen wäre. Diese Selbsterkenntnis höre und spüre ich bei Ihnen überhaupt nicht, und die lese ich auch in keinem Gesetz. Sie müssen sich klarmachen, dass 91 Prozent der Ostdeutschen das Verbot von Öl- und Gasheizungen und Ihr Gesetz ablehnen – 91 Prozent! –,
(Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lesen Sie nicht richtig, Herr Czaja!)
bei 75 Prozent Ablehnung im Westen. Das ist die schiere Verzweiflung und die blanke Wut, die Ihrem Gesetz entgegentritt. Sie sind wesentlich für die Spaltung im Land verantwortlich.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie jetzt zum Thema sprechen? Stand der deutschen Einheit!)
Herr Staatsminister, nehmen wir das Thema Renten. Ich habe Ihren Bericht gelesen. Auf Seite 15 Ihres Berichtes steht im ersten Absatz – ich zitiere –:
„Aufgrund der guten Lohnentwicklung stieg der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2023 auf 37,60 Euro und beträgt damit 100 Prozent des Westwerts. In ganz Deutschland gilt damit bereits ein Jahr früher“
– ein Jahr früher als erwartet! –
„ein gleich hoher aktueller Rentenwert als nach gesetzlich festgelegten Angleichungsstufen vorgesehen.“
Meinen Sie das wirklich ernst? Würden Sie diesen ersten Absatz gerne in Dessau, in Wismar oder in Cottbus auf dem Marktplatz vortragen? Soll es Dankbarkeit geben? Erwarten Sie niederkniende Dankbarkeit dafür, dass das ein Jahr früher in diesem Bericht steht? Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, das als ersten Absatz in diesen Bericht hineinzuschreiben! Das zeigt, dass eine wertschätzende Form der Regierungskommunikation nicht gegeben ist und dass Sie einen ganz wesentlichen Teil der Arbeit in Ostdeutschland nicht verstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der nächste Aspekt ist von Dietmar Bartsch angesprochen worden. Sie haben aber eine Gruppe in der Aufzählung vergessen, Herr Bartsch:
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Welche?)
Das sind die Ministerpräsidenten. Zum Beispiel haben Michael Kretschmer und Reiner Haseloff ganz wesentlich dazu beigetragen, dass Ansiedlungen im Osten vorhanden sind und dass nicht das Bevormunden das Thema ist, sondern dass es um Zuhören, Nachdenken, Erklären und Machen geht. Das ist erfolgreiche Politik in den ostdeutschen Bundesländern. Und ja, diese Ansiedlungen sind ein Erfolg der Menschen vor Ort. Aber sie sind auch ein Erfolg von starken Ministerpräsidenten und starken Landesregierungen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich geht es darum, eine wirtschaftliche Basis zu schaffen. Es geht darum, industrielle Kerne zu schaffen; mein Kollege Müller hat das angesprochen. Es geht darum, dem Mittelstand Stabilität und Halt zu geben und damit eine Perspektive auf gleichwertige Lebensverhältnisse und bessere Tarifbedingungen. Darauf kommt es an. Deswegen müssen ein paar Bremsen gelöst werden, und sie werden weiterhin nicht gelöst.
Ein Thema betrifft die Zugverbindungen in den ostdeutschen Bundesländern, zum Beispiel die Zugstrecke Berlin–Küstrin.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.
Von Polen bis Brandenburg ist alles tutto paletti, auf Brandenburger Seite gibt es ein Problem; das müssen Sie lösen. Oder das Thema Wasserstoffhochlauf, Herr Minister Habeck.
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss, oder ich muss Ihnen das Wort entziehen.
Es droht derzeit, dass die Wasserstoffinfrastruktur in den neuen Bundesländern durch die starke Konzentration auf Chemie und Stahl deutlich schlechter sein wird als in den alten Bundesländern.
Das sind die Aufgaben, die aus unserer Sicht zu lösen sind. Dann kann es auch mit der Integration gelingen. Es ist nicht möglich, den Leuten einfach nur in die Tasche zu greifen, aber die mentale Stimmung der Menschen nicht zu verstehen. Nehmen Sie die Sorgen ernst, und lösen Sie die aktuellen Infrastrukturherausforderungen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Czaja. – Der Kollege Alexander Hoffmann von der CDU/CSU kann sich schon darauf einstellen, eine Minute weniger zu reden.
Ich werde künftig keine Zeitüberschreitungen mehr zulassen. Wir sind ohnehin bei 2.35 Uhr heute Nacht, und jede halbe Sekunde obendrauf würde bedeuten, dass die Sitzung zwei Stunden länger geht. Ich werde also von § 35 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung Gebrauch machen, das heißt: Nach einer einmaligen Aufforderung entziehe ich das Wort. Also nicht bei diesem Tagesordnungspunkt, sondern bei dem nächsten.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Budde, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602267 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zum Stand der Deutschen Einheit 2023 |