Helge LindhSPD - Staatsleistung an den Zentralrat der Juden
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Jüdinnen und Juden nicht wagen, ihre Läden offenzuhalten, dass TuS Makkabi Berlin gegenwärtig nicht trainieren kann, dass es einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge gegeben hat, dass Menschen nicht wagen, ihre Kippa zu tragen, das ist zutiefst beschämend und eine Schande für unser Land.
Ich habe vor wenigen Minuten einen Post gesehen mit einer gewaltigen Reichweite. Darin wird verwiesen auf eine Attacke auf eine Moschee in Bochum: Es wurden eine Jalousie in Brand gesetzt und die Tür mit Hakenkreuz und Davidstern beschmiert. Darunter steht in dem Post der Satz: Wird es dazu eine Verurteilung und Solidarität der Bundespolitik geben? – Ich glaube, jeder hier im Saal weiß, was damit im Subtext gemeint ist. Darauf antworte ich ganz bewusst an dieser Stelle: Ja, die gibt es. Weil in der Bundespolitik Empathie, Mitgefühl, Antidiskriminierung eben nicht miteinander verrechnet werden; so ist das in einem Rechtsstaat. Aber – und das sage ich auch denjenigen, die das posten – Jüdinnen und Juden in diesem Land sind wahrlich nicht dafür verantwortlich, dass viele tatsächlich jeden Tag verschiedene Formen von Rassismus erfahren oder auch blühenden antimuslimischen Hass, wie von Frau von Storch.
Nein, im Gegenteil: Der Zentralrat der Juden in Deutschland und zum Beispiel auch die Jüdische Studierendenunion stehen gerade für ein Verständnis, dass sie sich für das gesamte Land verantwortlich fühlen und gegen Antisemitismus, aber auch gegen Rassismus, wie gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit, Flüchtlingsfeindlichkeit, antimuslimischen Hasses, kämpfen. Sie sind ein Beispiel für eine Souveränität, an der sich viele von Ihnen ein Beispiel nehmen sollten.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
In dieser Souveränität verbitten sie sich übrigens auch auf eine höchst beeindruckende Weise, auch nur irgendwie von Ihnen, Frau von Storch, und von der AfD in Dienst genommen und instrumentalisiert zu werden, und sie machen das auch ausdrücklich. Die Partei der Geschichtsrelativierer, die Partei, deren Fraktionsvorsitzende Weidel die Befreiung Deutschlands als „Niederlage des eigenen Landes“ bezeichnet,
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfui!)
sollte an dieser Stelle ganz, ganz still sein und demütig schweigen. Das wäre die angebrachte Geste.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Martin Hess [AfD]: Sie haben Pause! Sie sind für die Probleme verantwortlich!)
Wir können von einer Gnade reden. Denn der Zentralrat der Juden in Deutschland war nach der Shoah, als ganz buchstäblich meine Vorfahren im deutschen Namen, im deutschen Auftrag und im deutschen Vollzug mehr als 6 Millionen Jüdinnen und Juden umgebracht haben, ein Provisorium, und eigentlich waren die Gemeinden als Liquidationsgemeinden – so hieß es – vorgesehen, weil man keine Zukunft hier sah. Und jetzt haben wir diese Gnade erlebt, dass es hier wieder jüdisches Leben in seiner Pluralität gibt. Da gibt es keine andere Antwort als die, dass wir unbedingt unverbrüchlich an der Seite von Jüdinnen und Juden stehen, uns dieser Gnade würdig erweisen und es nicht hinnehmen – egal von welcher Seite, egal wo, egal in welcher Relativiererei und Instrumentalisierung –, dass diese Solidarität nicht ausgedrückt wird.
(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Warum spalten Sie denn das Land?)
Alle Formen – das sage ich zum Schluss, weil mich das so aufregt – dieser Verrechnung gegeneinander sind widerlich, sind unerträglich und sind uns als Deutschland wahrlich nicht würdig.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Sie sind widerlich! Sie sind unerträglich! Unverschämt! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämt sind Sie! – Stephan Brandner [AfD]: Ihnen zuzuhören, ist eine Katastrophe!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602337 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Staatsleistung an den Zentralrat der Juden |