19.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 131 / Tagesordnungspunkt 17

Franziska KerstenSPD - Bundes-Klimaanpassungsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Debatte jetzt schon viel über Hochwasserereignisse, Dürren und Hitze gehört. Ich bin Mitglied im Umweltausschuss, Tierärztin und auch Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit. Deshalb möchte ich diese drei Aspekte beleuchten.

Zum Thema Hitze. Der September war global gesehen der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Durchschnittstemperatur lag 2,51 Grad über dem von 1991 bis 2020 gemessenen Durchschnitt. In Frankreich wird dieses Thema schon intensiver diskutiert. Der französische Wetterdienst Météo France hat errechnet, dass in Paris in 15 bis 20 Jahren mit einer Temperatur von bis zu 50 Grad zu rechnen ist. Solche Entwicklungen sind in Deutschland nicht ausgeschlossen. Es wird vermehrt zu Todesfällen durch Hitze kommen.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie verbreiten ja Angst! – Gegenruf des Abg. Axel Echeverria [SPD]: Müssen Sie gerade sagen!)

Das Robert-Koch-Institut berechnet regelmäßig die Übersterblichkeit durch Hitze. Die höchsten Werte wurden in den Jahren 2015, 2018 und 2019 mit jeweils über 6 000 hitzebedingten Sterbefällen gemessen.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie schüren Hitzeängste! – Heiterkeit des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Als Ursachen gibt es den Hitzschlag, die Austrocknung und auch Kreislaufversagen durch Hitze. Ein bisschen weiter geht es dann doch, Herr Brandner.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Aber Sie schüren hier Ängste! Das ist doch gar nicht schön!)

Die Menschen in den Regionen und in den Stadtvierteln, die ohnehin unter Luftverschmutzung leiden, sind zusätzlich gefährdet; denn dort steigt mit der Hitze aufgrund chemischer Reaktionen die Schadstoffbelastung durch Stickstoffdioxid, Ozon oder Feinstaub noch mehr an. Besonders für viele sozial schwächer Gestellte ist es schwierig; denn sie können nicht in gekühlte Räume flüchten und verfügen in der Regel nicht über Klimaanlagen.

Paris handelt bereits jetzt. Der Klimaplan der Stadt sieht vor, die Stadt radikal umzubauen. „ Grünanlagen“, „Bäume“, „Wasserstellen“, „Schwammstadt“ sind die Stichworte. Auch hier in Deutschland müssen wir Maßnahmen ergreifen. Von jetzt an muss gelten: Das Klima immer mitdenken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ unserer ehemaligen Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit wenig Aufwand sehr viel Lebensqualität sichern kann. Pflegeheime, Pflegedienste und auch Seniorenzentren und Kitas erhalten Mittel für einfache Anpassungsmaßnahmen wie Verschattungen und Überdachungen. Ich freue mich, dass das BMUV dieses Programm auch über 2023 hinaus fortführen will.

Auch das Stichwort „Schwammstadt“ ist heute schon häufiger gefallen. Ich verweise hier gern auf die Praxishilfe des Umweltbundesamtes „Klimaanpassung in der räumlichen Planung“. Sie zeigt auf, wie wir Anpassungsmaßnahmen in der Raumordnung und Bauleitplanung mit Anforderungen an Städtebau und Umweltschutz in Einklang bringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich freue mich deshalb besonders, dass wir im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz bald mit der Veröffentlichung der neuen Förderprogramme zur Stadtnatur rechnen können. Ein weiteres Förderprogramm explizit zur Klimaanpassung eröffnet im November eine neue Finanzierungsrunde. Wir kommen hier als Bund also sehr wohl ins Handeln.

Mir ist bei all diesen Maßnahmen der sorgsame Umgang mit Flächen am wichtigsten. Ziel muss es sein – wir haben es schon gehört –, möglichst wenig zu versiegeln und viel mehr zu entsiegeln. Dazu sollten wir uns auch die Bundeskompensationsverordnung anschauen.

Zu guter Letzt noch ein paar Punkte zu Klimawandel, Biodiversität und neuen Krankheitserregern. Im aktuellen Gesetzentwurf kommt das Wort „Biodiversitätsverlust“ nur einmal vor. Aber auch Tiere und damit unsere Biodiversität leiden unter der Hitze. Ab einer Körpertemperatur von 40 Grad Celsius wird es sogar für Insekten zu heiß; sie können gar nicht mehr fliegen. Das sollte uns echt zu denken geben. Das können wir uns nicht leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP])

Im Indikatorenbericht zur biologischen Vielfalt, der gestern im Umweltausschuss vorgestellt wurde, waren wir bei 11 von 18 Indikatoren weit weg von dem guten Zustand, den wir erreichen wollen. Ich möchte deshalb an das Umweltministerium und an das Landwirtschaftsministerium appellieren, nach Beschluss des Gesetzes den Punkt Biodiversität ganz oben in die Liste der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel aufzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Abschluss ein letzter Punkt: Durch den Klimawandel kommen nicht nur neue, invasive Tierarten wie die Asiatische Hornisse – wie jetzt gerade in Berlin –, sondern auch neue Krankheitserreger. In Südeuropa gab es in den vergangenen Jahren wiederholt Krankheitsfälle wie Denguefieber, das durch die Asiatische Tigermücke übertragen wird. Je wärmer es wird, desto mehr steigt auch dieses Risiko.

(Karsten Hilse [AfD]: Keine Mücke ist illegal! Keine Hornisse ist illegal!)

Es sollte also in unser aller Interesse sein, uns nicht nur an den Klimawandel anzupassen, sondern auch gegen den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust anzukämpfen. Das sollten wir auch bei diesem Gesetz immer im Hinterkopf haben.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7602361
Wahlperiode 20
Sitzung 131
Tagesordnungspunkt Bundes-Klimaanpassungsgesetz
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