20.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 132 / Tagesordnungspunkt 36

Andreas JungCDU/CSU - Wasserstoffhochlauf

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben als Unionsfraktion bereits im Frühjahr diesen Antrag für einen Wasserstoffhochlauf – schnell, pragmatisch, europäisch, international und insbesondere technologieoffen – vorgelegt.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau!)

Und ja, da gibt es eine breite Basis. Wir bauen damit auf die Wasserstoffstrategie auf, die die vorherige Regierung aufgelegt hat, die die jetzige Regierung fortführen will; das ist die breite Basis.

Aber was wir erwarten, Frau Nestle, ist, dass das, was Sie gerade beschrieben haben und was in dieser Strategie sehr allgemein beschrieben wird, jetzt konkret wird.

(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ziemlich konkret!)

Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Welt wartet nicht, die Unternehmen warten nicht, und da reichen nicht Ankündigungen in einer Strategie. Wir brauchen Entscheidungen. Und ja, das ist die Verantwortung der Regierung, und deshalb machen wir Druck.

(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Und warum machen wir Druck?

Herr Jung, Sie haben gesehen: Die Kollegin Nestle hat sich gemeldet. Möchten Sie die Frage zulassen?

Bitte schön.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die hat geredet vor zwei Minuten! – Henning Rehbaum [CDU/CSU], an die Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Haben Sie noch was vergessen in der Rede, oder was?)

Herzlichen Dank, dass Sie die Rückfrage zulassen. – Ich mache es ganz kurz. Ich habe ja gerade in meiner Rede neun ganz konkrete Punkte vorgelegt,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nichts davon habt ihr gemacht!)

bei denen wir wirklich schon gehandelt haben und die vorherige Regierung nicht gehandelt hat, und auch dargelegt, dass Ihr Antrag sehr wenig konkret ist.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist nur Geschwätz!)

Deswegen frage ich mich einfach, wie Sie zu dieser komplett umgekehrten Darstellung kommen.

Zu unserem Antrag komme ich; den werde ich hier sehr detailliert vorstellen. – Was wir erwarten: Sie haben jetzt Halbzeit mit der Ampel – Halbzeit! –, und zur Halbzeitpause haben Sie eine Strategie vorgelegt. Sie haben neun Punkte herausgegriffen, die Sie umsetzen wollen,

(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wir schon umgesetzt haben!)

die Sie teilweise umgesetzt haben.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)

Aber in dieser Strategie werden ja die Dinge beschrieben, die Sie erst umsetzen wollen. Das ist ja nicht die Umsetzung einer Strategie, es ist die Beschreibung einer Strategie.

(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nicht die Strategie zitiert, sondern die Punkte, die wir umgesetzt haben!)

Frau Nestle, mit Verlaub, in der Strategie findet sich die Ankündigung einer weiteren Strategie, und zwar bei der so maßgeblichen Frage des Imports. Wir sind uns einig, dass mehr als die Hälfte des Wasserstoffs über den Import kommen wird. Dazu steht nichts drin, außer dass die Regierung beabsichtigt – wir sind gespannt –, noch in diesem Jahr eine Strategie für den Import vorzulegen. Uns ist das zu viel Ankündigung und zu wenig Handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will es ganz deutlich sagen: Sie haben immer vom Deutschlandtempo in der Krise gesprochen, weil es gelte, die Energiesicherheit in der Krise zu sichern,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir auch gemacht!)

und deshalb brauche man ein Deutschlandtempo, deshalb müsse man innerhalb von Wochen und Monaten handeln.

(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Neun Punkte umgesetzt!)

Hier geht es um die Energiesicherheit für die Zukunft, und da erwarten wir dasselbe Deutschlandtempo. Was Sie haben, ist allgemeiner Geschäftsgang und teilweise Bummelzug.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hatten 16 Jahre Schneckentempo! – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Bimmelbahn!)

So wird es nichts. Wir brauchen beim Wasserstoff mehr Wumms.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir erwarten – das ist übrigens eine Führungsaufgabe –, dass der Bundeskanzler prioritär diese Dinge voranbringt in seinen internationalen Gesprächen und in der Politik dieser Bundesregierung, weil es so existenziell ist für die Zukunft eines klimaneutralen Industrielandes – ich sage das so deutlich: eines klimaneutralen Industrielandes. Wir bekennen uns zur Klimaneutralität. Klimaneutralität bis 2045 zur Bekämpfung des Klimawandels ist unsere Verantwortung und unser Beitrag zum Pariser Abkommen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer bricht denn das Klimaschutzgesetz seit zwei Jahren?)

Es ist unsere gesetzliche Pflicht.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Kein Unterschied zu den Grünen!)

Aber ich sage es Ihnen deutlich: Wir werden das nicht erreichen, wenn wir einen Weg verfolgen, der dazu führen würde, dass die Industrie weggeht, dass Arbeitsplätze wegfallen. Dann bröckelt die Akzeptanz. Wir haben das in anderer Weise beim Heizungsgesetz erlebt, was das bedeutet, und wir müssen die Menschen alle vier Jahre wieder für diesen Weg gewinnen. Dazu brauchen wir Akzeptanz, und dazu brauchen wir eine starke Wirtschaft, eine starke Industrie. Deshalb ist unser Weg, beides zusammenzubringen. Wir sind doch nicht nur herausgefordert, den Klimawandel zu bekämpfen. Wir sind auch wirtschaftlich herausgefordert durch China und andere, aber auch durch den IRA der USA – Klimaschutz mit Steuerförderung. Da darf unsere Antwort in Deutschland nicht größtmögliche Regulierung sein. Unsere Antworten müssen Innovationen sein, müssen Technologien sein. Technologien für die Welt statt Überregulierung in Deutschland, das ist unser Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt sagen Sie, Frau Nestle – und das ist entlarvend-, wir wollten alles. Ich sage Ihnen: Wir wollen alle Farben des Wasserstoffs. Wir wollen alle Farben des Regenbogens in einer europäischen Strategie zusammenbringen. Wir müssen hier europäisch denken. Natürlich ist und bleibt das Ziel grüner Wasserstoff; da sind wir uns einig. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, dass die Elektrolysekapazität in Deutschland verdoppelt werden soll. Wir unterstützen die Erreichung dieses Ziels und werden Sie daran messen. Was auch immer wir im Sinne der Beschleunigung dazu beitragen können, um das zu befördern, werden wir tun. Es ist richtig und notwendig, das fortzuführen, was wir begonnen haben, nämlich international Partnerschaften für grünen Wasserstoff aufzubauen. Aber Sie wissen doch: Das wird nicht reichen, um so schnell voranzukommen, wie wir vorankommen müssen.

Und deshalb brauchen wir auch ein klares Bekenntnis zu blauem Wasserstoff. Auch blauer Wasserstoff ist klimafreundlich.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Wasserstoff hat keine Farbe!)

Es gibt jetzt eine Einigung in Ihrer Koalition, die da heißt: Wir akzeptieren blauen Wasserstoff, aber fördern tun wir ihn nicht. – Da sage ich Ihnen: Mit der Inaussichtstellung der Duldung von blauem Wasserstoff wird er nicht kommen. Da erwarten wir die volle Energie. Er ist nicht das Ziel, nicht die finale Lösung, sondern eine Brücke, ein Übergang. Da erwarten wir, dass der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister zum Beispiel die Gespräche mit Norwegen für eine Partnerschaft nicht nur führen, sondern auch zum Erfolg führen – mit hohem Druck, mit politischer Energie, mit der Unterstützung auch der Grünenfraktion und nicht ständig mit Widerspruch aus der Grünenfraktion.

Das muss vorangebracht werden, und es muss gefördert werden. Es bedeutet einen höheren Kostenaufwand, blauen Wasserstoff zu erzeugen, weil das CO2 abgeschieden wird. Wenn Sie das nicht fördern, wenn Sie nicht bereit sind, das für den Übergang zu fördern und auch finanziell zu unterstützen, wird es in Deutschland nicht stattfinden. Und ja, wir müssen da schnell vorankommen, weil unsere Industrie darauf wartet, weil unsere Wirtschaft darauf wartet, weil wir diesen Wasserstoff brauchen. Deshalb brauchen wir nicht nur Offenheit, nicht nur Duldung; wir brauchen die aktive Förderung und Unterstützung auch von blauem Wasserstoff für die Übergangszeit. Und da ist Ihre Lücke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen auch Fortschritte bei der Infrastruktur. Ja, Sie beschreiben jetzt das Wasserstoffkernnetz, und dann soll das Verteilnetz kommen. Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gesagt: Wir haben eine Entscheidung für die Finanzierung getroffen. – Ich kenne keine Entscheidung der Bundesregierung für die Finanzierung. Ich kenne ein Modell, das dena-Modell zur Amortisierung. Dem können wir viel abgewinnen. Aber da gibt es noch keine Entscheidung der Regierung. Ist das jetzt das Modell der Regierung, oder ist es das nicht? Das müssen Sie doch entscheiden, müssen Sie doch voranbringen. Jetzt gilt es doch, die Weichen zu stellen, damit Wasserstoff ins ganze Land kommt.

(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wurde sogar schon im Ausschuss verschickt, das Konzept! Sie haben kein einziges Konzept in Ihrem Antrag!)

Und jetzt gilt es auch, Frau Nestle, die europäischen Transversalen voranzubringen. Da haben wir nun über ein Jahr einen Streit von Olaf Scholz und Emmanuel Macron auf öffentlicher Bühne erlebt – kein deutsch-französisches Miteinander, sondern ein deutsch-französisches Gegeneinander. Das blockiert Europa. Die deutsch-französische Partnerschaft ist die Voraussetzung, um das mit allen anderen Partnern in Europa, etwa Polen, voranzubringen. Wir brauchen eine europäische Wasserstoffunion. Dazu brauchen wir Deutschland und Frankreich, und dazu muss das besser werden. Das muss mit Energie, mit Wumms, mit Nachdruck vorangebracht werden. Nur dann werden wir die Ziele erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ja, Sie mahnen Entscheidungen an. Treffen Sie die Entscheidungen, damit Wasserstoff zum Geschäftsmodell wird! Sie beschreiben in der Strategie Differenzverträge als einen Weg. Legen Sie Konzepte dafür vor! Legen Sie die Konzepte dafür vor, die die belastbare Grundlage dafür sind, dass wir vorankommen!

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden doch schon vereinbart, Herr Jung! Die werden doch konkret gerade vereinbart!)

– Die werden vereinbart. – Die müssen vor allem als Rahmen geschaffen werden.

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ein paar Monate verpasst!)

Da gibt es keine belastbare Grundlage. Sie beschreiben das allgemein. Uns reichen Ihre Ankündigungen nicht. Wir wollen Taten sehen. Wir müssen vorankommen, und wir müssen schneller vorankommen.

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie das letzte halbe Jahr?)

Jetzt mache ich es ganz konkret, weil Sie gerade fragen: Wo waren Sie in diesem Jahr? – Ich war im Deutschen Bundestag. Und wissen Sie, was ich im Deutschen Bundestag gehört habe? Die Ankündigung dieser Bundesregierung, Herr Staatssekretär, es würde in diesem Jahr der Rahmen für die Kraftwerksstrategie vorgelegt. Es wurde dazugesagt: Das ist entscheidend; denn da schließt sich ein Zeitfenster, und wenn wir das nicht schaffen, dann wird die Verlängerung der Nutzung von Kohle die Konsequenz sein. – Deshalb würde das in diesem Jahr vorgelegt, weil alle darauf warteten. Wir brauchen diesen Rahmen, um wasserstofffähige Gaskraftwerke voranzubringen.

Wurde von dieser Regierung angekündigt. Ich habe es gehört; da war ich in diesem Jahr. Und was ist?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nichts!)

Wir haben Oktober, und jetzt wird gesagt: Er kommt im ersten Halbjahr nächsten Jahres. – Alle Akteure wissen: Das ist eigentlich zu spät, weil sich das Zeitfenster schließt und weil es einen Vorlauf braucht, weil es Ausschreibungen braucht, weil es Planung und Umsetzung braucht. Warum ist das nicht passiert? Da sind Sie zu spät dran. Es muss schneller gehen. Deshalb stellen wir diesen Antrag, und deshalb machen wir Druck: damit es hier national vorangeht und damit es europäisch vorangeht, damit wir international mit den Partnern vorankommen.

Letzte Bemerkung. Wir haben in Europa mit einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl begonnen – Industrie und Energie. Da sind Schritte erreicht worden in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Aber das reicht nicht. Wir müssen jetzt die entscheidenden Schritte machen. Jetzt ist das Zeitfenster, auch im internationalen Kontext. Wir brauchen eine echte europäische Energieunion und als Kernbestandteil eine Wasserstoffunion. Dazu brauchen wir Offenheit, und dazu darf man nicht auch gleich wieder in Beschränkungen denken wie Sie, wenn Sie zugleich in einem allgemeinen Sinne doch auch sagen, Sie wollen die Anwendung überall. Wir glauben, dass der Markt entscheidet, wo die ersten Anwendungen sind. Und natürlich wird die Industrie da eine ganz entscheidende Rolle spielen. Aber jetzt gleich wieder mit dem Denken heranzugehen: „Die Mittel sind knapp, Wasserstoff ist knapp, und wir wollen ja auch gar nicht so viel, weil wir uns auf grünen Wasserstoff konzentrieren wollen; deshalb muss der Staat regeln, wo er eingesetzt wird und wo nicht“, das ist falsch, das ist engstirnig, das ist dirigistisch. Wir müssen offen, breit und pragmatisch denken und jetzt vorangehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Andreas Rimkus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7602504
Wahlperiode 20
Sitzung 132
Tagesordnungspunkt Wasserstoffhochlauf
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