Rasha NasrSPD - Aktuelle Stunde: Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Union, ich muss schon sagen: Es ist bemerkenswert. Wenn man in die Reihen Ihrer Fraktion schaut, dann scheinen Sie sich ja selbst nicht einig zu sein. Wenn Sie diese Aktuelle Stunde beantragen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass Ihre Reihen voll sind.
(Sebastian Hartmann [SPD]: Aber echt! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ihre Belehrungen brauchen wir nicht! Kümmern Sie sich mal um die Dinge!)
Wir erleben seit Monaten eine Diskursverschiebung in der Migrationsdebatte hin zu alten Vorurteilen und neuen Angriffen auf unser Grundgesetz und das internationale Recht, die schon damals, Anfang der 90er, kein einziges Problem gelöst haben und es auch heute nicht tun. Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam konstruktive Lösungen zu finden, die den Anforderungen unserer Zeit gerecht werden.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Machen Sie doch mal!)
Und ich bin überzeugt, Migrations- und Integrationspolitik müssen immer zusammengedacht werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Genau! Das Land ist überfordert!)
Sie, werte Union, verkürzen die Debatte dabei leider immer wieder auf einen Punkt, nämlich die Reduktion irregulärer Migration als Antwort auf all unsere Probleme.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Das wäre mal ein Anfang zumindest!)
Wir müssen aber über so viel mehr sprechen:
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Nicht nur sprechen, sondern auch handeln!)
den schnellstmöglichen Zugang zu Sprache und Arbeit zum Beispiel oder die allgemeine Situation auf dem Wohnungsmarkt, genauso wie über ausreichend Kitaplätze, Lehrpersonal oder die Digitalisierung unserer Verwaltung.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie sind doch in der Regierung! Sie wollten doch 400 000 Wohnungen bauen! Wo sind die denn? Nicht mal die Hälfte schaffen Sie! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Sie kapitulieren vor Ihren eigenen Ansprüchen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch endlich über Integration reden und aufhören, so zu tun, als wären die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, schuld an den Problemen, die wir doch schon seit Jahren und Jahrzehnten kennen. Bund und Länder haben am Montagabend einen neuen Anlauf genommen, gemeinsame Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden. Und ich begrüße die Lösung im Bereich der Finanzierung; denn sie zeigt, dass die Realität der Unterversorgung der Kommunen anerkannt wird. Der Bund wird sich langfristig an der Finanzierung der Aufgaben beteiligen,
(Nina Warken [CDU/CSU]: Geld allein hilft aber nicht!)
und das ist auch gut so. Ich halte es aber für wichtig, dass die Gelder, die der Bund schon jetzt an die Länder ausreicht, auch eins zu eins an die Kommunen gehen, damit sie ihre Aufgaben auch erledigen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Wenn die Ministerpräsidentenkonferenz jetzt mehr Restriktionen fordert, frage ich mich, warum die Länder nicht auch Angebote im Bereich der Integration machen. Besonders in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel habe ich dafür nur wenig Verständnis. Wir haben gehört, welche Dinge sich im Beschluss finden: die Einführung der Bezahlkarte oder der Anspruch auf Sozialleistungen erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten.
Meines Erachtens braucht es allerdings einen etwas weiteren Blick; deshalb hätte ich mir mehr Vorschläge der Länder gewünscht, wie wir geflüchtete Menschen schnellstmöglich in sozialversicherungspflichtige Arbeit bekommen, und nicht, wie wir sie möglichst lange im Asylbewerberleistungsgesetz halten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das kann man alles jetzt schon machen! Dafür ist übrigens der Bund zuständig!)
Also werden wir die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vorantreiben und ermöglichen, dass sie bereits nach sechs statt wie bisher neun Monaten arbeiten können; denn die Arbeitsverbote müssen fallen.
Wir haben mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht ermöglicht, dass knapp 100 000 Menschen aus der Kettenduldung herauskommen und endlich auf eigenen Beinen stehen können.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Unsinn! Sie kennen das Gesetz nicht!)
Wir haben mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz das modernste und liberalste Einwanderungsgesetz geschaffen, das dieses Land je gesehen hat. Und wir werden mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht ein Gesetz auf den Weg bringen,
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Nichts verstanden!)
das besonders denjenigen Menschen endlich den gebührenden Respekt entgegenbringt, die dieses Land als Vertrags- oder Gastarbeiter/-innen mit aufgebaut haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Mit den Migrationsabkommen schaffen wir außerdem den rechtlichen Rahmen für einerseits humanitäre Rückführungen in die Herkunftsländer und bereiten andererseits legale Wege der Arbeitsmigration nach Deutschland. Realitäten anerkennen, Menschlichkeit bewahren und Perspektiven geben – das bedeutet, dass wir es den Menschen in unserem Land schuldig sind, auf der Grundlage von Fakten und mit klarem Blick zu sagen, was ist.
Wir sind es ihnen aber auch schuldig, werte Union, unsere Herzen nicht eng zu machen. Leider haben Sie aber offenbar mehr Interesse daran, öffentlichkeitswirksam gefühlt die tausendste mit Halbwahrheiten gespickte Diskussion vom Zaun zu brechen.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum x-ten Mal!)
Sie, werte Union – das hat diese Debatte auch gezeigt –, tragen nicht dazu bei, dass diese Diskussion in diesem Land sachlicher geführt wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Und Sie tragen nicht dazu bei, dass Lösungen gefunden werden!)
Werte Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist ein Einwanderungsland. Eine Migrationspolitik, die Realitäten vor Ort anerkennt und ethischen Grundsätzen genügt, ist möglich. Mauer- und Lagerarchitekten gibt es schon genug. Wir brauchen Mut, Realitäten anzuerkennen, Mut, unsere Menschlichkeit zu bewahren, und Mut, Perspektiven zu geben. Also lassen Sie uns gemeinsam mutig sein.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Peter Beyer [CDU/CSU]: Das war Volkshochschulniveau allenfalls!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602947 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration |