Daniel BaldySPD - Aktuelle Stunde: Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland entgegentreten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja ganz spannend, dass die AfD auch in dieser Debatte wieder gefordert hat, dass sich die Menschen, die nach Deutschland kommen, an Regeln halten müssen. Aber wenn es um einfachste parlamentarische Regeln geht, dann scheißt diese Fraktion darauf. Das dürfen wir auch nicht zulassen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Nicht sehr parlamentarisch!)
Kommen wir zum Thema. Was bedeutet ein Kalifat konkret? Es gibt in einem Kalifat keine Meinungsfreiheit, keine Religionsfreiheit. Menschenrechte werden massiv beschnitten. Und wo Regeln gebrochen werden, da drohen drakonische Strafen. Folglich ist auch absolut klar: Ein Kalifat ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, und Forderungen danach werden wir auch immer entschieden zurückweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber diese Aktuelle Stunde wird nicht verhindern, dass wieder Menschen auf die Straßen gehen und dieselbe dämliche, falsche Forderung stellen. Was also können wir tun, um zukünftig islamistische Radikalisierung zu verhindern, eine Radikalisierung, die sich nicht nur in der Kalifatforderung zeigt, sondern auch in dem blanken, zu verabscheuenden Israelhass der letzten Wochen? Was genau braucht es also, um nicht nur solche Demonstrationen, sondern auch die Entwicklung davor effektiv zu verhindern?
Eine Antwort darauf liefert beispielsweise das Projekt „Wertraum“ aus meinem Wahlkreis Mainz. In Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen Justizministerium bietet der Verein Wertzeug Angebote zur Demokratiebildung und Extremismusprävention in Haftanstalten an. Denn wir wissen doch alle, dass Haftanstalten ein Brandbeschleuniger für Radikalisierung sind, nicht nur im Bereich Islamismus, sondern auch im politischen Extremismus.
Was tun wir als Ampelkoalition dagegen? Das Demokratiefördergesetz wird die Finanzierung von Projekten wie „Wertraum“ endlich auf solide Füße stellen. Wir sollten alle ein Interesse daran haben, das weiter zu unterstützen. Deshalb gilt heute mehr denn je: Wer Extremismusprävention langfristig sichern will, der muss auch das Demokratiefördergesetz unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich gilt es nicht nur, radikale Ideologien in ihrer Entstehung zu verhindern, sondern auch, die Plattformen zu bekämpfen, auf denen sich die Extremisten immer wieder treffen, vernetzen und weiter radikalisieren. Genau deshalb war es auch so gut und richtig, was die Innenministerin Nancy Faeser heute Morgen hier im Plenum noch einmal bekräftigt hat. Die Verbote von Hamas und Samidoun waren absolut richtig. Und es werden nicht die letzten Verbote gewesen sein.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wochen zu spät! – Nina Warken [CDU/CSU]: Schlecht gemacht!)
Eines jedoch ist in der ganzen Debatte besonders wichtig, sei es im Falle von Generation-Islam, sei es bei Gruppen wie beispielsweise Nachfolgeorganisationen von Hizb ut-Tahrir oder anderen: Diese Verbote müssen rechtssicher sein, sie müssen gut vorbereitet sein. Genau dafür sorgt unsere Bundesinnenministerin. Für uns als Ampelkoalition gilt deshalb: Wir befürworten diese Verbote und den Kurs der Ministerin ausdrücklich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zu guter Letzt ist es wichtig, dass wir über islamischen Antisemitismus sprechen, so wie wir das heute tun.
(Stephan Brandner [AfD]: Ganz am Ende!)
Das wurde in den letzten Jahren vielleicht zu selten getan. Lassen Sie mich Ihnen zur Einordnung aber noch zwei Zahlen nennen! Bis Mitte dieses Jahres wurden 685 antisemitische Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität – rechts – zugeordnet. 34 antisemitische Straftaten wurden der Politisch motivierten Kriminalität aufgrund religiöser oder ausländischer Ideologie zugeordnet.
(Stephan Brandner [AfD]: Tolle Statistik!)
Die Zahlen werden sich bis Ende des Jahres noch verändern; aber sie sprechen doch heute schon für sich.
Ihre eigene Verantwortung beim Thema Antisemitismus, liebe AfD-Fraktion,
(Stephan Brandner [AfD]: Jetzt sind wir plötzlich lieb?)
haben Sie heute und in den letzten Wochen immer und immer wieder verschwiegen. Ihr Kollege sprach noch heute Morgen hier im Deutschen Bundestag in der Vereinbarten Debatte zum Gedenken an die Reichspogromnacht von angeblich friedlichen Coronademonstranten im letzten Jahr, die sich aber Davidsterne anhefteten und die Shoah aufs Widerlichste relativierten. Wo blieb da Ihre Empörung? Als Björn Höcke das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ein „Denkmal der Schande“ nannte, wo blieb da Ihr Aufschrei?
(Stephan Brandner [AfD]: Das war Rudolf Augstein!)
Und als Alexander Gauland die Shoah einen „Vogelschiss“ nannte, wo blieb da Ihre Aktuelle Stunde oder Ähnliches?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das blieb immer und immer wieder aus. Stattdessen machten Sie Alexander Gauland auch noch zu Ihrem Ehrenvorsitzenden.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bedienen Sie sich in Reden immer und immer wieder verstärkt antisemitischer Sprache. Da reden Sie von „geheimen globalen Eliten“, die angeblich diese Republik steuern, oder von einer gewissen Fremdbestimmtheit.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Quatsch! Das behaupten Sie, diesen Blödsinn!)
All das bedient antisemitische Klischees. Und diesen Antisemitismus erleben wir doch nicht erst seit dem 7. Oktober, seit dem Überfall der Hamas auf Israel. Nein, den erleben wir bei Ihnen seit zehn Jahren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christoph Meyer [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603143 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland entgegentreten |