09.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 134 / Zusatzpunkt 7

Dietmar NietanSPD - Änderung des Parteiengesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erinnern uns: Im Januar dieses Jahres stellte das Bundesverfassungsgericht in einem bemerkenswerten Urteil fest – ich zitiere aus dem fünften Leitsatz des Urteils –:

„Die Erweiterung der Kommunikationswege und -möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung sowie der verstärkte Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente stellen eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse für die Wahrnehmung des den Parteien durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zugewiesenen Verfassungsauftrags dar.“

Das heißt: Das Bundesverfassungsgericht sah im Januar in seinem Urteil durchaus einschneidende Veränderungen, wie sie auch von den damaligen Koalitionsfraktionen Union und SPD im Jahre 2018 zur Begründung der Erhöhung einer absoluten Obergrenze herangezogen wurden.

Allerdings: Trotz der Zustimmung in der Sache hat das Bundesverfassungsgericht die Erhöhung selbst für nichtig erklärt; denn die damalige Große Koalition hatte im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit für eine Fußball-WM im Eilverfahren einen Gesetzentwurf durch das Parlament gejagt, dessen Herleitung und Begründung für die Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung völlig unzureichend war. Das war ein schwerer Fehler von Union und SPD, und – ich will das direkt hier klarstellen – auch ich habe damals meine Hand dafür gehoben.

Damit haben wir der Parteiendemokratie einen Bärendienst erwiesen; denn obwohl die Erhöhung in der Sache durchaus gerechtfertigt und zu begründen gewesen wäre, hatte die damalige völlig unzureichende Begründung dem Eindruck, dass sich Parteien schamlos an den staatlichen Mitteln bedienen, Tür und Tor geöffnet. Genau das hat auch das Bundesverfassungsgericht kritisiert und gerügt. Diese damalige Vorgehensweise kann also, wenn man so will, durchaus als ein abschreckendes Beispiel gewertet werden, wie man mit dem Parteiengesetz besser nicht umgehen sollte.

Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist allerdings das Gegenteil von einem schlechten Beispiel; denn fünf Fraktionen dieses Hohen Hauses – von denen eine leider nicht auf dem Kopf des Gesetzentwurfs aufgeführt ist, weil es eine andere nicht wollte – haben sich nun hingesetzt und sehr sorgfältig und detailliert mit ganz konkreten Zahlen begründet, warum die Erhöhung der absoluten Obergrenze unbedingt notwendig ist, nämlich damit die politischen Parteien ihrem Verfassungsauftrag auch unter heutigen Funktionsbedingungen unserer Demokratie im 21. Jahrhundert genügen können.

Sie haben darüber hinaus konkrete Verbesserungen in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, die für mehr Transparenz und Fairness in der Parteienfinanzierung sorgen werden. Eigentlich sind es diese Umstände und die Entstehung des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes, die ich durchaus als einen Beweis für eine funktionierende Parteiendemokratie sehe; denn zusammengefasst lässt sich sagen: Eine Große Koalition zieht arrogant ein schlecht gemachtes Gesetz durch, drei ganz unterschiedliche Oppositionsparteien – Grüne, FDP und Linke – sagen: „Das machen wir nicht mit“, klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

(Fabian Jacobi [AfD]: Da haben Sie die vierte Oppositionspartei vergessen!)

Das Bundesverfassungsgericht erklärt das Ganze für nichtig, verfasst aber eine Urteilsbegründung, in der deutlich wird, wie man es richtig machen könnte. Diese Chance, das jetzt richtig und gut zu machen, diese Chance haben im Interesse unserer Demokratie fünf Fraktionen jetzt genutzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Dafür möchte ich mich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern der Fraktionen von SPD, Union, Grünen, FDP und Linkspartei ausdrücklich bedanken.

Wer sich den heute vorliegenden Entwurf zur Reform des Parteiengesetzes anschaut, erkennt sofort: Hier wurde durch sorgfältige und verantwortungsbewusste Zusammenarbeit über die Grenzen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen hinweg die Parteiendemokratie gestärkt. Denn die Absenkung der Sofortveröffentlichungsgrenze für Großspenden, die Veröffentlichungsregeln beim Sponsoring und die Regelung zu den sogenannten Parallelaktionen schaffen jetzt mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung. Ebenso ist die ausführliche und schlüssige Gesetzesbegründung hervorzuheben, die sich eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hält. Dies war nur möglich, weil 7 von 20 Parteien, die in den letzten Jahren staatliche Mittel erhalten haben, bereit waren, gegenüber den Verfassern dieses Gesetzentwurfs ihre konkreten Mehrkosten in den Bereichen Digitalisierung und Partizipation für die Jahre 2015 bis 2021 offenzulegen. Denn nur dadurch konnte der konkrete Umfang einer begründbaren Erhöhung der absoluten Obergrenze durch ganz konkret nachweisbare Zahlen zu den steigenden Mehrkosten der Parteien aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht konstatierten einschneidenden Veränderung transparent und nachvollziehbar hergeleitet werden. Dafür wiederum möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Schatzmeisterkolleginnen und -kollegen von CDU, CSU, den Grünen, FDP, der Linken und auch der ÖDP bedanken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Petra Pau [DIE LINKE])

Hetze, Fake News, Desinformationen bestimmen immer mehr Ton und Inhalt unserer politischen Debatten. Ebenso sehen sich immer mehr demokratische Parteien ausländischen, insbesondere russischen, Hackerangriffen ausgesetzt. Mit diesem Gesetzentwurf stärken wir gerade die demokratischen Parteien, indem wir sie in die Lage versetzen, jetzt lange aufgeschobene Investitionen in den Bereichen Digitalisierung, Social Media, IT-Sicherheit und Partizipationsangebote zu tätigen. So können die demokratischen Parteien den Feinden der Demokratie in der digitalen Demokratie sichtbarer entgegentreten und ihren Verfassungsauftrag erfüllen. Denn gerade jetzt, in der Zeitenwende, braucht eine wehrhafte Demokratie starke demokratische Parteien.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Das Wort erhält Julia Klöckner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603191
Wahlperiode 20
Sitzung 134
Tagesordnungspunkt Änderung des Parteiengesetzes
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