Stephan StrackeCDU/CSU - Bundesagentur für Arbeit
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt ja: Die Ampel spart auf dem Rücken der Arbeitslosen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jens Peick [SPD]: Wann hat die Debatte das denn gezeigt? So ist das, wenn man die Rede vorher geschrieben hat!)
Die Vermittlung aus einer Hand und die Betreuung werden zerschlagen. Damit wird der Rückkehrprozess aus Arbeitslosigkeit in Arbeit verschlechtert. Sie belasten ohne Grund die Unternehmen und die Arbeitnehmer durch einen Verschiebebahnhof und wälzen die Kosten auf die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung ab.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, was denn jetzt? Wird jetzt gekürzt, oder wälzen wir ab? Das ist ein Widerspruch! – Gegenruf des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Beides! Zuhören!)
Das ist Ihre Politik, die in jeglicher Art und Weise in die Irre führt. Das ist grob fahrlässig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Krisenzeiten brauchen wir eine gut gefüllte Krisenrücklage, gerade bei der Bundesarbeitsagentur. Was Sie tun, führt zu einer Belastung der Arbeitslosenversicherung, und zwar durch den Verschiebebahnhof, den Sie initiieren. Damit entstehen weniger Rücklagen; die aber wären notwendig, um hier in gesicherten Bahnen weiter handeln zu können. Dabei folgt Ihr Handeln in dieser linksliberalen Koalition ja einem durchgängigen Muster.
Lieber Herr Kollege Stracke, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?
Ja, herzlich gerne.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Herr Rosemann hat schon lange keine Redezeit mehr bekommen! Da ist irgendetwas schiefgegangen!)
Lieber Herr Kollege Stracke, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ja eben ganz vehement erklärt, dass die Bundesagentur für Arbeit eine gut gefüllte Krisenrücklage braucht. Ich erinnere mich daran, dass wir acht Jahre, von 2013 bis 2021, miteinander regiert haben,
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Es ist schön, dass Sie sich noch daran erinnern! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir hatten schon den Eindruck, ihr habt es vergessen!)
übrigens nach einer Phase, in der die Bundesagentur für Arbeit schon einmal Großartiges geleistet hatte in Sachen „Kurzarbeit in der Krise“. Ich erinnere mich auch daran, welche Diskussionen wir in der Zeit über den Beitragssatz geführt haben. Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie uns eigentlich in der gemeinsamen Regierungszeit dazu gedrängt, den Beitragssatz zu senken, wenn Sie uns doch jetzt erzählen, die BA bräuchte eine Krisenrücklage?
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das war noch vor Corona!)
Eine zweite Frage kann ich Ihnen nicht ersparen, nachdem Sie jetzt schon der zweite oder dritte Redner aus der Union sind, der sich hierhinstellt und erzählt, wir würden bei den Jobcentern sparen. Ich weise nur mal darauf hin, dass der Haushalt noch nicht beschlossen ist. Wir sind hier auch nicht in der Haushaltsdebatte, sondern haben noch ein bisschen Zeit. Mich würde aber mal ganz konkret interessieren, nachdem Sie ja für sich in Anspruch nehmen, seriöse Oppositionspolitik zu machen: Wie wollen Sie das denn finanzieren? Was ist Ihr konkreter Finanzierungsvorschlag? Wie wollen Sie die Zeche bezahlen, wie Herr Teutrine es eben bezeichnet hat?
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Soweit ich weiß, ist der Bundeshaushalt genauso wie 2019!)
Wie bezahlen Sie die Rechnung? Sagen Sie das doch mal ganz konkret, Herr Stracke!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lieber Herr Kollege, ich glaube, es war gut, dass es uns durch eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gelungen ist, eine so hohe Rücklage in der BA aufzubauen. Die hat uns sehr gut durch die Krise gebracht, gerade durch die Coronakrise.
(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen die Frage beantworten! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Jeder fragt, wie er will, und jeder antwortet, wie er will!)
Erinnern Sie sich einmal daran, wie stark wir die Möglichkeit der Kurzarbeit in Anspruch nehmen mussten zum Erhalt einer guten Arbeitsfähigkeit unserer Unternehmen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erste Frage nicht beantwortet! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war doch konkret! Antworten Sie doch mal!)
Es ist doch Ihre Politik, die letztendlich dazu beigetragen hat, dass der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozentpunkte gestiegen ist. Ihre Politik ist es, durch die die Beitragssätze in diesem Bereich hochgehen. Das IAB sagt uns, dass wir mindestens 25 Milliarden Euro an Rücklagen brauchen, damit wir gut gewappnet sind für eventuelle wirtschaftliche Krisen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie denn die Beitragssätze gesenkt? – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie sind für Beitragssatzerhöhungen! – Gegenruf des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Es ist schon klar, dass ihr die Wirtschaft noch mehr belastet!)
Wir befinden uns ja in einem großen Krisenumfeld. Gleichzeitig haben wir keine gute wirtschaftliche Situation.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll es zahlen?)
Sie sollten beispielsweise daran arbeiten, dass die Wirtschaftslage besser wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das tun Sie nicht.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Niedrigstes Wachstum in Europa!)
Die Chefin der BA, die ehemalige Bundesarbeitsministerin, hat darauf hingewiesen, dass wir im Jahr 2023 in der BA eine Rücklage von 2 bis 3 Milliarden Euro haben werden. Notwendig sind 25 Milliarden Euro. Da sehen Sie den Unterschied in diesem Bereich.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie das bezahlen?)
Und jetzt kommt Ihr Trick. Indem Sie sagen, die BA solle zusätzliche Lasten in Höhe von 900 Millionen Euro übernehmen, gelingt der Aufbau einer Krisenrücklage immer schlechter. Das ist Ihre Politik, Herr Rosemann.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Fragen sind nicht beantwortet!)
Das ist die Politik von Linksliberal.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir legen hier den Finger in die Wunde, weil Sie in diesem Bereich tatsächlich falsch handeln.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eigentlich eine ganz einfache Frage!)
Das durchgängige Handlungsmuster bei Ihnen ist: Steuermittel runter und Beitragssätze nach oben. Beitragssätze nach oben, das ist natürlich gerade in Zeiten von Inflation und wirtschaftlichem Abschwung unverantwortlich und schadet vor allem den Geringverdienern in diesem Lande. Was Sie tun, ist auch ordnungspolitisch komplett falsch. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist, wird jetzt in die Arbeitslosenversicherung verschoben. Ich habe kein Problem damit, dass linke Regierungsfraktionen wie SPD und Grüne das nicht zum Thema machen und auch nicht darüber diskutieren. Aber Ordnungspolitik war früher der Markenkern der FDP.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist schon lange vorbei! – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Bei Theodor Heuss!)
Da hatten Sie noch wirtschaftlichen Sachverstand. In dieser linksliberalen Koalition winken Sie linke Politik einfach durch, nicken Sie ab. Das ist Ihre Ordnungspolitik in diesem Bereich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie sollten sich mal wieder an Ihren Markenkern erinnern; dann wird es auch wieder besser mit den Umfragen.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ich glaube, es ist zu spät!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was hier als Verschiebebahnhof daherkommt, ist auch fachlich komplett falsch.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!)
Es schafft nämlich Nachteile für die Arbeitslosen, weil sie hin- und hergeschickt werden zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rehaleistungen laufen doch eh in die Bundesagentur für Arbeit! Das wissen Sie doch!)
Es ist letztendlich auch ein Auseinanderreißen des Integrationsprozesses. Diese enge und durchgängige Betreuung, die wir als richtig und wichtig empfinden, ist in Zukunft nicht mehr gegeben. Sie schaden damit der Vermittlung in Arbeit. Aus dem Jobturbo wird in Wahrheit eine Fehlzündung nach der anderen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Qualifizierung und nicht um Integration an der Stelle!)
Das Einzige, was bei Ihnen wächst, Frau Müller-Gemmeke, ist die Bürokratie.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!)
Vorher war eine Stelle für den Arbeitslosen zuständig. Jetzt sind es zwei Stellen. Bei der Kindergrundsicherung machen Sie das Gleiche.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es immer noch nicht verstanden! Sie haben einfach nichts verstanden!)
Statt einer ganzheitlichen Betreuung aus einer Hand sind jetzt mindestens drei Stellen zuständig.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn!)
So schaut bei Ihnen Arbeit aus. Das ist das Gegenteil von Hilfe aus einer Hand, von bürgernaher Dienstleistung, Bürokratieabbau und wirtschaftlichem Umgang mit staatlichen Ressourcen. So schaut Ihre linksliberale Politik in diesen Bereichen aus.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wissen wir immer noch nicht, wie Ihre Politik aussieht! Wie zahlen Sie es, und was wollen Sie eigentlich?)
Das führt dazu, dass das Bürgergeldsystem schlechter, teurer und ineffizienter wird – dank Ihrer Politik.
Es ist eigentlich schon fast tragisch, wenn man daran erinnert: Das Kernstück Ihrer Bürgergeldreform ist das Versprechen, eine intensivere Betreuung und bessere Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu garantieren.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Mit weniger Personal! Wunderbar!)
Das Herzstück Ihrer Bürgergeldreform ist die Weiterbildung und Qualifizierung. Und genau dieses Herzstück reißen Sie jetzt bei den Jobcentern raus und geben es rüber an die Bundesarbeitsagentur. Das ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, das Sie hier vollziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie einfach meine Rede noch mal nach!)
Ihr Verbesserungsversprechen brechen Sie noch an einer anderen Stelle. Sie schlagen den Jobcentern die Werkzeuge aus der Hand, die sie zur Aufgabenerfüllung brauchen, weil Sie sie nicht mit den notwendigen Mitteln ausstatten. Sie wollen den Haushaltsansatz im Bereich der Jobcenter um 700 Millionen Euro kürzen. Das ist Ihr Vorschlag, den Sie vonseiten der Regierung alle mitgetragen haben.
Es bräuchte statt einer Kürzung ein deutlich höheres Budget für die Jobcenter, weil sie mehr Aufgaben haben.
(Zuruf von der SPD: Wie finanzieren Sie das alles?)
Ich darf daran erinnern, dass es Ihre Koalition war, die den Geflüchteten hier sofort den Zugang in den Arbeitsmarkt eröffnet hat, weswegen auch die Arbeitslosenversicherung für sie zuständig ist. Das sind 700 000 mehr, die Arbeit bedeuten. Deswegen: Sie brauchen hier mehr Mittel statt weniger. Wir sagen Nein zu diesen Haushaltstricks, die Sie vornehmen, –
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
– und auch Nein zu dem,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu was sagen Sie eigentlich Ja? Was wollen Sie?)
was Sie an Haushaltstricksereien zulasten der Arbeitslosen in diesem Land tun.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603213 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Bundesagentur für Arbeit |