09.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 134 / Tagesordnungspunkt 18

Ralph EdelhäußerCDU/CSU - Kita-Krise

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Was kann sich dieses Hohe Haus doch glücklich schätzen, dass es eine gut funktionierende Oppositionsarbeit gibt. Denn seit rund zwei Monaten haben wir in diesem Plenum keine Themen aus dem Familienministerium mehr abgehandelt. Es ist anscheinend nicht der Fokus auf familienpolitische Themen gelegt worden. Man erlangt fast das Gefühl, dass das Prestigeobjekt Kindergrundsicherung alle anderen Baustellen, die es im BMFSFJ gibt, überlagert und dass das Ganze hier als Heilsbringer angesehen wird. Geradezu mantraartig wird uns vorgetragen, dass mit dieser Grundsicherung alles besser wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelparteien, wenn wir uns einfach mal die wirklich akuten Probleme anschauen – das sind die, die mit diesem Tagesordnungspunkt angesprochen werden und die wir angehen müssen –, dann erkennen Sie schnell, dass auf die Hoffnungen, die die breite Öffentlichkeit und auch die Fachwelt in das grün geführte Familienministerium gesetzt haben, massive Enttäuschung folgte. Denn in jedem Bereich – ausgenommen vielleicht der Bereich „Demokratie leben!“ – werden im Haushalt des nächsten Jahres irgendwelche Einschnitte hingenommen – und das kann es ja wohl nicht sein! Wir haben in der letzten Legislaturperiode entsprechende Programme aufgelegt. Die Fachwelt hat gesagt: Das ist in Ordnung; das ist gewinnbringend. – Doch diese Programme werden jetzt ohne Vorwarnung einfach so beendet oder existenzbedrohend gekürzt. Ich denke da an die Sprach-Kitas, ich denke an das Bundesprogramm „Respekt Coaches“, ich denke an die Freiwilligendienste, ich denke an die Frühen Hilfen. Das kann es doch wirklich nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Absolut!)

Überall dort, wo Hilfe gebraucht wird – bei unseren Kindern und Jugendlichen, die nach der Pandemie Hilfe brauchen, gerade auch bei den vielen Kriegsflüchtlingen in unserem Land, die Hilfe auf dem Weg zurück in ein normales Leben brauchen –, da wird die sogenannte Fortschrittskoalition ihrem Ruf nicht gerecht. Sie ignoriert die Hilfeschreie der Betroffenen und setzt stattdessen den Rotstift an. Wir sagen: Nein, das darf nicht sein!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die von den Linken beschriebene Kitakrise ist ja nicht über Nacht gekommen. Seitdem ich Bundestagsabgeordneter bin, seit zwei Jahren, höre ich vom Fachkräftemangel in den Kitas; man sei dort am Limit, die Betreuungszeiten würden gekürzt, zwei Drittel aller Träger hätten ein Problem damit, Fachkräfte zu finden usw. Es müssten teilweise Kitas geschlossen werden. Wir haben gerade gehört, welche Folgen das auch gesamtwirtschaftlich hat.

Dabei könnten wir stolz darauf sein, dass wir vor zehn Jahren beschlossen haben, dass ab dem ersten Lebensjahr ein Anspruch auf Betreuung besteht. Doch trotzdem haben wir immer noch einen Mangel von rund 370 000 Kitaplätzen. Ein Grund dafür ist sicherlich die gestiegene Inanspruchnahme der Eltern in unserem Land, die die ein- bis dreijährigen Waggerli einfach in die Tagesbetreuung geben. Gerade aus gesellschaftspolitischer Sicht – und da müssten, glaube ich, alle hier einer Meinung sein – ist diese Entwicklung zu begrüßen. Da stimmen Sie mir hoffentlich zu. Doch leider kann dieser Betreuungsbedarf in keinem unserer Bundesländer wirklich gedeckt werden. Es fehlen die Plätze, es fehlen die Mitarbeitenden. Rund 100 000 Stellen sind offen. Diese Stellen müssten besetzt sein, um wirklich 100 Prozent abzudecken.

Wir müssen den selbstauferlegten Anspruch einer hohen Betreuungsqualität mit entsprechenden Fachkräften erfüllen. Wir brauchen ein Qualitätsgesetz. Aber das muss scheitern, wenn wir nicht die entsprechenden Fachkräfte haben. Das kann nicht sein!

Dabei könnte der Bedarf durch Drehen an den entsprechenden Stellschrauben kurzfristig gedeckt werden. Und wie? Indem ausländische Fachkräfte mit guten, ordentlichen Sprachkenntnissen schneller in unseren Arbeitsmarkt integriert werden. Dafür ist kein Sprachzertifikat C1 nötig. Das ist, denke ich, ein bisschen zu hoch gegriffen, wenn man hier wirklich schnell Abhilfe schaffen will.

Auch Quereinsteiger können wir in den Kitas wirklich gut gebrauchen – die können alltägliche Aufgaben übernehmen –, zum Beispiel der lebenserfahrene Handwerksmeister, der seinen Beruf aufgegeben hat und sich in einer Tageseinrichtung unterstützend einbringt. Es sind Umschulungen nötig. Wir haben immer wieder gehört, dass es mehr bringt, auf Umschulungen von Leuten zu setzen, die schon drin sind, als zu schauen, dass man auf lange Sicht ausgebildetes Personal gewinnt; denn dafür brauchen wir ein entsprechendes Ausbildungssystem. Auch das System der Ausbildung von Kitakräften muss an die Gegebenheiten angepasst werden, sei es mit Blick auf die Freistellung von Leitungskräften oder anderes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen doch: An allen Ecken und Enden drückt’s, knackt’s und zwackt’s. – Es kann doch nicht unser Ziel sein, das zu akzeptieren.

Und was steht im Koalitionsvertrag? Da steht etwas von einer Gesamtstrategie und einem bundeseinheitlichen Ausbildungsrahmen für Fachkräfte in Erziehungsberufen. Aber darauf warten wir! Wo ist diese Gesamtstrategie? Ich sehe sie nirgends. Wir wissen, dass die Ausbildung mehrere Jahre dauert. Der Fachkräftemangel muss erste Priorität haben bei der Familienministerin Paus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Union haben einen Maßnahmenkatalog vorgelegt: das Kinderzukunftsprogramm. Schauen Sie doch einfach mal rein! Dort finden Sie gute Anregungen.

Dem Antrag der Linken, der durchaus gute Punkte enthält,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)

können wir nicht zustimmen. Der Föderalismus ist uns ganz wichtig, und eine Gebührenbefreiung wird es mit uns leider auch nicht geben. Tut mir leid, ist aber so.

Schönen Abend! Danke schön!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Edelhäußer.

Ich will nur kurz darauf hinweisen, was meine präsidiale Strenge auslöst. Da die Zeit schon weit vorangeschritten ist, weise ich alle Beteiligten des Hohen Hauses auf § 35 Absatz 3 der Geschäftsordnung hin. Er lautet – ich kenne ihn auswendig – wie folgt: Überschreitet ein Redner des Deutschen Bundestages seine Redezeit, so soll der Präsident ihm nach einmaliger Mahnung das Wort entziehen.

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt das auch für Rednerinnen?)

Ich finde, das sollte man ernst nehmen.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Nina Stahr, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603231
Wahlperiode 20
Sitzung 134
Tagesordnungspunkt Kita-Krise
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