10.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 135 / Zusatzpunkt 9

Pascal MeiserDIE LINKE - Exportpolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat gut, dass wir heute zu solch prominenter Zeit über die deutsche und europäische Außenhandelspolitik sprechen; denn Handelsabkommen, die überflüssige Handelsbarrieren beseitigen und die Interessen aller beteiligten Staaten auf Augenhöhe ernst nehmen, können in der Tat sinnvoll sein. Doch leider hängen Sie von der Union dabei weiter in vielerlei Hinsicht einer rückwärtsgewandten Handelsagenda an, die – so muss man es leider sagen – unserem Land mehr schadet denn weiterhilft.

Nehmen wir Ihr krampfhaftes Festhalten an einem erneuten Anlauf zum berüchtigten TTIP-Abkommen mit den USA, gegen das in der Vergangenheit Millionen Menschen in Europa zu Recht auf die Straße gegangen sind:

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Spahn, ist Ihnen klar, dass Sie damit allen Ernstes noch mehr Sonderklagerechte speziell für ausländische Konzerne fordern, mit dem diese – nur diese! – vor intransparenten Schiedsgerichten milliardenschwere Schadensersatzansprüche erklagen können,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist aber jetzt eine uralte Leier!)

wenn sie sich durch politische Entscheidungen um ihre Gewinne, um ihre Investments gebracht sehen? Ich halte das weiterhin für absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist und bleibt nicht im Interesse unseres Landes. Es ist nicht im Interesse der Demokratie.

Gerade erst haben zwei weitere Konzerne – einer aus der Schweiz, einer aus Großbritannien – solche Klagen gegen Deutschland eingereicht: einmal gegen Maßnahmen zur Bewältigung der jüngsten Energiepreiskrise und einmal gegen den geplanten Kohleausstieg. Das ist doch ein unhaltbarer Zustand, meine Damen und Herren! Und Sie von der Union wollen allen Ernstes weiteren solchen Klagen den Weg bereiten? Absurd!

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein Trauerspiel – ich sage es ganz deutlich –, dass auch die Ampelregierung allen gegenteiligen Versprechungen der Grünen im Wahlkampf zum Trotz mit CETA bereits ein weiteres solches Konzernklageabkommen ratifiziert hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke sagen klipp und klar: Wir brauchen keine neuen Sonderklagerechte für ausländische Konzerne. Solchen Klagemöglichkeiten muss endlich ein Ende bereitet werden.

(Beifall bei der LINKEN – Markus Töns [SPD]: Das ist ein modernes Abkommen!)

Aber, meine Damen und Herren von der Union, auch Ihre Forderung, bei neuen Handelsabkommen auf Regelungen zum Arbeits- und Umweltschutz zu verzichten, ist alles andere als im deutschen Interesse und schon gar nicht im Interesse der Beschäftigten und der Umwelt. Denn nur solche Mindeststandards verhindern doch, dass die Öffnung des europäischen Marktes dazu führt, dass hiesige Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig sind, weil sie plötzlich mit Unternehmen konkurrieren, die nicht mal grundlegende Arbeitnehmer/-innenrechte einhalten. Wir reden hier nicht über das deutsche Arbeitsrecht, mit dem wir die ganze Welt beglücken wollen. Nein, wir reden über die Einhaltung grundlegender internationaler Arbeitsnormen wie des Verbots von Zwangsarbeit oder des Rechts, freie Gewerkschaften zu gründen, oder auch darüber, zu verhindern, dass Unternehmen ohne jede Rücksicht auf die Umwelt produzieren und sich damit schmutzige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Das darf nicht passieren, und da haben wir alle eine große Verantwortung, meine Damen und Herren. Sie von der Union nehmen diese nicht wahr.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Problem ist – das muss man ja deutlich sagen –, dass viele dieser Abkommen auch deswegen aktuell schwierig zu verhandeln sind, weil die Partner, mit denen verhandelt wird, anfangen, zu verstehen, dass sie, wenn sie eine eigenständige industrielle Basis aufbauen wollen, auch gucken müssen, wie diese geschützt werden kann. Sie wollen nicht, dass deutsche Industrieprodukte ihren Markt überschwemmen und verhindern, dass sich die heimische Industrie entwickelt. Eine neue Handelsagenda muss diese Interessen ernst nehmen, Verhandlungen mit den betreffenden Staaten auf Augenhöhe und einen Interessenausgleich vorsehen. Das gilt gerade auch mit Blick auf die Mercosur-Verhandlungen, in denen genau das ein großes Thema insbesondere nach dem Regierungswechsel in Brasilien ist. Sonst wird das nichts mit einer fairen Handelspolitik auf Augenhöhe.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nein, meine Damen und Herren von der Union, was Sie vorlegen, ist keine zukunftsfähige Handelsagenda, und dass Sie dafür auch noch von der marktradikalen AfD vollen Support bekommen, ist schon bezeichnend.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Die Verhandlungsmandate der EU-Kommission müssen in der Tat neu formuliert werden, aber im Sinne eines fairen Handels, in dem Sinne, dass schmutzige Wettbewerbsvorteile durch den Verstoß gegen grundlegende Arbeitsnormen und grundlegende Umweltschutzstandards ausgeschlossen werden. Wir als Linke werden hier im Deutschen Bundestag auch weiterhin den Finger in die Wunde legen – mit voller Wucht.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nicht mehr so lange! In welcher Fraktion auch immer! – Gegenruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU]: In welcher Gruppierung auch immer! Genau!)

Das verspreche ich Ihnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Carl-Julius Cronenberg.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603397
Wahlperiode 20
Sitzung 135
Tagesordnungspunkt Exportpolitik
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