10.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 135 / Tagesordnungspunkt 30

Bengt BergtSPD - Industriestandort Deutschland - Net-Zero Industry Act

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Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Brinkhaus, es ist ein bisschen schwierig, wenn Sie hier die Net-Zero-Industry-Produkte so preisen und das so gut finden. Ich komme aus der Windbranche. Das Beinahescheitern der Windbranche in Deutschland nennt man bei uns immer noch „Altmaier-Delle“. Das hat leider Gottes seine Gründe. Um Ihre Glaubwürdigkeit ist es nicht so gut bestellt, wenn Sie die Net-Zero-Industry-Produkte jetzt so preisen, aber in der Vergangenheit wirklich alles dafür getan haben, diese in Deutschland regelrecht fertigzumachen. Das ist eine große Schwierigkeit. Dafür habe ich wenig Verständnis.

Herr Houben, wir müssen ein bisschen aufpassen. Sie haben, glaube ich, gerade Preise und Kosten verwechselt. Die Solarpanele, die aus China kamen, waren hochgradig heruntersubventioniert und haben den Markt überschwemmt. Es gibt Berechnungen, wonach ihr Preis in Europa sogar mehr als 50 Prozent unter den Produktionskosten liegt. Das ist knallhartes Dumping. Wir brauchen eine intensive Industriepolitik, um dem entgegenzutreten. Dazu ist der Net-Zero Industry Act ein erster richtiger Schritt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Union dankbar für den konstruktiven Antrag, der einen Versuch unternimmt, einen Beitrag zur Industriedebatte zu leisten. Die entscheidende Frage beim Klimaschutz ist: Woher kommen Technik und Know-how? Wer produziert die Wind- und Solaranlagen, die Speicher, Leitungen, Schiffe und Kräne? Wie viele Menschen bringen wir hier in Europa in Lohn und Brot, hier vor Ort bei Siemens in Berlin, bei SMA in Kassel, bei Nordex in Rostock? Laufen uns China und andere Staaten gar den Rang ab? Oder gelingt es uns, in Europa Klimaschutz zu verbinden mit Wertschöpfung und der Schaffung von Arbeitsplätzen? Der Net-Zero Industry Act der EU-Kommission ist eine gute Grundlage, um die europäische Erneuerbaren-Industrie zu stärken; denn vorgesehen ist ein CO2-Kriterium bei Ausschreibungen von Erneuerbaren-Projekten. Wer also einen geringeren CO2-Fußabdruck vorweisen kann, hätte dann Vorteile bei der Ausschreibung. Das verkürzt die Lieferwege. Schmutzige Projekte hätten dann Nachteile. Dazu wird ein Grenzausgleichsmechanismus für CO2 kommen. Das verhindert das Abwandern von CO2-intensiven Industrien und beschleunigt den klimaneutralen Umbau der Wertschöpfung.

Das nützt dem Klima. Das ist super. Das klingt gut. Aber nützt das auch den Menschen? Reicht das aus, um unsere Wertschöpfung zu stärken? Schauen wir einmal in das European Wind Power Package, das Windpaket. Darin steckt die wahre Innovation: Fachkräftequalifikation, qualitative Gebotskriterien, die Wertschöpfung in Europa nachweisen. Das Interessante ist: Das haben wir doch schon einmal gesehen. Das haben wir als Ampel schon letztes Jahr in das Offshorewindgesetz geschrieben. Wir wollen eine gute CO2-Bilanz belohnen sowie den Einsatz für Azubis als Nachweis für die lokale Wertschöpfung. Das ist bereits Ausschreibungskriterium im deutschen Offshorewindgesetz, meine Damen und Herren. Das war mir als Sozialdemokrat besonders wichtig.

Damit bin ich wieder beim Antrag der Union. Es ist gut, dass Sie offen für Erleichterungen zugunsten von Schlüsseltechnologien sind und dass Sie Regionen im Strukturwandel berücksichtigen. Den Einsatz für Digitalisierung finde ich auch super. Ich gehe davon aus, dass Sie dann auch so konsequent sind und bei den unionsgeführten Ländern auf der Matte stehen, wenn es an die Umsetzung geht.

Das alles sind ordentliche Ansätze in Ihrem Antrag. Aber was ist mit sozialer Nachhaltigkeit? Von Anreizen für Tariflöhne ist nichts zu lesen. Auch das ist ehrlicherweise keine Überraschung. Wir müssen jetzt einmal deutlich sagen: Tarifverträge schaden einer Wirtschaft nicht, sie nützen ihr. Verlässlichkeit, Stabilität und Sicherheit – das bieten Tarifverträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber.

Kollege, vielen Dank.

Das muss in den Ausschreibungen stehen. Dafür müssen wir uns starkmachen. Das macht Deutschland in Europa stark.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603469
Wahlperiode 20
Sitzung 135
Tagesordnungspunkt Industriestandort Deutschland - Net-Zero Industry Act
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