15.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 136 / Tagesordnungspunkt 4

Torsten HerbstFDP - Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Sachse wundere ich mich, ehrlich gesagt, etwas über den CDU-Antrag; denn was Sie hier versuchen an die Wand zu malen, entspricht ja nicht der Realität. Beim Thema Kohleausstieg entscheidet sich nichts in Zeitungsartikeln, auch nicht in Talkshow-Äußerungen, sondern es gilt das Gesetz, und das ist auch gut so in diesem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Es gilt ein Kohleausstiegsgesetz, das klar definiert, dass schrittweise bis 2038 ausgestiegen wird, und das ist die gültige Gesetzeslage.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Dann sagt das doch Herrn Habeck mal!)

Es gilt ein Investitionsgesetz Kohleregionen, das 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen für die betroffenen Regionen festschreibt.

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Darauf können sich die Menschen in allen betroffenen Regionen, in der Lausitz und auch in den anderen Kohleregionen, verlassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Sepp Müller [CDU/CSU]: Tosender Applaus bei den Grünen!)

Mit der Debatte bauen Sie Potemkinsche Dörfer auf, die aber eigentlich keine Grundlage haben. Ich sage sehr klar: Wir brauchen im Moment noch die Kohleverstromung. Allein 10 Prozent der deutschen Stromerzeugung kommen aus Sachsen, dort überwiegend aus Kohle, weil wir wetterunabhängige Energiequellen brauchen.

(Beifall des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP] – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

Die Menschen wissen auch: Natürlich ist die Kohleverstromung endlich. – Wir müssen heute die Weichen dafür stellen, dass sich die Regionen positiv entwickeln. Aber noch spielt die Kohle eine relevante Rolle in Deutschland. Sonst würden nämlich unsere Lichter ausgehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der gesetzliche Ausstieg ist ganz klar an drei Voraussetzungen geknüpft – und daran möchte ich erinnern –: an die Versorgungssicherheit, an bezahlbare Strompreise und an wirtschaftliche Alternativen, Stichwort „Strukturwandel in den betroffenen Regionen“.

(Maja Wallstein [SPD]: Das ist sehr gut!)

Und wenn wir ehrlich sind und uns alle drei Punkte anschauen, dann erkennen wir, dass wir noch längst nicht am Ziel sind. Deutschland ist in diesem Jahr vom Stromexporteur zum Importland geworden, und das sollte uns zu denken geben.

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Wir sollten ehrlich sein: Auch bei den Strompreisen sind wir im Weltmarkt ganz, ganz oben.

(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])

Wir müssen uns deshalb ehrlich machen; denn mit dem Wegfall der russischen Gaslieferungen und mit dem Wegfall der Kernkraft ist ein früherer Kohleausstieg unrealistisch meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Hannes Walter [SPD])

Ich verweise im Übrigen auf die Zusage von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, der sehr klar gesagt hat: Einen vorzeitigen Kohleausstieg wird es nicht gegen den Willen in den betroffenen Regionen geben. – Und wenn ich mich in Brandenburg und in Sachsen in den betroffenen Regionen umschaue, dann sehe ich, dass die Meinung da sehr klar ist: Man erwartet, dass die gesetzlich gegebenen Zusagen der Politik eingehalten werden. – Das erwarten auch wir als Freie Demokraten.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hannes Walter [SPD])

Ich sehe im Übrigen auch hier im Bundestag überhaupt keine politische Mehrheit, die bereit ist, die entsprechende Gesetzeslage zu verändern. Der Strukturwandel ist angeschoben. Wir haben – mein Kollege von der SPD hat es erwähnt – auch schon erste Erfolge, aber er braucht seine Zeit. Das ist nichts, was in fünf oder sechs Jahren stattfindet. Es gibt keine europäische Region, die in wenigen Jahren einen Strukturwandel erfolgreich gestaltet hat. Das braucht seine Zeit, es braucht die Zeit bis 2038, und darauf bestehen wir auch.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hannes Walter [SPD])

Wir müssen vieles tun, um Standortbedingungen attraktiver zu machen. Es muss am Ende für ein Unternehmen attraktiver sein, in der Lausitz zu investieren, als wenige Kilometer weiter in Tschechien oder in Polen. Dafür müssen wir die Weichen stellen, darauf kommt es an.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen gehört auch zur Wahrheit: Wer früher aussteigen will, der sorgt dafür, dass die Lasten für den Steuerzahler weiter nach oben gehen. Denn die Aufgaben, die in Sachen Rekultivierung anstehen, werden jetzt durch die betroffenen Unternehmen erledigt, indem sie a) bereits beim Abbau beachten, dass wir rekultivieren müssen, und b) bereits in die Rücklage für die spätere finale Rekultivierung einzahlen. Wer jetzt abrupt aussteigen will, der sorgt dafür, dass aus einer Unternehmensaufgabe eine Staatsaufgabe wird und zusätzliche Lasten in Milliardenhöhe auf den Steuerzahler zukommen. Das wird es mit uns nicht geben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Frank Müller-Rosentritt [FDP]: Bravo! – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Der Antrag der Union ist eine Mischung aus Selbstverständlichkeiten und Kritik an einem Gesetz, das die Union im Übrigen sowohl aufseiten der Bundesregierung als auch aufseiten zweier Bundesländer maßgeblich mit verhandelt hat. Wenn Sie also beispielsweise – unter Punkt 1 – finanzielle Absicherung oder Planungsbeschleunigung einfordern, dann sind das Änderungen an Sachen, die Sie selbst mit verhandelt haben, für die Sie selbst verantwortlich sind und die überhaupt nicht infrage stehen. Wir haben mehr für die Planungsbeschleunigung – Verkehrsprojekte – getan als Sie in vier Jahren GroKo, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich kann man sich darüber unterhalten, ob wir nicht viel stärker nicht nur Geld in die Hand nehmen, sondern auch Freiheits- und Innovationsregionen schaffen sollten; das war die Forderung der FDP. Aber Sie haben das ja damals nicht verhandelt, die Ministerpräsidenten wollten lieber Geld.

Für uns – das ist klar – steht die Versorgungssicherheit an erster Stelle, für uns gilt der Kohlekompromiss, und es wird keinen Vertrauensbruch gegenüber den Menschen in den Kohleregionen geben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Dr. Christiane Schenderlein für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603576
Wahlperiode 20
Sitzung 136
Tagesordnungspunkt Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen
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