15.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 136 / Tagesordnungspunkt 6

Sandra WeeserFDP - EU-Gebäuderichtlinie

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Guten Abend, sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kießling, es tut mir leid, Sie müssen heute mit mir vorliebnehmen. Herr Föst ist leider nicht da.

(Michael Kießling [CDU/CSU]: Schade!)

Mit dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind die Würfel jetzt neu gefallen; das werden wir uns in Zukunft noch einmal anschauen müssen. Aber an unserer Zielrichtung hat sich nichts geändert. Wir wollen ökologische Transformation, und wir wollen einen zukunftsträchtigen Gebäudebestand. Das alles brauchen wir aber vernünftig, sozialverträglich und vor allen Dingen wirtschaftlich erreichbar. Die richtigen Instrumente haben wir an der Hand. Im Gegensatz zur EPBD ist das keine Illusion, sondern das ist möglich. Eine Zwangssanierung der Hälfte des Gebäudebestandes lehnen wir ab; den wird es ja auch nicht geben. Das ist tatsächlich eine Fehlinformation, die hier transportiert wird. Die Europäische Kommission, der Rat sowie auch das Parlament konnten in den letzten Trilogverhandlungen gar keine Einigung erzielen. Die Beratungen sollen erst gegen Ende des Jahres wieder aufgenommen werden. Ich sage es hier in aller Deutlichkeit: Mit Deutschland kann auf der Basis des vorliegenden Vorschlags keine Einigung kommen, weil die geplanten Verschärfungen bezüglich der Gebäuderichtlinie so nicht tragbar sind.

Ich finde, ehrlich gesagt, eines bizarr an dieser Debatte: Sie, die sich jetzt hier am meisten mit aufregen, liebe Union, waren nicht in der Lage, Ihre Parteifreundin und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der Unsinnigkeit dieses ursprünglichen Gebäuderichtlinienentwurfs zu überzeugen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Ihr wärt froh, wenn ihr eine so tolle Präsidentin hättet! Ihr würdet euch die Finger danach lecken, wenn ihr so jemanden hättet wie die!)

Ich möchte noch einmal klarstellen: Wir Freien Demokraten haben die Diskussion um die Gebäuderichtlinie von Stunde null an in Brüssel durch Andreas Glück ganz engmaschig begleitet, aber auch hier vor Ort immer kritisch und konstruktiv. Wir haben die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der EPBD von Anfang an infrage gestellt, und zwar nicht, weil wir die Dinge blockieren wollen, sondern aus dem gleichen Grund, warum wir das Heizungsgesetz noch einmal angegangen sind: weil wir das um 180 Grad drehen wollen, weil die Pläne, so wie sie waren, illusorisch sind und Tür und Tor für reaktionären Populismus öffnen, wie wir an diesem Antrag sehen.

Unserer Auffassung hat sich mittlerweile die Bundesregierung angeschlossen. Für die klaren Worte von Bundesministerin Klara Geywitz bin ich hier sehr dankbar. Ich wiederhole gerne, was sie vor Kurzem gesagt hat – ich zitiere –:

„Ich sage Nein zu Mindeststandard-Pflichten für jedes Haus, ohne zu schauen, wer darin lebt, wem es gehört und wie lange es noch genutzt werden könnte.“

Diese Haltung von Klara Geywitz, unserer Bauministerin, ist realitätsnah und klar.

Fast die Hälfte des Gebäudebestandes in Deutschland hätte durch die Gebäuderichtlinie zwangssaniert werden müssen. Das Absurde daran: Für die Einstufung der Häuser in die Klassen sind keine einheitlichen Grenzwerte geplant. Die Einstufungen sollen, wie angesprochen, vielfach in Relation zum Zustand der Gebäude im jeweiligen Land erfolgen. Das bedeutet konkret: Ein halbwegs saniertes Haus, welches in anderen Ländern der Durchschnitt ist, ist in Deutschland, in dem relativ hohe Standards vorherrschen, ein Sanierungsfall.

Ich will es mal ein bisschen plastischer machen: Ein Gebäude in Deutschland der schlechtesten Klasse G oder H mit einem Bedarf von 250 und mehr Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr wäre in den Niederlanden mit der Kategorie C ein Gebäude der mittleren Kategorie. Insofern ist eine faire Vergleichbarkeit der Energieeffizienzklassen auch nicht gegeben.

Ich möchte hier noch drei Punkte hervorheben, die mir besonders wichtig sind:

Erstens. In Zeiten von explodierenden Energiepreisen, anhaltender Inflation und steigenden Verbrauchspreisen dürfen wir die Menschen, aber auch die Wirtschaft und vor allem den Mittelstand nicht überfordern.

Zweitens. Beim Klimaschutz müssen wir handeln. Ja, die EU hat mit ihrem „Fit for 55“-Programm ambitionierte Ziele für jedes Land gesetzt. Der Gebäudesektor nimmt ja auch eine sehr starke Position im Mittelpunkt der Anstrengungen ein, und das ist auch richtig so.

Der dritte Punkt ist: Mit der Ausweitung des ETS-Zertifikatehandels auf die Sektoren Gebäude und Verkehr ab 2027 haben wir eine wirksame und zielgerichtete Maßnahme, welche die Treibhausgasemissionen deutlich senken wird. Vor allem ist dieses Instrument in seiner Wirksamkeit bereits erprobt und basiert auf Marktmechanismen.

Wir Freien Demokraten wollen die Bürger und Bürgerinnen auf den Weg in die Zukunft mitnehmen. Dafür brauchen wir Technologieoffenheit, und wir brauchen auch ausreichende Kapazitäten für den Umstieg. Deswegen setzen wir auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen in Verbindung mit den richtigen Anreizen. Die FDP schützt das Eigentum der Menschen. Den Antrag der AfD lehnen wir ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Brian Nickholz für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603611
Wahlperiode 20
Sitzung 136
Tagesordnungspunkt EU-Gebäuderichtlinie
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