Ariane FäscherSPD - Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Liebe Union, Sie werden in sehr kurzer Zeit Gelegenheit haben, Ihren großen Worten Taten folgen zu lassen,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, hoffen wir’s! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wenn wir regieren!)
indem Sie nämlich die Gesetzesvorhaben, die die Koalition jetzt gerade auf den Weg bringt, auch mittragen und mitunterstützen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee, wir würden was Besseres machen! Das unterstützen wir mit Sicherheit nicht! – Gegenruf der Abg. Katja Mast [SPD]: Das habt ihr noch nie geschafft!)
– Dazu hätten Sie 16 Jahre Zeit gehabt. Sie haben die Initiative nicht übernommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die SPD hat nicht regiert? – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ich glaube, wir haben mit der SPD regiert, oder?)
– Ja. Gott sei Dank sind deswegen auch noch soziale Projekte umgesetzt worden.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, war es jetzt schlecht, oder war es nicht schlecht? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Frei, von Ihnen habe ich zu dem Thema noch nie was gehört!)
– Das Gute ist von der SPD initiiert worden.
(Beifall bei der SPD)
Aber zum Thema. Für eine Frau in Deutschland ist laut Polizeistatistik der gefährlichste Ort ihr eigenes Zuhause. Jede Stunde wird in deutschen Haushalten eine Frau von ihrem Partner verprügelt oder Schlimmeres. Psychologen berichten aus der Täterarbeit, dass sich allerdings die Täter ungerecht behandelt fühlen. Diese deutschen Männer glauben nämlich, einen natürlichen Anspruch darauf zu haben, dass ihre Frau in jedem Moment ihre Bedürfnisse erfüllt. Ihr Selbstverständnis wird geprägt vom Rollenbild des naturgegeben überlegenen Mannes, der lediglich sein Recht durchsetzt, seine Privatsache. Und das zieht sich durch alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten.
Doch für viele dieser betroffenen Frauen sind die Blutergüsse und Knochenbrüche vielleicht gar nicht das Schlimmste, sondern die Angst, die Depressionen, die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein, weil sie oft in Mehrfachabhängigkeiten stecken und deshalb bei diesen Männern gefangen sind. Ein wichtiger Faktor ist die wirtschaftliche Abhängigkeit; denn Kinder, Teilzeitmodelle, Minijobs und das Ehegattensplitting führen strukturell zu weniger Einkommen. Frauen können weniger Rücklagen aufbauen und fürchten Armut für sich und ihre Kinder, falls sie denn überhaupt eine Wohnung fänden, in die sie ausweichen können.
Steuer- und arbeitsmarktpolitisch wie auch wohnungspolitisch hätten wir hier einige Hebel in der Hand. Wir gehen viele davon in den nächsten anderthalb Jahren an; da haben Sie Gelegenheit, mitzustimmen, liebe Union.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Völkerrechtlich sind wir verpflichtet, die Istanbul-Konvention umzusetzen, was bedeutet, die Anzahl der Schutzplätze für Frauen in Deutschland zu verdreifachen. Wir haben gehört, dass sich das Ministerium dort im Gesetzgebungsprozess befindet, und wir haben da sehr viel Vertrauen. Aber es braucht parallel eine Struktur mit Beratungs- und Präventionsangeboten, die erreichbar und gesichert sind. Ich sehe jetzt förmlich, wie die gebeutelten Haushälter ihre Taschen zuhalten.
Es fehlt jedoch gar nicht an Geld. Partnerschaftsgewalt kostet, volkswirtschaftlich gesehen, im Gesundheitswesen und im Justizhilfesystem sowie wegen Arbeitsausfall 2,8 Milliarden Euro jedes Jahr. Würden wir dieses Geld in die Prävention stecken, dann würde viel Leid erspart bleiben. Das Geld wäre präventiv nachhaltiger ausgegeben. Die wirksamste Prävention ist eine qualifizierte Öffentlichkeit, raus aus dem Tabu; denn es ist eben keine Privat-, sondern eine Strafsache, wenn ein Nachbar seine Partnerin demütigt oder schlägt. Die Initiative „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ macht das eindrucksvoll vor. Es wäre sinnvoll ausgegebenes Geld, für solche Initiativen koordinierende Fachstellen einzurichten, die so erfolgreiche Konzepte bundesweit skalieren können. Wenn die Öffentlichkeit sensibilisiert ist, wenn Nachbarn eingreifen und auch die Täterschaft öffentlich ächten, dann haben wir einen wirklichen Ansatz.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir müssen Kinder, Eltern und Pädagogen, Behörden, Gerichte und Polizei nachhaltig qualifizieren und sie sensibilisieren für das, was da passiert; denn die Einordnung als Eifersuchtsdrama ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die die Frauen erneut demütigt. Das dürfen wir nicht länger zulassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und wir müssen an Rollenbildern arbeiten, mit denen Mädchen und Jungen von früh auf beigebracht wird, dass Gleichheit etwas anderes ist als Gleichmachen und dass es kein überlegenes Geschlecht bei uns geben darf.
(Nicole Höchst [AfD]: Auch keine Frauen!)
Wir haben Verantwortung für Hinsehen und Handeln, und das nicht nur am 25. November, sondern jeden Tag.
Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächste hat das Wort für die AfD-Fraktion Nicole Höchst.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603636 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen |