Gyde JensenFDP - Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie frei kann eine Gesellschaft sein, wenn Frauen sich nicht sicher fühlen? Wie sehr sind Maß und Häufigkeit von Gewalt gegenüber Frauen Indikator für die Gewalt, die insgesamt in einer Gesellschaft besteht, bzw. für die Toleranz, manchmal nur Akzeptanz oder Gleichgültigkeit gegenüber Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen? Diese Fragen habe ich mir einmal mehr, wie jedes Jahr vor diesen Debatten, die wir hier immer wieder führen, gestellt. Aber diese Frage stellen wir uns alle sicherlich nicht nur in Vorbereitung auf solche Debatten, sondern die kommen auf, wenn wir mit Kolleginnen und mit Kollegen sprechen; die kommen auf, wenn wir mit Nachbarinnen oder Freundinnen sprechen, wenn ich mit meinen Schwestern spreche. Gewalt gegen Frauen ist Gift für Gleichberechtigung und Gift für eine offene Gesellschaft. Gewalt gegen Frauen ist feige. Sie ist erniedrigend und mit keiner vermeintlichen Tradition, mit keiner Weltanschauung oder Einstellung zu rechtfertigen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben jetzt schon viele Zahlen gehört, und wir haben von vielen Initiativen aus Bund und Ländern gehört. Wir haben zwei Ministerinnen gehört, die aus ihren jeweiligen Ressorts und über die Arbeitsstände berichtet haben. Ich würde gerne über ein Gespräch im Zusammenhang mit dem heutigen Debattenthema berichten, das ich am Dienstag geführt habe. Düzen Tekkal ist eine der stärksten Persönlichkeiten, eine der stärksten Frauen, die ich ganz persönlich kenne. Sie hat gemeinsam mit ihren Schwestern eine Menschenrechtsorganisation gegründet: Hawar.help. Viele von uns kennen Düzen, ich denke, auch viele hier im Raum. Düzen ist bekannt für ihre Arbeit, für ihre Persönlichkeit, und sie ist ein Leuchtturm für sehr viele Menschen und ganz besonders für Frauen und Mädchen. Die Kraft, die diese Frauen und Mädchen aus der Arbeit schöpfen, die Düzen und die Hawar.help-Organisation sowie alles, was diese Organisation umgibt, leisten; was sie aus ihrer Aura und aus ihrer Unerschrockenheit mitnehmen – das ist mit einigen anderen Initiativen so gar nicht zu vergleichen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als ich Düzen am Telefon fragte: „Was würdest du dir wünschen, was in so einer Debatte an Stichworten fällt?“, dachte ich zunächst, dass sie vielleicht einen Moment bräuchte, um sich zu sortieren, doch es sprudelte nur so aus ihr heraus. Sie erzählte mir, dass sie, besonders in den letzten Wochen, eigentlich jeden Tag Morddrohungen bekommt; dass sie Gespräche über Maßnahmen für ihre eigene Sicherheit führen muss und für die Sicherheit ihrer Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie zusammenarbeitet. Diese Drohungen, die sie bekommt, erhält sie nicht zuletzt, weil sie eine Frau ist; weil sie eine Frau ist, die kein Blatt vor den Mund nimmt; weil sie eine Frau ist, die sich lautstark gegen den wachsenden Antisemitismus genauso wie gegen die wachsende Islamfeindlichkeit in diesem Land einsetzt und Partei ergreift für diese Anliegen.
Nicht zuletzt ist das auch digitale Gewalt. Frau Breher, Sie haben es bereits angesprochen: Auch digitale Gewalt ist Gewalt, und sie kommt in den verschiedensten Varianten vor: teilweise in vermeintlichen Kleinigkeiten, die weggedrückt werden, und teilweise in Morddrohungen. Ich hatte am Anfang die Frage gestellt: Was passiert in einer Gesellschaft, in der selbst so starke und in der Öffentlichkeit stehende Frauen wie Düzen, die für das Ende der Straflosigkeit bei Gewalt gegenüber Frauen kämpft, jetzt selbst einer solchen Gewalt ausgesetzt sind? Das hat ja Auswirkungen auf ihre Arbeit und ein Stück weit auf die Möglichkeit, Leuchtturm sein zu können für so viele Frauen und Mädchen, die das, aus welchem Grund auch immer, nicht können.
Ich möchte gerne, dass nicht nur aus dieser Debatte, sondern bei allen Initiativen, die in den nächsten Monaten entstehen, immer wieder das Versprechen deutlich wird, dass Frauenrechte Menschenrechte sind und umgekehrt,
(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
und dass wir das ganz eindeutig nicht nur floskelhaft einsetzen, sondern dass wir mit allen politischen Möglichkeiten, die wir haben, dafür sorgen, dass dieses Versprechen gilt, und zwar für Düzen genauso wie für die Frauen, Kinder und Mädchen, für die sie sich einsetzt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Yvonne Magwas [CDU/CSU])
Als Nächste hat Leni Breymaier das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603638 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen |