Carmen WeggeSPD - Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. In den allermeisten Fällen hat sie leider ein bekanntes Gesicht, ein Gesicht, das der Frau einmal viel bedeutet hat, das ihr liebstes Gesicht von allen Gesichtern dieser Welt war.
Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder ein Expartner, eine Frau zu töten. 25 Prozent aller Frauen erleben körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Diese Zahlen sind unvorstellbar hoch. Die Gewalt wohnt mitten unter uns.
Und auch wenn die Frau es schafft oder geschafft hat, sich vom Gesicht dieses Menschen abzuwenden, den Täter zu verlassen, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen oder zu bewirken, dass der Täter die Wohnung verlassen muss, auch dann ist die Gewaltspirale oft noch nicht durchbrochen.
Ich möchte über zwei besonders perfide Arten sprechen, mit denen die Gewalt gegen Frauen fortgeführt wird: über das Sorge- und Umgangsrecht bei gemeinsamen Kindern und über das Tracking und Stalking von Frauen mittels digitaler Mittel.
Jedes Mal, wenn eine Frau gezwungen ist, den Gewalttäter nach einer Trennung wiederzusehen, wird sie retraumatisiert, nicht nur sie, sondern im Zweifel auch das Kind, das sie in dem Moment an den Täter übergeben muss. Deswegen ist für mich und übrigens auch für die Istanbul-Konvention klar: Die Ausübung des Besuchs- und Sorgerechts darf nicht die Rechte und die Sicherheit des Gewaltopfers oder der gemeinsamen Kinder gefährden. Schon längst ist in der Wissenschaft klar, dass auch die Kinder immer mittelbares Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt sind.
Deswegen schreibt uns Artikel 31 der Istanbul-Konvention vor, dass dies im Sorge- und Umgangsrecht zwingend Berücksichtigung finden muss. Es ist längst an der Zeit, dass dies überall in Deutschland auch so umgesetzt wird.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Heidi Reichinnek [DIE LINKE] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wie einseitig ist das denn!)
Denn allzu oft urteilt die Rechtspraxis in Deutschland leider immer noch anders und eben nicht im Sinne der Istanbul-Konvention und im Sinne der Opfer häuslicher Gewalt. Das elterliche Umgangsrecht darf nicht die Sicherheit eines Elternteils oder des Kindes gefährden. Ich bin froh, dass wir das in unserer Familienrechtsreform klarstellen werden, und ich hoffe, dass wir das bald auch hier im Parlament beraten können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Kommen wir zum zweiten langen Arm der häuslichen Gewalt: das Stalking mittels digitaler Geräte wie GPS-Tracker oder AirTags, mit denen der Expartner die Frau aus der Ferne weiter verfolgen kann, oder über Spionage-Apps, die der Täter auf dem Handy des Opfers installiert hat. Ja, solche Apps gibt es. Solche Stalkerware ermöglicht dem Täter, das gesamte Gerät aus der Ferne zu überwachen, das heißt Suchanfragen im Internet, Standorte, Textnachrichten, Fotos, Sprachanrufe und vieles mehr. Die dafür nötigen Programme sind sehr einfach zu bekommen und zu installieren, hier in Deutschland, einfach im App-Store. Die laufen versteckt im Hintergrund, ohne Wissen und Einverständnis der betroffenen Personen. Das Abhören einer anderen Person ohne deren Wissen und ohne Einverständnis ist eine Straftat. Ein Produkt zu diesem Zweck dürfte eigentlich gar nicht auf dem Markt sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Warum finden wir es trotzdem so einfach bei Google? Die Firmen vermarkten ihre Apps öffentlich vor allem als Trackingsoftware für besorgte Eltern, die immer wissen wollen, wo ihre Kinder sind und was sie auf dem Smartphone machen. Für Erziehungsberechtigte ist die Installation einer solchen App auf dem Handy nämlich erlaubt. Ich frage mich: Warum fragen die Hersteller solcher Apps nicht regelmäßig das Einverständnis des Gerätebesitzers ab, zum Beispiel mit einer Pushbenachrichtigung?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir fordern daher, dass eine solche Herstellerverpflichtung eingeführt wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU] und Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Abschließend möchte ich all den Männern, die Frauen geringschätzen, zurufen: Wir sind noch lange nicht am Ende mit dem Kampf gegen euch.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ah, jetzt ist die Katze aus dem Sack! Kampf gegen Männer! Was haben Sie denn für Erfahrungen gemacht?)
Wir werden Gehsteigbelästigungen verbieten, Femizide nicht akzeptieren, verbale sexuelle Belästigung unter Strafe stellen, den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren und Gewalt gegen Frauen als das brandmarken, was sie ist: inakzeptabel. Liebe Frauen, wir stehen an eurer Seite!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Melanie Bernstein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603641 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen |