16.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 137 / Tagesordnungspunkt 26

Carolin WagnerSPD - Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Es geht um Lisa, Journalistin. Hasskommentare auf Social Media sind bei ihr mittlerweile Alltag. Doch dann tauchen Fotos von ihrer Wohnung im Netz auf; Name und Adresse sind online. Sie soll sich von ihrem letzten Artikel distanzieren.

Es geht um Anna, Sportlerin, heimlich gefilmt in der Umkleidekabine. Das Videomaterial wurde auf Pornoseiten im Internet verbreitet. Der Fall ist eingestellt, aber die Videos sind immer noch online.

Es geht um Marie, Schülerin. Gefälschte Nacktfotos von ihr sind in der Schule im Umlauf, erstellt durch einen einfachen Klick. Die verstörenden Folgen für Marie: kaum auszumalen.

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter und findet auch im Digitalen statt – mit Drohnen, die heimliche Videoaufnahmen von Frauen machen, die sich in ihrer Wohnung im dritten Obergeschoss umziehen und dabei geschützt fühlen, mit Face-Swap-Technologien, mit denen pornografische Inhalte erstellt und tausendfach geteilt werden. Alle 30 Sekunden wird ein Tweet an Frauen als problematisch eingestuft – alle 30 Sekunden! 70 Prozent der Frauen unter 21 Jahren haben hierzulande bereits Bedrohung, Beleidigung und Diskriminierung in sozialen Medien erlebt.

Die Folgen digitaler Gewalt gegen Frauen sind enorm: Angststörungen oder Schlaflosigkeit. Hass und Hetze im Netz führen dazu, dass Frauen sich aus dem digitalen Diskurs zurückziehen; sie werden bewusst verdrängt. All diese Konsequenzen sind dramatisch, und es ist unsere Aufgabe, Frauen im digitalen Raum zu schützen und Straftaten konsequent zu verfolgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die aktuelle Rechtslage weist aber noch zu viele Schutzlücken auf, etwa bei der bildbasierten sexuellen Gewalt durch künstliche Intelligenz. Jede Person kann heutzutage mittels KI sexualbezogene Deep Fakes erstellen, also Bilder, die täuschend echt eine Person nackt zeigen, ohne dass diese jemals eingewilligt hat. Und doch können sich Betroffene nur auf einen juristischen Flickenteppich berufen. Im schlimmsten Fall kann dann gar nicht geholfen werden.

Der Digital Services Act und das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt sollen die Rechtslage verbessern, etwa bei der Sperrung von Accounts. Beides ist in der Stoßrichtung richtig und gut.

(Zuruf der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU])

Hier muss aber noch nachgebessert werden. Bildbasierte Gewalt etwa muss endlich klar im Strafrecht verankert werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Um Lisa, Anna, Marie und viele weitere Frauen zu schützen, benötigen wir auch eine wirksame Strafverfolgung gegen digitale Gewalt. Wir müssen Beratungsangebote finanziell stärken, IT-Kompetenzen ausbauen und beteiligte Berufsgruppen wie etwa Polizei, Justiz, aber auch Psychologinnen und Psychologen sensibilisieren.

Zum Schluss ist es mir noch besonders wichtig, dass drei Sachen in dieser Debatte gesagt werden: Gewalt gegen Frauen geschieht täglich. Gewalt müssen Frauen niemals ertragen. Und: Betroffene sind niemals schuld an dem, was ihnen angetan wird – niemals!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603644
Wahlperiode 20
Sitzung 137
Tagesordnungspunkt Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
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