Mathias MiddelbergCDU/CSU - Aktuelle Stunde: BVerfG-Urteil zum Nachtragshaushalt 2021
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, einige Reden der Regierungsvertreter – ich spreche auch ausdrücklich den Finanzminister an – hätten hier angesichts der Sachlage angemessener sein können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das sage ich ganz offen.
Ich finde es sehr wundersam, dass Sie spätestens im zweiten Satz immer gleich mit dem Finger auf die Opposition zeigen und sagen, was hier und da in den vergangenen Jahren oder in irgendwelchen Landesregierungen schiefgelaufen wäre,
(Otto Fricke [FDP]: Läuft doch noch schief bei Ihnen!)
die jetzt auch Probleme haben, oder dies und jenes anzusprechen, statt einmal aufzunehmen, dass es gestern eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Ihre Regierungspolitik, über Ihren Haushalt gab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Über nichts anderes wurde entschieden.
Erstmals ist ein Bundeshaushalt einer Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und dann auch gleich für komplett nichtig erklärt worden. Das ist historisch bislang einmalig.
Hier wurde vorgetragen, dass wir gegen den KTF oder gegen die Klimapolitik geklagt hätten. Zu behaupten, der KTF sei beklagt worden, ist völliger Blödsinn.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ganz genau!)
Gegen den Klimafonds hat hier niemand geklagt. Dagegen würden wir auch gar nicht klagen.
(Zuruf von der FDP: Aha!)
Geklagt worden ist gegen den Nachtragshaushalt und die Art und Weise, wie Sie 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen in verfassungswidriger Weise übertragen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dagegen haben wir geklagt.
Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Es war ja die Grundabsprache Ihrer Koalition, dass Sie sich zusammengesetzt und gesagt haben: Die SPD kriegt viel Geld für Soziales, die Grünen kriegen viel Geld für Klima, und die FDP kriegt zwei Zusagen, nämlich: Es gibt keine Steuererhöhungen, und die Schuldenbremse wird eingehalten. – Und dann haben Sie gemerkt: Oh Kacke, wir haben nicht genug Geld
(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der SPD: Unparlamentarischer Ausdruck!)
– ja, das kann man so deutlich sagen –, und jetzt müssen wir einmal gucken, woher wir etwas nehmen. – Dann kam der kluge Hinweis: Da sind ja noch 60 Milliarden Euro übrig von den Coronageldern, von den Ermächtigungen aus der alten Regierung. Die können wir uns einfach einmal übertragen; wird ja wohl keiner merken.
Und dann wurde uns etwas vom Bundesfinanzminister vorgehalten, was falsch ist, Herr Dürr. Das sage ich Ihnen ganz deutlich,
(Christian Dürr [FDP]: Ich habe dagegengestimmt! Sie haben dafürgestimmt!)
weil Sie den Blödsinn ja auch gestern vor laufender Kamera erzählt haben.
(Christian Dürr [FDP]: Sie haben dafürgestimmt!)
Diese Praxis hat es vorher nämlich nicht gegeben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vorher wurde jahresgenau abgerechnet. Hören Sie mal sehr genau zu, Herr Dürr, und prüfen Sie das nach. An dem Punkt werde ich nämlich jetzt sehr empfindlich.
(Christian Dürr [FDP]: Ja, ich auch!)
Das Bundesverfassungsgericht hat Ihren Haushalt kassiert, weil Sie gegen das Jährlichkeitsprinzip verstoßen haben.
(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Vorher gab es auch Sondervermögen, und es gab Übertragungen in solche Sondervermögen, auch in Zeiten der Unionsregierung, aber innerhalb eines Jahres; und sie wurden genau auf das Jahr hin abgerechnet, in dem sie verausgabt wurden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der FDP)
Sie haben in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich die Regel reingeschrieben, dass Sie von jetzt ab neu buchen. Maßgeblich sollte nicht der Kredit sein zu dem Zeitpunkt, an dem er den Bundeshaushalt belastet, sondern zu dem Zeitpunkt, an dem Sie die Kredite vom Kernhaushalt in Ihr Sondervermögen rüberschieben.
(Zurufe von der SPD)
Und das war unzulässig; das hat das Verfassungsgericht kassiert. Und das müssen Sie – ich sage es Ihnen jetzt mal so deutlich – in Ihre Birne kriegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
– Ja, so ist es.
Wenn Sie das jetzt einmal verstanden haben, wenn Sie das jetzt einmal begriffen haben, dann merken Sie, dass Ihr ganzer WSF, Ihr Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dieser Super-Doppel-Wumms mit 200 Milliarden Euro, von diesem Urteil des Verfassungsgerichts genauso infiziert ist. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.
(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen – jetzt komme ich zum Punkt – ist es völlig unverantwortlich, in dieser Woche und auch sonst irgendwie planmäßig weiter über den Haushalt 2024 zu verhandeln. Das ist komplett verantwortungslos. Herr Post, Sie haben eben richtigerweise gesagt: Es darf jetzt keine Schnellschüsse geben. – Wenn Sie jetzt über den Bundeshaushalt 2024 verhandeln, ohne dass Sie das Urteil wirklich ausgewertet haben, ohne wirklich zu wissen, was die verfassungsrechtliche Auswirkung dieses Urteils ist, dann ist es grob fahrlässig, wenn Sie jetzt weiter über den Haushalt in dem geplanten Verfahren verhandeln. Das kann ich Ihnen nur sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Sie laufen sehenden Auges in den nächsten Verfassungsbruch hinein.
Nein, Sie müssen sich jetzt ehrlich machen und, wie Friedrich Merz das gesagt hat,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich jetzt ehrlich machen!)
die Zeitenwende jetzt wirklich richtig umsetzen, umschichten im Haushalt, wirklich umbauen. Herr Vogel hat ja ausnahmsweise zu Recht einen Punkt angesprochen. Dann machen Sie doch einmal etwas in der Sozialpolitik. Herr Lindner hat zu Recht gesagt: Millionen Bürger im Bürgergeld, die erwerbsfähig sind, könnten arbeiten, tun es aber nicht. – Eine Riesenaufgabe für diese Regierung. Schon 100 000, die Sie aus dem Bürgergeld hinaus in Arbeit brächten, würden dem Bundeshaushalt 3 Milliarden Euro einspielen. 3 Milliarden Euro allein bei 100 000. Rechnen Sie mal hoch, auf welche Beträge Sie dann kommen!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Middelberg, ich bin mir sicher: Wenn Sie das stenografische Vorabprotokoll einsehen, wird Ihnen auffallen, dass das mit der parlamentarischen Ausdrucksweise nicht immer ganz so geklappt hat. Ich bitte, das einfach ein wenig zu berücksichtigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das Wort hat Sonja Eichwede für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603727 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: BVerfG-Urteil zum Nachtragshaushalt 2021 |