Jan PlobnerSPD - Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Für viele ist das Namensrecht in Deutschland vermutlich kein großes Thema von Leidenschaft. Für einen Berufsstand ist es aber das tägliche Brot und der Gegenstand emotionaler fachlicher Debatten: Das ist es für die Standesbeamtinnen und Standesbeamten in den Kommunen unseres Landes, die dort täglich Familien beraten.
Ich habe selber das Privileg, diesem Berufsstand anzugehören, und auch nach zwei Jahren in diesem Hohen Haus ist es für mich immer noch ein Quell diebischer Freude, jetzt an den gesetzlichen Grundlagen meines Berufes arbeiten zu dürfen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wie vermutlich jede und jeder meiner Mitstandesbeamtinnen und -beamten habe ich mit Eltern über den Nachnamen ihres Kindes gesprochen, ich habe über Bindestriche bei Doppelnamen von künftigen Eheleuten diskutiert, ich bin über das internationale Privatrecht in die Namensrechte eines Großteils dieses Planeten eingetaucht. Ich habe unzählige sowjetische Urkunden transliteriert und in hundert Jahre alten deutschen Geburtenbüchern versucht, irgendwelche Namen in altdeutscher Handschrift zu entziffern. All das tun wir Standesbeamtinnen und Standesbeamten, um den Familien in diesem Land dabei zu helfen, einen passenden Namen für ihre gemeinsame Zukunft zu finden.
Dabei ist mir aber auch klar geworden: Für viele Familien bietet das deutsche Namensrecht keine geeignete Option an.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Das deutsche Namensrecht ist veraltet und wartet seit Jahren auf eine große Reform. Hier und da hat man an Stellen nachgebessert, aber vieles stammt auch heute noch aus der letzten Reform der 90er-Jahre. Dabei sind wir als Gesellschaft heute viel weiter: Familien haben sich verändert, Lebens- und Liebesgeschichten sind komplexer geworden. Es ist deswegen für mich als Standesbeamter gleichzeitig unfassbar notwendig, aber auch unglaublich schön, dass wir heute beginnen, diese Themen im parlamentarischen Verfahren anzusprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Name ist auch Identität. Das gilt im positiven Sinne, aber manchmal auch im negativen. Verbinde ich mit meinem Nachnamen eine glückliche Kindheit oder Leid? Welchen Nachnamen soll denn mein Kind jetzt tragen?
Meinen eigenen Namen habe ich zum Beispiel von meiner Mutter bekommen. Das verbindet mich – gefühlt – zwangsläufig ein bisschen stärker mit ihrer Familie als mit der meines Vaters. Hätte ich dessen Namen bekommen, sähe das möglicherweise anders aus.
Solche Überlegungen führen dazu, einzusehen, dass das Namensrecht für jeden einzelnen Menschen in Deutschland eine Bedeutung hat. Es mag sicherlich nicht dieselbe politische Tragweite wie die anderen politischen Fragen haben, mit denen wir uns aktuell auseinandersetzen. Bei denen geht es um Krieg und Frieden, ökonomische Sorgen und auch um die Zukunft unseres Planeten. Das Namensrecht spielt wirklich nicht ganz auf diesem Level. Aber Politik muss sich auch um solche Fragen kümmern, gerade weil sie doch viele Menschen betreffen und nicht ausreichend geklärt sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ja, das Namensrecht spielt eine sehr, sehr große traditionelle und auch verwaltungsrechtliche Rolle. Deswegen sollte man damit nicht leichtfertig umgehen. Aber ich möchte das parlamentarische Verfahren dazu nutzen, mal über Dinge zu sprechen, die einfach diskutiert werden müssen.
Ich möchte darüber sprechen, ob wir nicht an der einen oder anderen Stelle weitergehen können, Dinge vereinfachen können und sie nicht unbedingt noch komplizierter machen müssen. Wie viele Rechte sollen Erwachsene so in etwa haben, an ihrem eigenen Vornamen noch etwas zu ändern? Können wir im internationalen Privatrecht einen Paradigmenwechsel in der Sache der Anknüpfung erreichen? Oder können wir nicht sogar jetzt ein paar zusätzliche Verbesserungen für unsere nationalen Minderheiten erreichen? Das ist gerade für die Sorben, für die Friesen, für die Dänen schon ein guter Entwurf. Aber vielleicht ist da auch noch ein bisschen mehr möglich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Über die Inhalte haben wir jetzt schon vieles gehört. Ich lasse die Fragen, die ich gestellt habe, mal einsinken und nutze diese Stelle, um etwas zu tun, was ich meinen Kolleginnen und Kollegen damals im Amt versprochen habe. Ich spreche den Standesbeamtinnen und Standesbeamten in diesem Land einen Dank aus.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Ihr seid am Anfang und am Ende jeden Lebens dabei. Ihr wühlt euch durch staubige Papierakten, die weit vor eurer eigenen Geburt entstanden sind. Ihr seid im Zweifel auch an Neujahr und Weihnachten im Amt; denn das Leben nimmt auch nicht immer Rücksicht auf Feiertage. Ihr könnt mit dem ganzen Amt streiten, ob eine Person laut Geburtseintrag jetzt Anna oder Anne geheißen hat; denn auch Beamte im Jahre 1920 sollen nicht immer die sauberste Handschrift gehabt haben. Ihr habt euch eine Leidenschaft für Schreibmaschinen über Jahrzehnte bewahrt, und doch führt ihr seit 2009 eure Register digital, während andere jetzt gerade erst damit beginnen. Während der Coronapandemie haben wir gemeinsam Sterbeurkunde um Sterbeurkunde ausgestellt, als andere im Homeoffice waren. Ihr habt gerade im Winter 2021 genau gesehen, welche Auswirkungen diese Pandemie hatte.
Es ist manchmal ein skurriler, meistens aber ein sehr schöner Beruf oder, wie im letzten Fall, leider gelegentlich auch ein sehr schmerzhafter. Ihr seid an den schönen Momenten für Familien beteiligt und beim Abschiednehmen. Die meisten sehen in den Standesbeamten nur die Menschen hinter dem Schreibtisch bei Trauungen. Aber in diesem Job steckt so wahnsinnig viel mehr. Und für diese umfangreiche Arbeit, die ihr täglich wider alle Umstände ausübt, gebührt euch mein Respekt und hoffentlich auch der des Hauses.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich hoffe, euch die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft ein wenig zu erleichtern, für die mehr machbar zu machen. Ich freue mich unglaublich auf die parlamentarischen Beratungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Vielen Dank. – Grüße gehen raus an alle Standesbeamtinnen und Standesbeamten der Republik. Die werden jetzt wahrscheinlich nicht im Dienst sein und deswegen alle vor dem Fernseher sitzen, nehme ich an, oder vor dem Rechner.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Jetzt hat der Kollege Stefan Seidler das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603796 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts |