17.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt 27

Johannes FechnerSPD - Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass u. Hetze

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Der mörderische Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat uns alle entsetzt und entsetzt uns auch heute noch. Mit unvorstellbarer Brutalität wurden unschuldige Zivilisten niedergemetzelt, darunter gerade auch viele Israelis, wie etwa bei dem Jugendfestival, die sich für die Anliegen der Palästinenser eingesetzt haben. In den Folgetagen war es unerträglich, zu sehen, wie dieser tausendfache Mord an den unschuldigen Zivilisten hier dann auch noch gefeiert wurde, und zwar gar nicht weit weg von hier, nur wenige Hundert Meter vom Reichstag entfernt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können wir nicht dulden. Dagegen müssen wir vorgehen. Wir müssen dafür sorgen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher leben können und dass solche Massaker hier nicht gefeiert werden können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich hatte in meiner Heimatstadt Emmendingen sogleich Kontakt zur örtlichen Jüdischen Gemeinde aufgenommen und habe dort nicht nur die große Sorge erlebt, wie es den Verwandten und Freunden in Israel geht, sondern vor allem auch die große Sorge, wie sich die Sicherheitslage in Deutschland weiterentwickelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn jüdische Mitbürger Sorge haben, die Kippa zu tragen, wenn Eltern ihren Kindern nicht mehr den Ausflug mit der jüdischen Jugendgruppe erlauben oder wenn gar Israelis jetzt, in dieser Zeit, wo Israel heftig attackiert wird, sich in Israel sicherer fühlen als in Europa und dort wieder hinziehen, dann ist das ein Alarmsignal für uns alle. Wir müssen ganz klar sagen: Jüdisches Leben, jüdische Kultur ist ein Teil von Deutschland. Wir wollen, dass das sicher in Deutschland gelebt werden kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch, dass wir den strafrechtlichen Schutz für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verbessern. Wir haben, auch auf Initiative der SPD-Fraktion, in der letzten Wahlperiode in der Tat die Flaggenverbrennung normiert; denn für uns war klar: Es kann nicht sein, dass nach dem schrecklichen Holocaust jüdische Symbole in Deutschland brennen. Das darf nicht sein. Deswegen war es richtig, diesen Straftatbestand, der damals durchaus umstritten war, zu schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir prüfen, ob wir den strafrechtlichen Schutz noch verbessern können, und da komme ich zum Gesetzentwurf der Union. Ich möchte mal so beginnen: Da machen Sie einen ganz tiefen Griff in die rechtspolitische Mottenkiste, in Ihre Resterampe: Sympathiewerbung. Das ist ein Straftatbestand, der erkennbar und vorhersehbar nichts bringen wird, wie wir wissen. Wir hatten diesen Straftatbestand schon. Das Bundesverfassungsgericht – dessen Urteile mögen uns passen oder nicht, aber wir haben sie zu respektieren – wird im Lichte der Meinungsfreiheit diesen Straftatbestand unanwendbar verengen. Und deswegen brauchen wir ihn nicht; wir können es auch lassen. Wir sollten, wenn es darum geht, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger tatsächlich effektiv zu schützen, auf Symbolpolitik verzichten und stattdessen effektiven Schutz im Gesetz regeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ihre Vorschläge zur Verschärfung der Volksverhetzung, § 130 StGB, müssen wir uns anschauen. Wir haben hier auch aus meiner Sicht tatsächlich Reformbedarf. Das beginnt schon mit der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ wirklich taugt, ob es präzise genug ist. Hier gibt es Vorschläge vom Antisemitismusbeauftragten Klein oder zum Beispiel von Frau Professorin Hoven, die wir uns anschauen müssen. Bei Hetze beispielsweise gegen Jüdinnen und Juden oder eine Gruppe, die im Ausland lebt, sagen nach heutiger Rechtslage die Rechtsprechung und auch Staatsanwaltschaften, dass hier der Öffentlichkeitsbezug fehlt. Aber auch diese Hetze ist strafwürdig, und deswegen sollten wir hier nachschärfen.

Allzu oft haben wir auch sehen müssen, dass die Verwendung von Chiffren anstelle der ausdrücklichen Benennung von Jüdinnen und Juden von Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht als strafrechtlich relevant eingeschätzt wurde. Aber wenn zum Beispiel die hässlichen Begriffe „Judenpresse“ oder „Judenpack“ verwendet werden, dann muss auch hier die Volksverhetzung greifen. Auch das wollen wir beraten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt auch keine klare präzise Linie, wann von einem Verbreiten an die Öffentlichkeit auszugehen ist. Wir haben zum Beispiel bei Hetze in Chats, wie wir es in dem rechtsradikalen Chat in Frankfurt erlebt haben, oder wenn sie in Klassenzimmern oder in Schulen verbreitet wird, leider Einstellungsverfügungen gesehen, weil der Öffentlichkeitsbezug vermeintlich fehlte. Auch hier müssen wir beraten, ob es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt; denn wir dürfen Hass und Hetze auch in diesen Räumlichkeiten nicht dulden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zum Schluss: Wir müssen leider feststellen, dass die Flut an Hass und Hetze gerade im Netz ein unerträgliches Ausmaß angenommen hat. Die besten und die schärfsten Gesetze bringen bekanntlich nichts, wenn wir in Justiz und Polizei zu wenig Personal haben. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diese Flut an Straftaten und Ermittlungsverfahren auch zum Anlass nehmen, noch mal zu prüfen, wie wir zu mehr Personal in Justiz und Polizei kommen können, damit diese antisemitischen Straftaten schnell und tatsächlich auch verfolgt und geahndet werden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Tobias Matthias Peterka.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603910
Wahlperiode 20
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass u. Hetze
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