Linda TeutebergFDP - Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass u. Hetze
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder auf unseren Straßen – ich füge hinzu: auch an manchen Hochschulen; vieles haben Kollegen hier schon angesprochen – sind unerträglich. Hass, Hetze, Gewalt, Einschüchterung gegen Jüdinnen und Juden, das sind unerträgliche Ereignisse. Wir haben hier in Deutschland eine besondere Verantwortung dafür, dass Jüdinnen und Juden sicher und frei bei uns leben können.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Marlene Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wollen – da knüpfe ich an die Debatte zum 9. November an – echte Verbündete der Jüdinnen und Juden in unserem Land ebenso wie in der ganzen Welt sein und stehen zum Existenzrecht Israels.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Den demokratischen Rechtsstaat und dessen Gewaltmonopol zu respektieren und zum Beispiel auch Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern zu haben – wer damit ein Problem hat, der muss in unserem Land ein Problem haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Um dieser besonderen Verantwortung, die wir haben, gerecht zu werden, gilt es einerseits, Bekenntnissen auch Taten folgen zu lassen; das ist richtig. Es geht aber auch nicht um Aktionismus, sondern es geht darum, zu schauen: Wo müssen wir rechtliche Handlungsspielräume erweitern? Wo muss der Rechtsstaat noch durchsetzungsfähiger werden? Es kommt nicht darauf an, einfach nur viel zu tun und viel zu ändern, sondern, das Richtige zu tun, darauf kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auf die rechtspolitischen Notwendigkeiten wird meine Kollegin Katrin Helling-Plahr gleich noch im Einzelnen eingehen. Ich möchte ansprechen, dass es hier auch um unser gemeinsames Wertefundament, um eine grundsätzlichere Frage geht – die Frage, wer wir sein wollen – und dass wir gegen diejenigen, die unsere Werte nicht teilen, die sie gar verachten, als Gesellschaft und als Rechtsstaat wehrhaft sein müssen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn das, was wir beobachten und beklagen, ist ja Symptom eines gar nicht so umfassenden Konsenses darüber, dass jeder Antisemitismus gleichermaßen inakzeptabel ist, egal aus welchem Lager, mit welchem kulturellen Hintergrund. Dass das nicht so selbstverständlich ist, sehen wir in diesen Tagen leider.
Lassen Sie mich einige kurze Bemerkungen zum Thema Staatsangehörigkeitsrecht machen. Das ist keine Kleinigkeit; das ist nicht irgendein Verwaltungsakt. Es geht da um das weitreichendste Statusrecht, die größte Rechtskreiserweiterung, die ein Staat einem Menschen geben kann. Deshalb gibt es natürlich ein legitimes Interesse des demokratischen Rechtsstaates daran, keine ungeeigneten Personen einzubürgern. Deshalb ist es richtig und wichtig und überfällig, dass wir hier einen Ausschlussgrund schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer durch antisemitische Taten aufgefallen ist, kann nicht eingebürgert werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und so richtig und wichtig das ist, wird es natürlich nicht reichen. Wenn und weil die Einbürgerung Ziel und Ergebnis gelungener Integration ist und nicht Vorschuss auf Integration,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – [Stephan Brandner [AfD]: Aha, das sind ja völlig neue Ansätze, die wir da von Ihnen hören! Was ist denn mit der Dreijahresfrist, die eingeführt werden soll? Gehen Sie auf Konfrontationskurs?)
genau deshalb brauchen wir in erster Linie auch eine Debatte über Integration. Sie ist sehr viel voraussetzungsreicher und anspruchsvoller, als das manche wahrhaben wollen. Aber auch darüber müssen wir sprechen, wenn wir hier wirksam sein wollen.
In vielen Fällen gilt: Statt Gesetzgebungsarbeit braucht es oft mühsame Behördenarbeit, um auch umzusetzen, was Rechtslage ist. Dafür gibt es aber oft nicht die politische Aufmerksamkeit und den medialen Applaus; trotzdem ist es wichtig. Ich möchte nur kurz anmerken – Katrin Helling-Plahr wird noch darauf eingehen –: Der Gesetzesvollzug ist übrigens Aufgabe der Länder. Das gilt für das Strafrecht, das gilt für das Aufenthaltsrecht, und das gilt natürlich auch für das Staatsangehörigkeitsrecht.
Wir müssen eine offene Debatte führen: Wo müssen wir tatsächlich im Strafrecht manches auf die Höhe der Zeit bringen? Aus den Gesprächen mit den Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, auch aus den Ländern, kam durchaus die Anregung, dass wir im Strafrecht besser auf verschiedene Erscheinungsformen des Antisemitismus eingehen müssen. Unser Strafrecht ist noch sehr auf die rechtsextremen Erscheinungsformen von Antisemitismus ausgerichtet. Wir müssen aber jeden Antisemitismus erfassen.
Wir brauchen allerdings einen umfassenden Ansatz. Denn es darf nicht wie in Halle von der Stärke einer Synagogentür abhängen, ob Jüdinnen und Juden sich bei uns sicher fühlen können. Wir müssen die gesellschaftlichen Türen fest vor Antisemitismus verschließen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Deshalb gilt eben auch: Wer Terror verherrlicht, mit ihm sympathisiert, ja, wer gar Stichwortgeber von Terror ist und ihn rechtfertigt, der kann kein Partner sein – nicht für Integration, nicht für Religionsunterricht. Das kann kein Partner des demokratischen Rechtsstaates sein. Und hier müssen wir noch konsequenter werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Feinde der offenen Gesellschaft und unseres liberalen Verfassungsstaates wollen diesen Staat an seine Grenzen bringen, innen- und außenpolitisch. Und deshalb müssen wir eine wehrhafte Antwort darauf geben.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Und da gilt: Es gibt in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus kein Recht auf Naivität, kein Recht auf Geschichtsvergessenheit und kein Recht auf Konfliktscheu, aber die besondere Verantwortung, dass wir dem Vertrauen von Jüdinnen und Juden gerecht werden. Lassen Sie uns daran arbeiten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich grüße Sie alle sehr herzlich an diesem Freitagvormittag.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603916 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass u. Hetze |