Katrin Helling-PlahrFDP - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen über den Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, kurz: DokHVG. Was so technisch anmutet, ist ein echter Meilenstein für die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land. Gerichtsverhandlungen in Strafprozessen an Land- und Oberlandesgerichten werden in Zukunft aufgezeichnet. Die Aufzeichnung wird dann automatisiert verschriftlicht.
Für den Strafprozess bedeutet das eine echte Revolution. Protokolliert werden bisher bei erstinstanzlichen Verfahren vor Land- oder Oberlandesgerichten nämlich nur der Gang der Verhandlung und die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens. Bei einem Mordprozess steht also zum Beispiel nur im Protokoll, dass der Angeklagte zur Person und zur Sache vernommen worden ist oder dass ein Zeuge erschienen ist, belehrt worden ist und ausgesagt hat, aber kein Wort zum Inhalt der Aussagen. Jedes Protokoll einer Elternversammlung der Kita ist aussagekräftiger. Das führt dazu, dass in solchen Prozessen alle – Richter, Staatsanwälte, Strafverteidiger – fleißig mitschreiben. Nicht selten dauern die Prozesse Tage oder Wochen. In wichtigen Prozessen und bei hinreichendem Geldbeutel leisten sich wohlhabende Angeklagte Stenografen, die für sie mitschreiben. Nette Anwälte stellen die selbst veranlassten Protokolle dann, so wird berichtet, auch immer wieder dem Gericht zur Verfügung, das sie dankend nutzt.
Meine Damen und Herren, natürlich kann man sich nicht so gut auf das Geschehen konzentrieren, wenn man ständig mitschreiben muss. Und bei der Rekonstruktion hinterher spielt einem das eigene Gedächtnis, wissenschaftlich belegt, oft einen Streich. Man erinnert manchmal unterbewusst das, was man in der Akte zuvor gelesen hat, oder das, an was man sich eben erinnern will. Für einen modernen Rechtsstaat ist das eine absolut unhaltbare Situation.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Längst gibt es technische Möglichkeiten, Gerichtsverhandlungen in Strafprozessen aufzuzeichnen. Länder wie Spanien, Schweden, Großbritannien oder auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag machen es vor. Statt sich nur auf die eigene Zettelwirtschaft zu verlassen, können nach unserem Gesetzentwurf künftig auch in Deutschland alle Verfahrensbeteiligten im Nachhinein auf eine Audioaufzeichnung und ein entsprechendes automatisch erstelltes Transkript zurückgreifen. Kein Mensch muss sich stundenlange Aufzeichnungen noch einmal anhören, aber die relevanten Aussagen eines Zeugen zum Beispiel kann man sich noch einmal anschauen oder auch anhören.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sonja Eichwede [SPD])
So haben alle die gleiche korrekte Arbeitsgrundlage. Es wird nichts vergessen, Wahrnehmungs- und Erinnerungsfehler werden vermieden. Das verbessert die Wahrheitsfindung.
Damit führt die Dokumentation zu mehr Gerechtigkeit, dazu, dass Täter bestraft werden, dazu, dass Unschuldige freigesprochen werden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr gut!)
Auch Meinungsverschiedenheiten darüber, was in der Hauptverhandlung tatsächlich geschehen ist oder der eine oder andere gesagt hat, werden verhindert. Damit erfahren Urteile schließlich mehr Akzeptanz. Die Dokumentation führt zu mehr Rechtsfrieden. Ich finde, es gibt keinen Grund, unserem Gesetzentwurf heute nicht zuzustimmen, außer man ist von gestern.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Dr. Volker Ullrich für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603966 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz |