Volker UllrichCDU/CSU - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf soll zukünftig der Inhalt einer strafrechtlichen Hauptverhandlung vor den Land- und Oberlandesgerichten auf eine Tonspur übertragen und automatisch in ein Textdokument transkribiert werden. Das klingt intuitiv zunächst einmal irgendwie fortschrittlich. Aber es geht nicht darum, das zu tun, was irgendwie fortschrittlich klingt, sondern das, was unseren Rechtsstaat voranbringt. Und hier gibt es wesentliche Bedenken, die Sie nicht aufgegriffen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will beginnen mit einer verfassungsrechtlichen Frage, die Sie nicht beantwortet haben. Sie legen in Ihrem Gesetzentwurf die Möglichkeit fest, dass die Länder durch reine Verordnungsermächtigung nicht nur festlegen können, dass die Verhandlung auf eine Tonspur aufgenommen wird, sondern auch, dass Kameraaufzeichnungen, also Bildaufzeichnungen der Verfahrensbeteiligten, angefertigt werden. Das ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten. Das können und dürfen Sie nicht durch Rechtsverordnung klären. Dazu braucht es ein förmliches Gesetz. Ihr Gesetzentwurf leidet unter diesem Mangel, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will fortfahren. Sie werden künftig zum einen eine Tonspur haben und zum anderen einen automatisch transkribierten Text. Je nach Dialekt und Aussprache der jeweiligen Verfahrensbeteiligten wird die Fehlerquote zwischen 20 und 30 Prozent betragen; das ergibt sich aus dem Gutachten Ihres eigenen Ministeriums.
(Katrin Helling-Plahr [FDP]: Ja! Das war früher!)
Nun sieht aber Ihr Gesetzentwurf gerade nicht vor, was verfahrensrechtlich passiert, wenn Tonspur und automatischer Text voneinander abweichen. Sie werden diese Diskrepanz mit Ihrem Gesetzentwurf nicht aufklären können. Das ist eine Belastung für das Strafverfahren und führt gerade nicht zu einer ordnungsgemäßen Beweisaufnahme und zu Rechtsfrieden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Wie machen wir das denn in den Ausschussberatungen? Das ist doch unter Ihrem Niveau!)
Viel wichtiger ist, dass wir über zwei Dinge nachdenken müssen. Zum einen: Was macht es mit dem Aussageverhalten von Verfahrensbeteiligten, wenn sie wissen, dass sie aufgezeichnet werden? Das ändert den Charakter. Sie haben das erkannt und dankenswerterweise einen Änderungsantrag eingeführt, nach dem die Ausnahmen wesentlich erweitert werden, wann nicht aufgezeichnet werden soll. Aber das genügt nicht. Dieser Entwurf verwischt die Grenzen zwischen Revisions- und Berufungsrecht. Dieser Entwurf verunsichert die Strafrechtspflege. Zudem machen Sie den zweiten Schritt vor dem ersten.
Viel wichtiger wäre es, uns im Augenblick zu überlegen: Wie können wir die Strafjustiz stärken, auch personell? Wie können wir sie digital fitmachen? Wie können wir die anstehende Pensionierungswelle durch neue Stellen bewältigen, damit die Strafrechtspflege auch in den nächsten Jahren personell gut ausgestattet ist?
Ihr Gesetzentwurf kommt nicht zur rechten Zeit und ist mit vielen Mängeln behaftet. Deswegen werden wir ihm nicht zustimmen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat das Wort Sonja Eichwede.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603967 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz |