17.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt 28

Thomas SeitzAfD - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! So verlockend sich manches Argument für das Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz auch anhören mag, ist doch sehr fraglich, ob die Qualität von Urteilen hierdurch verbessert wird. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass die Reform zum Teil Ausdruck eines tiefen Misstrauens gegenüber der Richterschaft ist. Die von der Praxis vorgebrachten Bedenken sind dabei nicht einfach ein Abwehrreflex, sondern haben Substanz.

In der Sachverständigenanhörung hat ein erfahrener Bundesanwalt die Sorge geäußert, dass die Wahrheitsfindung durch die Reform sogar gefährdet werde, weil gerade in Verfahren wegen Organisierter Kriminalität oder sexueller Gewalt Opfer und Zeugen vor vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben zurückschrecken könnten, weil sie einen Missbrauch ihrer Aussage durch Weitergabe oder gar Veröffentlichung der Aufzeichnung befürchten. Das an die beteiligten Rechtsanwälte gerichtete Verbot der Weitergabe von Aufzeichnungen an Angeklagte, Nebenkläger oder nebenklageberechtigte Verletzte wird jedenfalls in umfangreicheren Verfahren mit einer Vielzahl Verfahrensbeteiligter einfach leerlaufen.

Auch die Drohung mit dem Strafrecht mit der im Ausschuss per Änderungsantrag nachgeschobenen Ergänzung von § 353d StGB bewirkt keinen hinreichenden Schutz. Deutlich wurde dies vor Kurzem beim Durchstechen von dem Steuergeheimnis unterliegenden Aktenbestandteilen zum Nachteil des früheren Sprechers der Geschäftsführung der Degussa Goldhandel GmbH, Dr. Markus Krall, an die Presse. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat erst gar keine Ermittlungen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses aufgenommen mit der Begründung, dass als Täter neben diversen Behördenmitarbeitern auch über 30 Verteidiger, die Akteneinsicht erhalten haben, in Betracht kämen. In Großverfahren läuft das auf einen Freibrief zur Weitergabe von Aufzeichnungen hinaus.

(Beifall bei der AfD)

Die Öffnungsklausel für audiovisuelle Aufzeichnungen ist erst recht abzulehnen, da gerade audiovisuelle Aufzeichnungen, die noch stärker in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingreifen, besonders interessant für eine Veröffentlichung sind. Daneben droht auch eine Rückkehr zum strafprozessualen Flickenteppich aus der Zeit vor der Verabschiedung der Reichsjustizgesetze im Jahr 1877.

Neben weiteren rechtlichen Problemen befürchtet die justizielle Praxis vor allem eine erhebliche Mehrbelastung der Justiz auf allen Ebenen, also bei Richtern, Staatsanwälten und auch den Serviceeinheiten. Eine solche Mehrbelastung kann nicht aufgefangen werden, und zusätzliche Haushaltsmittel sind unrealistisch, solange Wirtschaftskrise und Inflation die Länderhaushalte ohnehin massiv bedrängen.

Bereits in der ersten Lesung habe ich angesichts der absehbaren technischen Umsetzungsprobleme und einer drohenden Überforderung der Justiz eine Aussetzung der Reform zugunsten einer mindestens fünfjährigen Erprobung an wenigen Pilotgerichten empfohlen. Auch heute noch wäre dies die bessere Lösung. Unsere Fraktion wird sich deshalb enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort Canan Bayram.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603969
Wahlperiode 20
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
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