Axel MüllerCDU/CSU - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Bayram, ich bemühe mich, der Schrift nach zu sprechen, damit Sie mich verstehen. Und wir haben hier Stenografen und kein Transkript.
Drei Punkte möchte ich in die Schlussberatung einbringen:
Erstens. „ Der Spiegel“ titelte: „Wenn Assads Spione in Deutschland anrufen“. Es geht um einen Staatsschutzprozess gegen einen mutmaßlichen syrischen Folterarzt. In Staatsschutzverfahren, in Verfahren gegen die Organisierte Kriminalität, in Sexualdeliktverfahren stehen die Zeugen unter einem enormen Belastungsdruck. Dieser Druck und die Angst vor Repressalien wird durch dieses Gesetz erhöht, wenn den Zeugen bei ihren Aussagen die zusätzliche Belastung einer Tonbandaufzeichnung auferlegt wird. Denn dass diese Aufzeichnungen und die damit verbundenen Transkripte in die falschen Hände geraten können, zeigt als Beispiel das Video von der Haftvorführung des Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten. Dieses Video ist immer noch rechtswidrig im Internet. Und es ist misslich, zu glauben, dass man mit einer Strafvorschrift wie § 353d StGB die Verbreitung verhindern könnte. Das Material gelangt ja nicht direkt dorthin, sondern in der Regel über Journalisten, und die können sich auf den Informantenschutz berufen. Die Strafprozessordnung erschwert damit die Aufklärung solcher Taten.
Vollständig an den Pranger gestellt werden Zeugen und Angeklagte allerdings, wenn sie, wie mit der Länderöffnungsklausel beabsichtigt, einer Videoaufzeichnung unterworfen werden. Das verletzt im Übrigen die Rechte aller Verfahrensbeteiligten, auch des Angeklagten, der Verteidiger, des Staatsanwalts und der Richterschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben selbst die von Ihnen, also von der Ampelkoalition, ins Rennen geschickten Sachverständigen so gesehen.
Zweitens. Das Gesetz wird zu einer erheblichen Mehrbelastung der Justiz und zu deutlichen Verfahrensverzögerungen führen. Mit prozessverschleppenden Anträgen werden Verteidiger die Verfahren torpedieren, um das Gericht für Verständigungsgespräche weichzuklopfen. Sie haben offensichtlich noch niemals eine Hauptverhandlung erlebt, in der konfliktreich verteidigt wurde.
(Sonja Eichwede [SPD]: Doch!)
Entgegen Ihren Behauptungen bringt das Transkript bei der laufenden Beweisaufnahme dem Gericht überhaupt keinen Vorteil. Der Richter muss aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung schöpfen. Er ist auf seine persönlichen Notizen weiterhin angewiesen, um beispielsweise Vorhaltungen machen zu können.
Und drittens. Das Revisionsverfahren bleibt nur noch auf dem Papier unangetastet. In Wirklichkeit schaffen Sie neue Angriffsmöglichkeiten mit der sogenannten Inbegriffsrüge auf der Grundlage des Transkripts. Sie liefern Material, das de facto das Revisionsgericht stärker belastet und immer weiter zu einer zusätzlichen Tatsachenüberprüfungsinstanz werden lässt.
Ihr gesetzgeberisches Handeln erklärt sich nur mit einem unbegründeten Misstrauen in die Arbeit und die Qualität der Strafjustiz. Daher schließen Sie sich mit Ihren Änderungsanträgen vollständig den Forderungen der Anwaltslobby an – vollständig! Sie haben jetzt sogar noch hineingeschrieben, dass das Transkript weitergegeben werden darf; das hatten Sie in der ursprünglichen Fassung nicht drin.
Ein Schlussgedanke sei aus meinen mehr als zwei Jahrzehnten strafrichterlicher Praxis noch erlaubt: Das Streben nach der objektiven Wahrheit wohnt jedem Strafprozess inne. Am Ende ist es aber die rein subjektive Überzeugungsbildung des erkennenden Richters, die zu einer Verurteilung führt. An der können Sie Gott sei Dank nicht rütteln.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603973 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz |