Sonja EichwedeSPD - Videokonferenztechnik Zivil- und Fachgerichtsbarkeit
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die ZPO und die Justiz müssen mit der Zeit gehen; sie wollen mit der Zeit gehen. Mit der Ampel gehen sie auch mit der Zeit. Das ist für die Akzeptanz unseres Rechtsstaats in unserer Bevölkerung wesentlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Videoverhandlungen sind spätestens seit der Coronapandemie für uns alle gelebter Alltag. Sie sind in vielen Situationen eine Bereicherung, so auch in der Justiz. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir die Möglichkeit der Videoverhandlung flexibilisieren.
Gleichzeitig hat eine Präsenzverhandlung bei Gericht einen Wert an sich. Deswegen ist es richtig, dass sie weiterhin der Normalfall bleibt; denn Bürgerinnen und Bürger erfahren den Rechtsstaat dort unmittelbar. Sie kommen mit diesem in Kontakt, und auch das ist sehr wichtig für das Vertrauen in den Rechtsstaat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Beides geht hier Hand in Hand. Es sind eben keine Gegensätze, Herr Plum. Wesentlich ist, dass der Rechtsstaat erfahrbar und erlebbar sein muss. Wesentlich ist, dass die Beteiligten das Gefühl haben, schnell zu einem guten Urteil zu kommen, egal ob in einer Videoverhandlung oder in einer Präsenzverhandlung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sind der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass der Regelfall die Präsenzverhandlung ist und dass im 21. Jahrhundert in geeigneten Fällen aber auch die entsprechende Flexibilisierung hinsichtlich der Frage der Videoverhandlung Berücksichtigung findet.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Ihr Gesetzentwurf sagt das Gegenteil!)
Wichtig war uns, dass die Entscheidung weit überwiegend bei den Richterinnen und Richtern verbleibt.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf regelt das Gegenteil!)
Deswegen haben wir in § 128a ZPO geregelt, dass zunächst nach der freien Würdigung des Gerichts festgestellt wird, ob die Verhandlung geeignet ist, als Videoverhandlung durchgeführt zu werden. In der Gesetzesbegründung sind Kriterien dafür genannt, wann dies der Fall oder wann dies auch nicht der Fall ist: Liegen die technischen Voraussetzungen vor? Stehen schwierige Vergleichsverhandlungen bevor? Gibt es Besonderheiten im Lebenssachverhalt oder der rechtlichen Würdigung? Wenn dieses Ergebnis positiv ist, kann das Gericht nach freiem Ermessen entscheiden, ob es eine Videoverhandlung gibt.
(Johannes Schraps [SPD]: Genau!)
Wenn insgesamt die Geeignetheit besteht und ein Antrag der Parteien vorliegt, dann soll eine Videoverhandlung durchgeführt werden, und das ist doch in der Sache auch richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Katrin Helling-Plahr [FDP])
Schließlich ist bei der Zivilgerichtsbarkeit das Verfahren ein Verfahren der Parteien.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])
Wichtig war uns darüber hinaus aber eben auch, dass über die Beweisaufnahme die Richterinnen und Richter nach freiem Ermessen entscheiden können; denn gerade die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung sind zentrale Elemente der richterlichen Tätigkeit. Das Gericht muss überzeugt werden, um ein entsprechend gutes und adäquates Urteil fällen zu können.
(Johannes Schraps [SPD]: Richtig!)
Zum anderen will ich noch betonen, dass für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit Sonderregelungen gelten müssen. Hier verbleibt die Entscheidung im freien Ermessen der Justiz, weil wir es mit besonders sensiblen Verfahrensgegenständen zu tun haben und dem persönlichen Kontakt zwischen den Verfahrensbeteiligten ein besonderes Gewicht zukommt. Deswegen ist das ausgenommen.
Zuletzt, Herr Plum, möchte ich noch ganz kurz auf die Regelungen zu Homeoffice-Urteilen eingehen, die ja in den letzten Tagen durch die Presse geisterten. Die Möglichkeit für die vollvirtuellen Verhandlungen ist im Gesetz auf die Fälle begrenzt, in denen die Richterin oder der Richter es eben angeordnet hat, dass keine Verfahrensbeteiligten zu Gericht kommen müssen. Dann ist es doch auch richtig, dass wir hier die Möglichkeit für vollvirtuelle Verhandlungen schaffen. Immer muss der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt bleiben. Das ist moderne Rechtspolitik. Das ist auch für die Akzeptanz unseres Rechtsstaats wichtig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Katrin Helling-Plahr [FDP])
Ich bin der Überzeugung, dass wir hier gemeinsam eine gute Lösung gefunden haben. Dafür möchte ich den Berichterstatterinnen und Berichterstattern und dem Bundesjustizministerium herzlich danken.
Sehr verehrter Herr Präsident, nach Ihrem Hinweis auf meine längere Redezeit und da wir in der Debatte über ein effizientes Verfahren sprechen, stelle ich gerne den Rest meiner Redezeit zur Verfügung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich finde das vorbildlich. – Nächster Redner ist der Kollege Fabian Jacobi, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604049 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Videokonferenztechnik Zivil- und Fachgerichtsbarkeit |