29.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt 4

Bernhard DaldrupSPD - Bericht zur ökobilanziellen Bewertung von Gebäuden

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bau- und Wohnungspolitik steht in Deutschland ja im Grunde genommen vor der Quadratur des Kreises. Auf der einen Seite ist der Gebäudebereich mit circa 40 Prozent der Bereich, der die meisten CO2-Emissionen in Deutschland verursacht. Sie müssen auf jeden Fall gesenkt werden. Andererseits müssen wir das Wohnungsangebot unbedingt ausweiten, um der Nachfrage und der Bezahlbarkeit von Wohnungen zu entsprechen, was wahrscheinlich zu mehr CO2-Emissionen führt. Wenn wir diesen Auftrag ernst nehmen, dann müssen wir auf allen Feldern der CO2-Reduktion tätig werden. Neben dem Energieverbrauch für Warmwasser, für Heizwärme müssen wir auch die verbauten, die sogenannten grauen Emissionen für den Bau sowie für möglichen Rückbau in Betracht ziehen.

Gebäude sind in Deutschland also ein Schlüssel auf dem Weg zur Klimaneutralität und zur Energiesicherheit. Im Gebäudebereich beschäftigen wir uns ja schon seit Jahren damit, wie wir die CO2-Emissionen am und im Gebäude und im Betrieb eines Gebäudes reduzieren können. Wir haben uns aber bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir die Treibhausgasemissionen insgesamt betrachten müssen, mithin den Einsatz grauer Energie, also der bereits vorhandenen, und die Lebenszykluskosten eines Gebäudes, also die komplexen Energie- und Stoffströme und ihre Wirkungen, von der Produktion der Materialien bis zu den Wegen ihrer Entsorgung.

Am Beispiel der Zement- und Betonindustrie will ich das verdeutlichen. Selbst wenn wir den Einsatz ihrer Produkte reduzieren: Sie bleiben am Ende unverzichtbar, und zwar sowohl für den Wohnungsbau als auch für andere Nutzungen, also Nichtwohngebäude: von der Fabrik bis zur Turnhalle. Wir müssen also die Materialien unbedingt CO2-ärmer machen, indem wir Anreize für CO2-ärmere Zemente schaffen, Kombiprodukte ermöglichen, Nachfrage erhöhen usw. Dazu brauchen wir Methoden zur ökobilanziellen Bewertung, quasi den ökologischen Rucksack von Produkten, um zu verstehen, wie viel Energie eigentlich ein Gebäude von der Produktion bis zum Abriss benötigt, kurzum: eine Betrachtung des Lebenszyklus.

Ich bedanke mich deshalb sehr bei den Ministerien, namentlich bei der Bauministerin, dass wir jetzt diesen Bericht vorliegen haben, der ja aus einem Auftrag des Gebäudeenergiegesetzes entstanden ist. Wer die Erläuterungen zu dem Bericht liest, der kann hoffnungsfroh sein, dass wir wirklich einen Schritt nach vorne machen können. Denn der Gedanke ist schon vielfach in anderen Regelwerken vorhanden. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, beim Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude, in EU-Regeln, beim Nachhaltigen Bundesbau, überall dort werden solche Fragestellungen schon beantwortet.

Ein klein wenig müssen wir natürlich bei der weiteren Einführung aufpassen. Weil das Thema nämlich sowohl technologisch als auch ökologisch anspruchsvoll ist, dürfen Zulassung, Nachfrage, Einsatz etc. nicht zu einem bürokratischen Hürdenlauf werden. Internationale Experten schlagen ja sogar vor, die Einführung verbindlicher Anforderungen zur Treibhausgasreduktion im Lebenszyklus von Gebäuden bereits bis 2025 zu finden. Das ist natürlich ein Zeitdruck, der unter Umständen den bürokratischen Verästelungen ein bisschen Einhalt gebieten könnte – wollen wir mal sehen.

Nachhaltige und klimafreundliche Baumaterialien und dazu ihre Produktionsprozesse sind aufgrund der geringeren Nachfrage eben auch noch höherpreisig. Deswegen müssen wir die Nachfrage nach Bauprodukten mit reduzierten Treibhausgasemissionen stimulieren, weil dadurch eben kostensenkende Effekte entstehen.

Positive Entwicklungen im Baugewerbe gibt es meiner Meinung nach schon zahlreich: Wir haben zertifizierten Holzbau; wir dämmen mit nachwachsenden Rohstoffen; wir haben Ziegel aus CO2-reduzierter Produktion. In den oberen Etagen eines aktuellen Hochhausbaus hier in Berlin wird ein CO2-reduzierter Beton zunächst berechnet, aber dann auch konkret verbaut.

Wie es in dem Bericht heißt – das darf ich zitieren –:

„Zahlreiche Studien haben bisher gezeigt, dass der zusätzliche Energieaufwand für eine bessere energetische Qualität in den allermeisten Fällen innerhalb weniger Jahre im Betrieb wieder eingespart wird.“

Deswegen wollen wir die Lebenszyklusanalyse im Bau- und Gebäudebereich verankern. Das ist zunächst aufwendig, in der Tat; aber Digitalisierung kann hier helfen. Andere europäische Länder wie Frankreich und Dänemark haben eine solche ökobilanzielle Bewertung bereits eingeführt; weitere Länder folgen. Und auch wir sollten diesen Technikvorsprung in Deutschland aufholen.

In der Zusammenfassung des Vorberichtes heißt es ja, es bestünde – Zitat – „grundsätzliches Interesse an einer Einführung der Lebenszyklusanalyse …“. Ich darf von unserer Seite aus sagen: Wenn die Regierung da optimistischer herangehen will, hat sie unsere Unterstützung.

Lassen Sie uns also gemeinsam den Weg gehen, um klimaschädliche Emissionen im Gebäudebereich sozusagen von der ersten bis zur letzten Schippe fernzuhalten! Damit wird niemand belastet, und mit dem Bericht sorgt die Bundesregierung für mehr Klarheit im Gebäudesektor. Dafür danken wir sehr.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Mechthild Heil ist jetzt die Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604169
Wahlperiode 20
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Bericht zur ökobilanziellen Bewertung von Gebäuden
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