Gerald UllrichFDP - Aktuelle Stunde: Industriestandort Ostdeutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu meinem Vorredner fehlen mir die Worte; dazu kann ich nicht viel sagen.
(Lachen bei der AfD)
Herr Müller, zu Ihnen möchte ich ein bisschen was sagen. Ich habe mich während Ihrer Rede gefragt, ob Sie eigentlich eine ostdeutsche Vergangenheit haben und woher diese Skepsis den Ostdeutschen gegenüber kommt. Da Sie immer wieder auf diese 16 guten Jahre abstellen,
(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die sehr guten Jahre! Das sind bessere Jahre als bei der Ampel!)
möchte ich Ihnen sagen, dass ohne die Agenda 2010 Sie diese Jahre nicht gehabt hätten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Diese Agenda hat Sie überrollt; diese Welle des Wohlstands hat Sie überrollt. 2015 hätten Sie sie beinahe vernichtet. Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Merz, hätte sie im März vorigen Jahres beinahe vernichtet. Er hatte nämlich gesagt, man solle die Leitungen mit russischem Gas sofort zudrehen. Das sind die Realitäten. Mit denen müssen Sie leben und fertigwerden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber zur Sache. Vermeintlich zum letzten Mal beantragt die Fraktion der Linken eine Aktuelle Stunde. Sie möchte ein Zeichen setzen und wählt als Thema die ostdeutsche Industrie. Das ist eigentlich ein gutes Thema. Aber es geht wieder vor allem darum, wie wir eben gehört haben, die Angst vor dem Abstieg zu bedienen. Sie machen wieder Stimmung, indem Sie behaupten, dass im Osten Investitionen ausbleiben, Arbeitsplätze wegfallen und die Lebensleistungen nicht anerkannt werden.
(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Sie haben nicht zugehört!)
Anstatt hier wieder die Ostdeutschen als Opfer vorzuschieben, würde ich Ihnen empfehlen: Setzen Sie doch mal ein Zeichen für die Marktwirtschaft. Das tun Sie nie. Aus Ihrer Fraktion höre ich meistens nur Anschuldigungen gegen Unternehmer und vor allem auch gegen Investoren. Und Sie schreien nach mehr Bürokratie und höheren Steuern. Damit – glauben Sie mir – locken Sie mit Sicherheit keine Investitionen in unser Land.
(Beifall bei der FDP – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Kein Wort davon! Sie haben mir nicht zugehört! Sie können es ja noch mal nachlesen!)
Eines ist zentral: Ein Industriestandort definiert sich nicht über die Subventionen, die dort ausgezahlt werden. Er definiert sich über Innovationen, er definiert sich über die Kreativität der Menschen, er definiert sich über ein System der Finanzierungsmöglichkeiten, und er definiert sich über ein attraktives Steuersystem.
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz hat den Bundesrat vergangene Woche passiert. Das ist ein wichtiges Zeichen für das Wachstum und vor allem für die Start-ups im ganzen Land. Das Wachstumschancengesetz ist im Bundesrat aber blockiert worden. Wo war hier denn Ihr Aufschrei, als es blockiert wurde? Wir haben nur gehört, dass Herr Ramelow ein wildes Geschrei im Bundesrat losgelassen hat und dieses Gesetz einfach nicht haben wollte. Da frage ich mich: Wie ist denn Ihre Meinung dazu?
(Zuruf des Abg. Sören Pellmann [DIE LINKE])
Ein Industriestandort definiert sich außerdem über eine wirtschaftsfreundliche Bürokratie, die wir zusammen mit den Unternehmen machen müssen. Da müssen wir nach Lösungen suchen. Wie Sie das in Ostdeutschland erreichen wollen, dazu haben Sie hier nichts gesagt.
Um auf das bekannte Beispiel der beiden Chipfabriken in Magdeburg und in Dresden einzugehen: Ich fand es von Anfang an falsch, dieses Geld als ostdeutsche Förderung zu bezeichnen. Es ist gut, dass diese Fabriken in Ostdeutschland gebaut werden; daran herrscht kein Zweifel. Natürlich wäre es schlechter, wenn sie woanders gebaut würden; sie sollen auch wirklich dahin. Aber sie dienen der europäischen Resilienz und der europäischen Unabhängigkeit in der Chipindustrie.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von dem Bau der Fabriken direkt profitieren vor allem die Zulieferer für die Maschinen und Anlagen, und die sitzen nun leider nicht in Ostdeutschland. Große Profiteure werden zum Beispiel die Firmen Zeiss oder Trumpf in Baden-Württemberg oder auch Siemens in Bayern sein. Deswegen sind diese Projekte aus meiner Sicht immer als gesamtdeutsche Projekte anzusehen und nicht als rein ostdeutsche Projekte.
Wie gesagt: Es ist gut, dass diese Fabriken dort gebaut werden. Aber so inhaltlich falsch es auch war, diese Projekte als rein ostdeutsche Projekte zu bewerben, so falsch ist es, dass man jetzt sagt: Wir nehmen den Ostdeutschen das Geld weg. – Das ist die Schlussfolgerung aus dem, was ich vorher gesagt habe. Das sage ich als jemand, der die Zeiten der politischen Wende wirklich miterlebt und auch die Versprechungen von damals gehört hat. Gerade in Ostdeutschland haben wir doch die Erfahrung gemacht, dass hochsubventionierte Industrien allein nicht zur Lösung führen können. Diesen Fehler haben wir im Osten schon einmal gemacht mit verheerenden Folgen. Bitte lassen Sie uns diesen Fehler nicht ein zweites Mal tun! Wenn Sie sich als Anwalt der Ostdeutschen positionieren wollen, können Sie doch nicht zum zweiten Mal diesen Weg beschreiten wollen, ohne dabei die Basis für ein Wirtschaftswachstum zu schaffen.
Ich kann auch nicht verstehen, warum auf einmal von der normalerweise amerikakritischen Linken immer wieder gesagt wird: Wir brauchen unendlich viele Subventionen, weil die USA das ja auch tun. – Zum einen sind viele der Subventionen Steuervergünstigungen, wie im Wachstumschancengesetz beschrieben, aber eben keine Kredite und keine Zuschüsse. Zum anderen ist es noch nicht heraus, dass die USA mit dem, was sie jetzt tun, auch recht haben; das werden wir in einigen Jahren sehen. Ich halte unseren Weg für wesentlich konsolidierter. Ich glaube, dass wir hier keinen schlechten Weg gehen.
Selbstverständlich müssen wir investieren. Es war falsch, die ostdeutsche Industrie besonders abhängig vom russischen Gas zu machen; das steht außer Frage. Wir haben im letzten Jahr häufig die Karten vom Gaspipelinenetz in Deutschland gesehen. Hier hat die Wiedervereinigung leider nicht stattgefunden. Hier sind Fehler gemacht worden; das ist ganz klar. Diese Fehler dürfen wir beim Wasserstoff nicht wieder machen.
Herr Kollege.
Wir müssen hier klar für den Ausbau der Kapazitäten einstehen.
Im letzten Satz möchte ich gerne noch einmal darauf hinweisen, dass es für den Osten ganz wesentlich ist, dass wir die industrienahen gemeinnützigen Forschungseinrichtungen weiter unterstützen –
Herr Kollege.
– und vom Besserstellungsverbot wegkommen.
Danke.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Christian Görke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 141 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Industriestandort Ostdeutschland |