Jana SchimkeCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Industriestandort Ostdeutschland
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schwenk in die USA wurde heute Nachmittag ja schon gemacht. Seien wir doch mal ehrlich: Dass sich im Moment so viele Unternehmen aus Deutschland dort umschauen und investieren, liegt ja nicht nur am Inflation Reduction Act.
(Carlos Kasper [SPD]: Na klar! – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
– Nein, nicht alle kommen in den Genuss dieser Förderung.
Ich sage Ihnen mal, woran es liegt – unterhalten Sie sich mal mit den Leuten –: Es liegt vor allem an dem Freiheits- und Aufstiegsversprechen, das dieses Land den Investoren gibt. Wenn Sie mit den Unternehmern reden, dann werden die Ihnen sagen, dass es sich inzwischen leider nicht mehr lohnt, in Deutschland zu investieren, und deswegen guckt man sich in anderen Ländern um. Da blutet einem wahrlich das Herz, erst recht, wenn man auf die neuen Bundesländer schaut, weil es nämlich genauso auch Unternehmerinnen und Unternehmer aus den ostdeutschen Bundesländern betrifft.
Wenn man den Osten verstehen will, dann muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir dort eine etwas andere Unternehmensstruktur als in den alten Ländern haben. Wir haben natürlich nicht so viel Industrie. Wir haben deutlich jüngere Unternehmen, die nicht mehr als 30 Jahre alt und maximal in der zweiten Generation sind. Wir haben einen großen Dienstleistungssektor in den neuen Bundesländern, und wir haben natürlich nicht so viel Eigenkapital. Das heißt, wenn sich eine Krise an die nächste reiht, dann wird irgendwann das Geld knapp, und dann ist man eben nicht mehr imstande, über die Runden zu kommen. Meine dringende Bitte wäre doch tatsächlich die, nicht immer nur in Leuchttürmen zu denken, sondern auch an die kleinen Unternehmen und an den Mittelstand zu denken, an die vielen Betriebe, die dort täglich ihre Arbeit machen und den Menschen Arbeit geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch das gehört zur wirtschaftspolitischen Realität dieses Landes und insbesondere auch der neuen Bundesländer dazu.
Wenn wir dann eben auf so eine katastrophale Energie- und Wirtschaftspolitik treffen wie in diesen Tagen, dann trifft es ganz, ganz viele Player, die wir alle mit Namen kennen, die entweder ganz aufgeben oder zumindest Stellen reduzieren wie Goodyear in Fürstenwalde, wie VW in Zwickau, wie die Firma Schaeffler in Luckenwalde, die in meinem Wahlkreis ein Werk mit 500 Beschäftigten abgebaut hat, wie Eschenbach Porzellan in Thüringen – das kennt man seit Langem –, wie die Lomma Sachsen GmbH aus Lommatzsch oder auch wie das Haba-Werk aus Eisleben in Sachsen-Anhalt; die produzieren Kindermöbel und Kinderspielzeug.
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Kein Ton dazu von der Ampel! Gut, dass wir das ins Protokoll nehmen! – Katrin Budde [SPD]: Das liegt aber an den Unternehmen und nicht an der Ampel!)
Ein sehr, sehr erfolgreicher Unternehmer sagte neulich zu mir: Die Stimmung bei uns Unternehmern ist so schlecht wie seit der Wende nicht mehr. – Und ein anderer sagte: Weißt du, wenn es deinem Unternehmen an den Kragen geht und du nicht mehr imstande bist, die Kosten zu stemmen, dann ist das, als wenn du ein Kind verlierst. Das ist die Bedeutung, die unser Lebenswerk, die unsere Firmen für uns tatsächlich haben. – Und dass in der SPD-Fraktion schon wieder nur gequatscht wird, wenn hier vorne geredet wird, zeigt einmal mehr, dass Sie von dem nichts verstehen, was Sie täglich machen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gerald Ullrich [FDP]: Ui, ui, ui! Als wenn es bei euch nicht so wäre!)
Die Erinnerungen an die Wendezeit nehmen tatsächlich wieder zu, nicht erst seit Corona. Die Arbeitsplätze gehen langsam verloren. Wir haben mit 7,2 Prozent eine höhere Arbeitslosenquote in den neuen Ländern als in den alten. Wir haben wieder Existenzängste, die dort ganz massiv vorhanden sind.
(Carlos Kasper [SPD]: Wie investieren wir denn jetzt?)
Wir sehen es alle im Straßenbild: Der Bäcker ist verschwunden, der Fleischer ist schon lange nicht mehr da, und auch das Restaurant wird künftig nicht mehr da sein, wenn die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent hochknallt.
(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder wenn wir die Fachkräfteeinwanderung ablehnen! – Carlos Kasper [SPD]: Was sind denn Ihre Vorschläge?)
Noch ein letzter Gedanke, weil ich nur noch eine Minute habe: Was beinhaltet der Bericht zur deutschen Einheit, den wir hier jährlich diskutieren und immer wieder genießen dürfen? Teil A – 26 Seiten –: Rente, Bürgergeld, Mindestlohn, Wohngeld, Ansiedlung von Bundeseinrichtungen. Teil B: Gleichstellung, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung, Ladeinfrastruktur, Klimaschutz, Umweltbewusstsein, Städtebauförderung und das Engagement. – Das ist alles wichtig. Aber wo wird denn das Geld verdient? In der Wirtschaft, und sie kommt mit den Wirtschaftsdaten an dritter Stelle.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lieber Herr Schneider, auch Sie sind aus dem Osten. Wir sind keine Bedürftigen, und wir sind auch kein Volk von Bittstellern. Wir sind ein Volk von Leistungsträgern, die eine schwere Krise schon hinter sich haben, die auch diese Krise sicherlich überstehen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es wäre sehr schön, wenn Sie auch das in Ihre Arbeit einfließen lassen würden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gar nicht überzeugend!)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Dr. Paula Piechotta.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 141 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Industriestandort Ostdeutschland |