30.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 141 / Tagesordnungspunkt 12

Tilman KubanCDU/CSU - Wirtschafts- und Sicherheitsbeziehungen mit China

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Geschäftsmodell der letzten Jahre war: Wir zahlen wenig für unsere Sicherheit und vertrauen auf die Amerikaner. Wir zahlen wenig für unsere Energie und vertrauen auf günstiges Öl und Gas aus Russland. Und wir vertrauen auf den chinesischen Absatzmarkt für unsere Produkte und Dienstleistungen und gehen dabei gleichzeitig nachlässig mit unseren Geschäftsgeheimnissen um. Das hat über viele Jahre gut funktioniert und für den extremen Wohlstand hier, von dem wir heute leben, gesorgt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar des letzten Jahres wissen wir alle: Die Welt ist heute eine andere. Wir dürfen uns nie wieder so abhängig von einzelnen Ländern machen. Denn Zeitenwende heißt: Die Zeit der Naivität muss vorbei sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viel zu lange haben deutsche Politikergenerationen China belächelt: Die können doch nur unsere Produkte kopieren, dann lasst denen doch ein paar Anteile am Hafen. Wir verkaufen doch unsere Maschinen dort gut, dann lasst sie doch ein bisschen digitale Infrastruktur hier bauen. – Und beim Projekt Seidenstraße hat wahrscheinlich so mancher von Karl May geträumt und gedacht: Jetzt kommen die Karawanen mit Kamelen aus dem Orient. – Aufgewacht sind wir in einer knallharten wirtschaftlichen Auseinandersetzung und einem politischen Systemkonflikt zwischen Demokratie und Autokratie.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie vielleicht! Wir sind gar nicht erst eingeschlafen!)

Das ist die Wahrheit, über die wir heute sprechen.

Ein Paradebeispiel dafür ist die deutsche Automobilindustrie, viele Jahre größter Profiteur des chinesischen Marktes. Heute haben die Chinesen mit ihrer Marktmacht die Hersteller darauf getrimmt, alles auf das Elektroauto zu setzen und den Verbrenner kaputtzumachen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie doch!)

Gleichzeitig haben sie sich die Rohstoffe für die Batterien in der Welt gesichert. Und heute erklären sie uns: Den Verbrenner können wir nicht bauen; aber das E-Auto können wir ganz gut selber machen. – Die Absatzzahlen in China sprechen da eine deutliche Sprache. War Volkswagen vor einigen Jahren noch auf Platz eins der meistverkauften Autos, ist heute kein einziger deutscher Hersteller mehr in den Top Ten der dort verkauften Autos. Auch in Europa fluten chinesische Hersteller den Markt und greifen dabei gleichzeitig noch all unsere Daten ab. Das kann und darf nicht das neue Geschäftsmodell Deutschlands sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schauen wir mal über den Tellerrand hinaus! Australien ist 2018 knallhart in eine Konfrontation mit China gegangen. Sie haben chinesische Konzerne aus dem 5-G-Netz geworfen und jegliche Sicherheitstechnik chinesischer Hersteller aus Ministerien entfernt. Sie kauften sogar atomgetriebene U-Boote, die gegen China gerichtet werden können, und haben am Ende sogar chinesische Strafzölle von über 200 Prozent auf australischen Wein einfach ausgesessen. Das Ergebnis: China ist in Australien angekrochen gekommen. Das gleiche Bild übrigens in Litauen. Dort hat man erst vorgestern den langjährigen Handelsstreit beendet, obwohl sich Litauen immer klar auf die Seite Taiwans gestellt hat. – Diese Länder haben gezeigt: Man begegnet Diktatoren nicht mit Angst, sondern mit Stärke und mit Selbstbewusstsein. Deshalb, lieber Herr Bundeskanzler, verscherbelt man nicht einfach so Anteile am Hamburger Hafen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)

Unsere Strategie ist klar: Wir wollen Kooperation, wo es möglich ist, und wir brauchen Konfrontation, wo es nötig ist. Das bedeutet De-Risking ohne Angst. China hat einen klaren Matchplan. Aber die Frage ist, ob wir ihnen das Spiel nach ihren Regeln überlassen oder auch manches Mal dazwischengrätschen.

Dafür machen wir heute einen sehr konkreten Vorschlag.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Wir gründen einen Arbeitskreis!)

Wir wollen die Einsetzung einer Kommission für einen China-Check, um in einem parteiübergreifenden Gremium schonungslos die Gefahren auf den Tisch zu legen, sie mit Experten zu analysieren und kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen. Ich sage es Ihnen offen und ehrlich: Ich bin kein großer Fan davon, stets neue Gremien zu gründen. Aber an dieser Stelle geht es darum, zu sensibilisieren, statt zu verbieten, und jeden Einzelfall sehr genau zu betrachten. Genau das machen übrigens auch unsere amerikanischen Freunde. Denn es ist und bleibt ein Unterschied, ob von deutschen Unternehmen in China in ein Geschäftsmodell investiert wird, das allein auf den chinesischen Absatzmarkt aus ist, oder ob in ein Geschäftsmodell investiert wird, das auf Produkte in einer Lieferkette mit dem europäischen Markt aus ist. Am Ende wird es unsere Aufgabe sein, sich jeden Einzelfall genau anzugucken.

Sie haben eine China-Strategie vorgelegt, liebe Kollegen. Wir haben unsere Eckpfeiler präsentiert. Wir reichen Ihnen heute die Hand. Jetzt ist es Zeit, eine große Geschlossenheit an den Tag zu legen und eine Strategie zu entwickeln, die über die Ampelzeit hinausreicht. Dafür sind wir bereit.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat Esra Limbacher für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

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Electoral Period 20
Session 141
Agenda Item Wirtschafts- und Sicherheitsbeziehungen mit China
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