Dennis RohdeSPD - Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Antrag Art. 115 II GG
Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Middelberg, wenn das eine Rede gewesen sein sollte, die Zuversicht ausstrahlt, möchte ich nicht wissen, wie Ihre gegenteiligen Reden aussehen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Natürlich hat das Karlsruher Urteil einiges durcheinandergeworfen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es hat alles durcheinandergeworfen!)
Aber ich möchte feststellen: Es hat uns nicht umgeworfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dieses Urteil betrifft, wie ich finde – das sehen wir, wenn wir in Gänze darüber diskutieren –, eben nicht nur den Bund. Es betrifft auch viele Länder, und es ist ja nicht ohne Grund gerade auch in vielen CDU-geführten Ländern in der Debatte, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, weil eben nicht nur der Bund, sondern weil auch Bundesländer – auch CDU-geführte Bundesländer – betroffen sind.
Wenn man sich dann anguckt, wie man als Opposition mit der Verantwortung, das zu begleiten, umgeht, dann kann man das so machen, oder man kann es wie die Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein machen,
(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
die den Weg von Daniel Günther ausdrücklich mitgehen und sagen: In einer Krise muss man zusammenstehen.
(Zuruf von der SPD: Genau!)
Ich finde, der Weg ist der beste, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Katja Mast [SPD]: Konstruktive Opposition!)
Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine Aufgabe gegeben,
(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, uns nicht!)
hat uns gesagt, dass die bisherige Logik, wie wir Krisen bekämpfen wollten, nicht mit der Verfassung konform ist. Unsere bisherige Logik war: Wenn du eine Naturkatastrophe hast und der Wiederaufbau nach dieser Naturkatastrophe zum Beispiel 100 Milliarden Euro kostet, dann nimmst du das Jahr der Naturkatastrophe, setzt in dem Jahr der Naturkatastrophe die Schuldenbremse aus und stellst das Geld zum Wiederaufbau in dem Jahr zur Verfügung, eben auch, um Planungssicherheit herzustellen.
Das dürfen wir jetzt nicht mehr. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Wenn ihr für den Wiederaufbau nach einer Naturkatastrophe zum Beispiel 100 Milliarden Euro braucht, dann müsst ihr Jahr für Jahr für Jahr erneut darüber entscheiden.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Das ist die Konsequenz des Karlsruher Urteils. Die nehmen wir ernst, und die setzen wir heute um, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich will sagen: Karlsruhe hat über die Art und Weise, wie wir Schulden verbuchen, geurteilt. Es hat aber ausdrücklich nicht über das geurteilt, was wir in diesem Jahr gemacht haben. Und ich will das noch mal deutlich machen: Wir sind ja 2022 auch ein Risiko eingegangen, als wir weitreichende Sanktionen gegen Russland ausgesprochen haben und wir uns damit mittelbar von billiger russischer Energie losgemacht haben. Aber wir haben das aus der tiefen Überzeugung getan, dass wir dem unbändigen Hunger des russischen Aggressors entgegentreten mussten, liebe Kolleginnen und Kollegen; ich möchte daran noch mal erinnern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das hatte natürlich Folgen für die Art und Weise, wie wir leben und wie wir heizen. Und manche in diesem Haus hofften ja auf einen Wutwinter. Sie hofften auf explodierende Preise, auf kalte Temperaturen. Sie hofften auf die Deindustrialisierung, und zwar nicht, weil sie sie fürchteten, sondern weil sie sie für ihre politische Agenda herbeisehnten. Und zur Wahrheit gehört: Hier gab es Leute, die auf Blackouts hofften. Aber während die hofften, hat diese Koalition Gasspeicher gefüllt und LNG-Terminals in Rekordtempo Realität werden lassen. Das war unsere Antwort auf die Krise, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es war diese Koalition, es waren die sie tragenden Fraktionen, die den Menschen in diesem Land Sicherheit gaben, als viel Unsicherheit das Land prägte. Als der Winter kälter wurde und das Heizen zum Luxusgut zu werden drohte, war es die Gaspreisbremse, die das Heizen in Deutschland bezahlbar hielt. Es war die Gaspreisbremse, die ein ganzes Land durch den Winter brachte, einen Winter, dem viele mit Furcht entgegengesehen haben, aber den wir gemeinsam gemeistert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als die Strompreisexplosion private Haushalte und die Industrie in die Knie zu zwingen drohte, war es die Strompreisbremse, die dieses Land dank erträglicher Preise am Laufen hielt. Wir retteten Unternehmen und Arbeitsplätze, und wir halfen Privathaushalten.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Das haben wir im Jahr 2023 gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich bleibe dabei: Diese Maßnahmen – sie waren richtig, und sie sind richtig. Und darum ist der einzig vernünftige Weg im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sie heute auch neu zu legitimieren. Und das tun wir, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und weil gerade von meinem Vorredner – wahrscheinlich in Unkenntnis unseres 115er-Antrags – davon gesprochen wurde, es gehe einzig und allein um den WSF: Nein, es geht auch darum, weiter Sorge dafür zu tragen, dass im Ahrtal der Wiederaufbau vorankommt; denn darüber entscheiden wir heute auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Bundesverfassungsgericht hat – das will ich auch noch mal deutlich machen – die Art und Weise der Buchung von Schulden beanstandet. Aber es hat eben nicht die Bekämpfung von Krisen beanstandet. Und deshalb, finde ich, muss man in so einer Debatte auch sagen: Kommt die nächste Naturkatastrophe, kommt dieses Land in die nächste große Krise, dann kann dieser Staat auch wieder für seine Bürgerinnen und Bürger da sein. Und diese Koalition wird sicherstellen, dass der Staat dann da ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir hätten heute, in diesem Moment, in der Schlussrunde zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts sein können. In der Sachverständigenanhörung wurden uns auch Wege aufgezeigt, heute einen Bundeshaushalt verabschieden zu können. Wir haben uns in der Koalition aber dafür entschieden, diese zweite und dritte Lesung diese Woche nicht stattfinden zu lassen, damit auch die Opposition die Möglichkeit hat, sich intensiv mit dem Urteil auseinanderzusetzen. Damit wir nicht nur einen Haushalt auf den Weg bringen, von dem wir wissen, dass wir eventuell noch mal nachbessern, sondern damit wir den Gesamtkomplex des Urteils aufarbeiten. Ich finde, das ist der richtige Weg.
Ich will aber noch einmal sagen: Ich glaube, die Institutionen in diesem Land, die von Geldern abhängig sind, brauchen Planungssicherheit. Und deshalb ist es nach wie vor Position der SPD, dass wir so schnell wie möglich zu einem Bundeshaushalt kommen müssen. Das sind wir den Menschen in diesem Land schuldig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Peter Boehringer.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604530 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 142 |
Tagesordnungspunkt | Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Antrag Art. 115 II GG |