Martin GersterSPD - Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Antrag Art. 115 II GG
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute und auch im Laufe dieser Woche hier schon öfters gesagt worden: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November ist eine riesige Herausforderung: für die Bundesregierung, natürlich für uns als Regierungsfraktionen, aber auch für Länder und Kommunen, für unsere Wirtschaft, für unsere gesamte Gesellschaft und – nicht zu vergessen – früher oder später wahrscheinlich auch für jene, die geklagt haben, die seit Tagen mit Schadenfreude unterwegs sind und meinen, dass sie mit dieser Klage, mit diesem Schachzug bald selbst wieder an die Regierung kommen. Ich sage: Wenn CDU und CSU sich da mal nicht zu früh freuen!
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Urteil wird von uns akzeptiert. Es setzt klare Leitplanken für Haushaltspolitik, engere Leitplanken, als viele – auch Experten – erwartet haben. Und ja, wir müssen unsere Haushaltspolitik neu ordnen, neu tarieren, anders ausbalancieren. Heute, zwei Wochen nach dem Urteil, erreicht ein Nachtragshaushalt der Bundesregierung für 2023 den Bundestag zur Beratung – ein erster Schritt zur Umsetzung des Urteils, ein wichtiger Schritt. Wir stellen für dieses Jahr eine Notlage fest – zu Recht, wie ich meine.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben wir als Ampelkoalition in den letzten Monaten schon alles bewältigen müssen? Die wirtschaftlichen und sozialen Nachwirkungen der Pandemie, ein bis heute andauernder Angriffskrieg in Europa, mit unvorstellbarem Leid und Schrecken verbunden, aber auch mit gravierenden Auswirkungen für uns in Deutschland. Dazu der fürchterliche Angriff auf Menschen in Israel mit Auswirkungen auch in Deutschland und der Gefahr, dass dieser Konflikt weiter eskaliert.
Wir haben über 1 Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine organisiert – konsequent, aber immer mit Augenmaß –, in der Energiekrise die Versorgung gesichert und bezahlbar gehalten, für unsere Industrie ebenso wie für die Heizungen der Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich finde, das war richtig, und das hat das Bundesverfassungsgericht ja inhaltlich auch überhaupt nicht beanstandet. Trotzdem ist das Urteil zweifelsohne eine große Herausforderung für unseren Haushalt. Aber ich bin mir sicher – wenn man die letzten Monate noch mal Revue passieren lässt, erkennt man das –: Die Ampel kann Krisenbewältigung und wird auch diese Herausforderung am Ende meistern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich hier schon irritiert, ist die siegestrunkene Stimmung in der Union.
(Katja Mast [SPD]: Gut, dass es jemand sagt! – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wo war die denn?)
Denn das Urteil und die daraufhin erforderlichen Entscheidungen ziehen ja eine immense Unsicherheit nach sich, die nicht die Ampel, die nicht die Regierung oder die Abgeordneten betrifft, sondern in allererster Linie ja die Menschen in unserem Land:
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, weil Sie die Verfassung gebrochen haben! Machen Sie doch keine Täter-Opfer-Umkehr!)
Unternehmen wollen wissen, ob Förderbescheide in diesem Jahr noch gelten. Familien sind unsicher, welche Unterstützung es für Investitionen noch gibt. Und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister fragen, wie sich das Urteil denn nun auf Förderprogramme für Kommunen auswirkt.
Die Einbringung des Nachtragshaushalts heute zeigt, dass wir handlungsfähig sind. Lieber Christian Haase, ich glaube, ganz ähnliche Fragen müssen auch Ihre Parteifreunde von CDU und CSU beantworten, zum Beispiel in den Ländern, da dort ja zum Teil ähnliche Probleme bestehen. Und ich erwarte, ehrlich gesagt, von der Union schon ein bisschen mehr als den pauschalen Aufruf zum Sparen oder auch den pauschalen Aufruf, im Sozialbereich zu kürzen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was haben wir zum Heizungsgesetz gesagt?)
Ich habe den Eindruck, lieber Christian Haase, dass die Kommunen erwarten, dass wir jetzt nicht massiv sparen, sondern dass wir jetzt die Weichen stellen für wichtige Investitionen in Klimaschutz und zur Bewältigung der schwierigeren Transformation in unserer Wirtschaft und in unserer Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, das macht mehr Spaß als Sparen! Schon klar!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle ganz klar sagen, was mir bei diesem Entwurf ganz besonders am Herzen liegt. Der Nachtragshaushalt für 2023 stellt jetzt auch sicher, dass der Wiederaufbau an der Ahr und an der Rur weiter vom Bund mitfinanziert werden kann. Das ist keine Nebelkerze, lieber Florian Oßner.
(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Ja!)
Ich glaube, diese Wortwahl wird Ihnen noch schwer auf die Füße fallen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist, ehrlich gesagt, eine Frechheit gegenüber den Menschen im Ahrtal; denn die erwarten doch zu Recht, dass wir sie nach dieser Flutkatastrophe unterstützen und hier im Bundestag die Weichen entsprechend stellen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, natürlich! Aber das schreibt man in den Haushalt rein! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ampel handelt schnell, gründlich und entschieden. Der jetzt vorliegende Nachtragshaushalt ist richtig und gut. Das verdient Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604544 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 142 |
Tagesordnungspunkt | Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Antrag Art. 115 II GG |