Esther DilcherSPD - Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf der AfD hat sich der Deutsche Bundestag bereits unter der Drucksache 19/2469 am Donnerstag, den 7. Juni 2018, beschäftigt. Geändert hat sich lediglich die Drucksachennummer,
(Stephan Brandner [AfD]: Zwischendurch war auch noch Bundestagswahl! Neues Spiel, neues Glück!)
und die Begründung wurde um den Pkw-Maut-Sachverhalt erweitert. Abgeschrieben hatten Sie diesen Gesetzentwurf seinerzeit aus dem Gutachten des Strafrechtsprofessors Schünemann. Sie hatten gesagt, Sie hätten sich seine Vorschläge zu eigen gemacht. Ich sehe da keinen Unterschied.
(Stephan Brandner [AfD]: Genau, das ist nichts Neues! Das hat der Kollege Seitz selber erwähnt!)
Bekommen Sie eigentlich Mengenrabatt, wenn Sie diesen Gesetzentwurf immer wieder aus der Schublade ziehen?
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN und der Abg. Catarina dos Santos-Wintz [CDU/CSU] – Karsten Hilse [AfD]: Nee! Aber Sie ändern ja nichts! – Zuruf des Abg. Thomas Seitz [AfD])
Sie zitieren die Bugwellenentscheidung des BGH aus dem Jahre 1997 in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf, stellen sie aber in einem völlig falschen Kontext dar.
(Axel Müller [CDU/CSU]: Ja, genau! – Dr. Thorsten Lieb [FDP]: So ist es!)
Zur Einordnung für alle, die die Entscheidung nicht kennen: Damals waren der Intendant und der Verwaltungsdirektor des Staatstheaters Stuttgart angeklagt wegen Untreue gemäß § 266 StGB. Der Intendant hatte für notwendige Zahlungen den Haushalt des Staatstheaters überschritten. Das Land Baden-Württemberg hat dann durch einen Nachtragshaushalt dieses Defizit – sogar ohne Kreditaufnahme – wieder ausgeglichen.
Der BGH hat zu diesem Vorfall festgestellt, dass eine Haushaltsüberschreitung – die haben also mehr Geld ausgegeben, als eigentlich ursprünglich geplant war – bei einem zweckmäßigen Mitteleinsatz nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Der BGH hat also damals nur festgestellt, dass dieser Sachverhalt, wenn eine zweckmäßige Mittelverwendung vorliegt, eben nicht zur Beurteilung als Haushaltsuntreue führt.
Den Straftatbestand der Untreue selbst gibt es aber weiterhin; das hat der Kollege Seitz ja auch schon gesagt.
(Stephan Brandner [AfD]: Da hat er recht gehabt! Ist ja schön, dass Sie mal zustimmen!)
§ 266 StGB wurde durch dieses Urteil keineswegs abgeschafft. Er lautet:
„Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt“
– und dann kommt etwas dazu; es muss nämlich ein weiteres Merkmal vorliegen, damit man verurteilt werden kann –
„und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe … bestraft.“
Das war bei dem Intendanten und dem Verwaltungsdirektor nicht der Fall, weil sie dem Staatstheater ja eben gerade keinen Nachteil zugefügt haben, sondern notwendige Zahlungen geleistet haben.
Mit dem Gesetzentwurf gaukeln Sie aber den Menschen vor, Haushaltsuntreue sei gar nicht mehr strafbar.
(Stephan Brandner [AfD]: Das hat der Kollege Seitz nicht gesagt! – Karsten Hilse [AfD]: Das hat der Herr Seitz nicht gesagt!)
Das ist und bleibt eine falsche Information. Blicken Sie einmal selbst in Ihren Gesetzentwurf!
(Stephan Brandner [AfD]: Er hat gesagt, der bisherige Tatbestand wäre viel zu eng!)
– Sie können hier noch zehn Minuten, noch eine halbe Stunde von der Seite rumsabbeln.
(Stephan Brandner [AfD]: Ja, Frau Dilcher, erzählen Sie doch mal was Substanzielles!)
Sie könnten sich aber auch zu Wort melden; Sie könnten selber dazu reden.
(Stephan Brandner [AfD]: Nee, darf ich ja nicht! Hat die Präsidentin verboten! – Gegenruf des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD]: Wieder keine Redezeit bekommen?)
– Sie könnten selber dazu reden. Das müssen Sie mit Ihrer Fraktion absprechen.
Blicken Sie doch einmal selbst in Ihren Gesetzentwurf! Sie nehmen Bezug auf Vorfälle, die von Bundes- und Landesrechnungshöfen sowie dem Steuerzahlerbund beanstandet werden. Sie können sicher sein, dass es da viele Fälle gibt, die auch uns nicht besonders gut gefallen,
(Stephan Brandner [AfD]: Was machen Sie dagegen?)
in denen viel zu viel Geld ausgegeben wird oder eben Kosten explodieren. Gerade für solche Fälle haben wir aber Mittel und Wege, um Sanktionen auszusprechen: Es gibt unser Disziplinarrecht,
(Axel Müller [CDU/CSU]: Damit kennt sich der Herr Seitz aus, mit dem Disziplinarrecht!)
es gibt Amtshaftungsansprüche und den bestehenden Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB. Als Parlament haben wir aber auch noch den Rechnungsprüfungsausschuss, um Regierungshandeln zu kontrollieren und eine Verwendung von Steuergeld entsprechend dem Haushaltsgesetz zu gewährleisten.
Seien Sie doch mal ehrlich: Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf etwas ganz anderes erreichen.
(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie mal!)
Sie bezeichnen nämlich politische Entscheidungen, die nicht in Ihre politische Agenda passen, als Steuerverschwendung und wollen diese politischen Entscheidungen unter Strafe stellen.
(Stephan Brandner [AfD]: Ist ja häufig der Fall! Da haben Sie recht!)
Frau Weidel hat das am Dienstag hier in der Aussprache zur Regierungserklärung auch wieder bekräftigt – das ist so typisch für Sie –, und auch Herr Seitz hat das ja so vorgetragen: keine Aufnahme und kein Geld für Geflüchtete in Deutschland, kein Geld ins Ausland für Entwicklungshilfe, keine Investitionen in Klimaschutz und erneuerbare Energien,
(Beifall des Abg. Karsten Hilse [AfD] – Stephan Brandner [AfD]: Das hört sich gut an!)
keine Investitionen in unseren Sozialstaat für Menschen, die nicht in der Lage sind, für ihren angemessenen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. – Das hört sich auch gut an, nicht?
Wenn sie nicht für ihren angemessenen Lebensunterhalt sorgen können, dann ist es aus Ihrer Sicht Steuerverschwendung, wenn wir diese Menschen unterstützen.
(Karsten Hilse [AfD]: Nur, wer nicht will, aber könnte!)
Erklären Sie das mal bitte den Menschen da draußen, die Sie vielleicht auch wählen.
Letztendlich haben Ihnen auch die Mittel, die wir den Unternehmen in der Coronakrise gezahlt haben, um diese zu unterstützen, nicht in den Kram gepasst. Auch das war aus Ihrer Sicht Steuerverschwendung.
(Stephan Brandner [AfD]: Die Krise haben Sie doch geschaffen!)
– Aber aus Ihrer Sicht ist es immer noch Steuerverschwendung, Herr Brandner.
Seien Sie mal ehrlich: Das ist Ihre politische Bewertung von Steuerverschwendung, die Sie unter Strafe gestellt haben wollen. Mit uns Sozialdemokraten wird das nicht passieren;
(Stephan Brandner [AfD]: Das macht nichts!)
mit der Ampelkoalition auch nicht. Im Übrigen sollten Sie überlegen, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– ob Sie in Ihren Katalog der Steuerverschwendung auch die Beschäftigung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit aufgewärmten Gesetzentwürfen der AfD aufnehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Thorsten Lieb [FDP])
Frau Kollegin.
Ich betrachte das sogar als Diebstahl. Sie stehlen uns damit kostbare Zeit.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ingmar Jung für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Es kann nur besser werden! Ich bin gespannt!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604589 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 142 |
Tagesordnungspunkt | Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel |