01.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 142 / Zusatzpunkt 11

Frank Müller-RosentrittFDP - Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im Jahre 1994 der damalige russische Präsident Boris Jelzin gemeinsam mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl hier am Brandenburger Tor die letzten Soldaten verabschiedet hat, war es für viele von uns völlig außerhalb der Vorstellungskraft, dass Russland ein Vierteljahrhundert später ein europäisches Land überfällt und mit unfassbarem Terror und hunderttausendfachem Tod überzieht.

Nur wenige Jahre zuvor, im Oktober 1989, hatte der damalige französische Präsident und Visionär François Mitterrand erstmals die Idee einer europäischen Bank, mitten in einer Zeit, in der zahlreiche geschlossene Gesellschaften sich durch den unfassbaren Mut ihrer Bürgerinnen und Bürger auf den Weg in die Freiheit machten. Um die Handlungsfähigkeit Europas in diesen wirtschafts- und gesellschaftspolitisch enorm herausfordernden Zeiten zu gewährleisten, vergingen seit der Idee Mitterrands bis zur Eröffnung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung im April 1991 gerade einmal 18 Monate. Unfassbar, wenn man bedenkt, wie lange wir heute allein für eine Baugenehmigung oder für die Ausstellung eines Förderbescheides, zum Beispiel für nationale Wasserstoffzentren, benötigen.

Mit dem klaren Ziel, den Privatsektor als wichtigsten Motor des Wandels zu stärken, etablierte sich die Bank als Expertin für den Übergang zum freien Markt. Sie war stark in die Reform von Banken und Finanzsystemen, die Preisliberalisierung, die Privatisierung und die Schaffung angemessener Preisrahmen involviert und begleitete Investitionen in die öffentlichen und privaten Sektoren. Dort – und das ist das Wichtigste –, wo inländisches Kapital nicht ausreichte, um die Transformation zu finanzieren, half und hilft die Bank, externes Kapital aus privaten und öffentlichen Quellen zu mobilisieren.

Eines der Hauptziele der Bank war und ist es auch noch heute, das Unternehmertum zu fördern und dadurch das Leben der Menschen positiv zu verändern. Heute kann Deutschland in vielen Fällen von den mittel- und osteuropäischen Ländern lernen, den Ländern, die enorm von dieser Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gelernt haben. Wir können extrem davon profitieren. Kein Staat und keine Verwaltung ist heute besser digitalisiert als die von Estland. Beim konsequenten Umarmen von Wertepartnern wie Israel oder Taiwan können wir uns heute von Tschechien eine gehörige Scheibe abschneiden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch nun stehen wir vor der Ratifizierung der Erweiterung des Mandates der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Über den bisherigen Kreis hinaus sollen nun auch Projekte in Benin, Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Nigeria, Senegal und im Irak finanziert werden. Dies ist ein dringend notwendiger Schritt für eine bessere Entwicklung in diesen Regionen, um den Menschen vor Ort eine Perspektive in Freiheit und wirtschaftlicher Prosperität zu ermöglichen; denn die Kosten für die Alimentierung Geflüchteter in Deutschland und der EU sind doch um ein Vielfaches höher als die Kosten für die Unterstützung der Menschen vor Ort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das hat einen ganz liberalen Nebeneffekt: Sie haben die Chance auf ein mündiges und selbstbestimmtes Leben in finanzieller Freiheit. Ich möchte bei dieser Gelegenheit einen Gedanken aus einer Rede des von mir hochgeschätzten entwicklungspolitischen Experten, Till Mansmann, noch einmal aufgreifen. Er sagte einst: Eine erfolgreich wachsende Wirtschaft stellt die nachhaltigste Entwicklungsfinanzierung überhaupt da; denn nur unternehmerische Aktivität schafft Arbeitsplätze und damit Perspektiven. – Besser als Herr Mansmann kann man es nicht sagen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, diese Länder im Erweiterungskreis stehen vor enormen Herausforderungen: Neben klugen Anpassungsmaßnahmen als Folge des Klimawandels sind es vor allen Dingen solche ökonomischer Art. Meine Damen und Herren, eines ist klar: Es gibt kein besseres und vor allen Dingen kein kostengünstigeres Vehikel, als mit Mitteln der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung private Finanzierungsmöglichkeiten und Investitionen zu erleichtern und – das ist die Wahrheit – in den meisten Fällen durch eine Beteiligung dieser Bank überhaupt erst zu ermöglichen.

Erlauben Sie mir einen letzten Hinweis zur Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung aufgrund der aktuellen Situation in Israel und Gaza. Als einzige unter den Entwicklungsbanken verfügt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung über ein politisches Mandat, wonach sie nur in Ländern arbeitet, die sich – ich zitiere – „zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der Marktwirtschaft bekennen und diese anwenden“. Meine Damen und Herren, wir wissen, dass dies in Gaza und im Westjordanland definitiv nicht der Fall ist. Deshalb sollte die Bank alle Projekte dort beenden, da sie im krassen Widerspruch zum politischen Mandat stehen. Das Geld ist, glaube ich, beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur in Israel besser aufgehoben.

Trotzdem steht die Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in klarem Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Sie folgt der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Sie ist die Antwort der Europäischen Union, um Kriege zu bekämpfen, Krisen vorzubeugen, Fluchtursachen zu reduzieren und Perspektiven vor Ort zu schaffen. Ich darf Sie daher höflichst um Ihre Zustimmung zur Ratifizierung am heutigen Freitagmittag bitten.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604602
Wahlperiode 20
Sitzung 142
Tagesordnungspunkt Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
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