01.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 142 / Zusatzpunkt 12

Sebastian FiedlerSPD - Handlungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war etwas unterkomplex.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich versuche, das ein bisschen einzusortieren. Die Saarbrücker Agenda, die genannt worden ist, muss in der Erzählung am Anfang kommen. In der Tat war es 2016 eine gute Entscheidung zwischen Bund und Ländern, die wirklich vollkommen verrückt entstandene IT-Infrastruktur der Polizeien zu konsolidieren. Das ist – das kann man ohne Übertreibung sagen – ein Jahrhundertprojekt, das gerade angestoßen wird.

(Manuel Höferlin [FDP]: Ja, so ist es!)

Herr Oppelt, wenn Sie Eigenanwendungen diskreditieren, dann ist das eine bloße Unverschämtheit all denjenigen gegenüber, die sich da seit vielen Jahren engagieren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Denn das ist das bedeutendste Projekt, das man am Anfang erklären muss.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Noch historischer als die letzte Ministerpräsidentenkonferenz!)

Sie können nicht einfach eine Software in den Mittelpunkt der Gespräche stellen, ohne die Rahmenbedingungen zu erläutern; die sind wichtig und wesentlich für das Verständnis.

Die IT-Infrastruktur war so verrückt. Ich weiß noch: In Nordrhein-Westfalen hatten wir mal mehr Arbeitszeiterfassungssysteme als Behörden und ähnliche Dinge.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben bei den Vorgangssystemen inzwischen eine Konsolidierung auf drei Systeme. Wir haben inzwischen ein gemeinsames Fallbearbeitungssystem.

Das große Projekt, um das es jetzt gehen wird und das im Mittelpunkt steht, ist: Es wird ein Datenhaus errichtet werden. Erreicht werden sollen drei Ziele: Es wird für alle wirtschaftlicher. Es wird ein höheres Datenschutzniveau erreicht. Und – das ist jetzt der entscheidende Punkt; über diesen Punkt reden wir jetzt insbesondere – die Verfügbarkeit der Daten, die die Polizeien haben, wird besser als vorher werden, wenn wir so weit sind.

Es ist richtig: Hier dauert es noch.

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Wann? Gibt es da einen Zeitplan? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das ist total unterkomplex! – Gegenruf des Abg. Sebastian Hartmann [SPD]: Wenn man etwas nicht verstanden hat, heißt das nicht „unterkomplex“!)

Aber es ist ein kompliziertes Projekt – das müssen Sie gar nicht diskreditieren –, weil es unter anderem darum geht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur hypothetischen Datenneuerhebung umzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt, bei den Ermittlungen zu einem Ladendiebstahl dürfen wir Informationen, die im Rahmen einer Telefonüberwachung wegen eines Drogenhandels angefallen sind, nicht verwenden. Deswegen ist es nicht unkompliziert, das tatsächlich hinzukriegen.

(Beifall der Abg. Dunja Kreiser [SPD])

So. Jetzt kommt ein Teil, bei dem ich schildern will, vor welchem Dilemma wir stehen. – Übrigens: Die Vergleiche mit Europol gehen völlig fehl. Europol hat genau das alles nicht hinter sich. Europol bestand nicht aus 20 unterschiedlichen Systemen, sondern hat schon von vornherein eine vollkommen andere Datenstruktur. Wenn Sie das vergleichen, dann täuschen Sie alle Zuhörerinnen und Zuhörer.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Sie haben doch den Europol-Vergleich gemacht!)

Wir stehen aber tatsächlich vor einem Dilemma; das will ich an der Stelle durchaus offen und auch in Teilen kritisch sagen. Wir brauchen mehrere Dinge. Wenn es darum geht, bei schwerwiegender Kriminalität möglichst schnell aus unterschiedlichen Datentöpfen Informationen zu gewinnen – das will ich jetzt mal aus der Praxis heraus schildern –, müssen die Ermittler heute – das stimmt – in Datentopf eins gucken und in Datentopf zwei gucken, vielleicht das Kennzeichen von dem einen Datentopf mit dem anderen abgleichen, und das dauert lange. Das ist ein Problem.

Dabei ist ein Punkt richtig. Zumindest will ich ihn aus der Praxis heraus schildern; das ist keine politische Frage, obwohl es teilweise so angetextet worden ist. Ich habe intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die in NRW das Ausschreibungsverfahren verantwortet haben. Es gibt – das tut Teilen der Ampel jetzt weh – am Markt derzeit keine Software, die die Leistungsfähigkeit der Palantir-Software hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese bittere Erkenntnis muss man aus der Praxis heraus gewinnen, auch wenn das wehtun mag.

Aber gleichzeitig gilt – deswegen habe ich gesagt: Dilemma –: Wenn Sie so tun, als sei dieses Unternehmen unproblematisch,

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Nein, das tut keiner! Hat niemand gesagt! – Dunja Kreiser [SPD]: Doch!)

dann streuen Sie den Leuten wirklich Sand in die Augen. Wir geben Peter Thiel, der noch immer Anteile an diesem Unternehmen hält, der Donald Trump mit 1 Million Dollar unterstützt hat,

(Dunja Kreiser [SPD]: Genau!)

der tatsächlich ein libertärer Verrückter ist, Geld,

(Dunja Kreiser [SPD]: So ist es!)

wenn wir diese Software kaufen.

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Sie geben auch der Hamas Geld!)

So einfach ist das. Er ist Anteilseigner – übrigens genau wie BlackRock; aber das steht bei Ihrer Partei auf einem anderen Blatt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dann müssen wir das Recht berücksichtigen, weil uns das Verfassungsgericht dazu in vielen Bundesländern Aufgabenpakete gegeben hat. Ich würde sagen: Das ist möglich. Der wichtigste Teil ist, dass wir souverän werden müssen. Das ist vollkommen richtig gesagt; aber das verschweigen Sie auch.

(Sebastian Hartmann [SPD]: Noch ein Schritt bis BlackRock!)

Wir müssen uns auf den Weg machen, nicht abhängig zu sein von denjenigen, die dieses System betreuen. Das ist ein heftiges Problem.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen machen wir ein Errichtungsgesetz für die ZITiS, die wir mit diesen Fragen beschäftigen wollen. Deswegen gibt es einen intensiven Prozess bei Beschaffungen, den das Bundeskriminalamt begleitet. Und deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, erstens dieses Datenhaus so schnell wie möglich zu errichten, zweitens uns mit der Frage zu beschäftigen, ob es deutsche oder europäische Unternehmen gibt, die das leisten können. Und letzter Punkt – in dieser Woche nicht so ganz nebensächlich –: Wir haben auch noch einen Haushalt zu beschließen. Es gehört zur bitteren Wahrheit dazu: Wir müssen all die Dinge, die wir jetzt diskutieren, ebenfalls unter Haushaltsgesichtspunkten betrachten. Und wir brauchen auch noch Personal in Bund und Ländern, das die Anwendung bedienen kann.

So breit gefächert ist in Wahrheit die Debatte, in die Sie eine einfache Forderung in den Raum stellen. Es ist ein bisschen komplexer. Der Teil stimmt: Die Software ist sicherlich die beste. Aber sie ist mit vielen Problemen behaftet. Ich glaube, angesichts der Haushaltsdebatten können Sie jedenfalls in einem Punkt sicher sein: Wir werden alles dafür tun, damit die Sicherheitsbehörden die besten und die schnellsten Lösungen zur Verfügung haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das sehen Ihre früheren Kollegen anders!)

Vielen Dank. – Alexander Hoffmann redet jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604629
Wahlperiode 20
Sitzung 142
Tagesordnungspunkt Handlungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden
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