13.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 1

Alexander DobrindtCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie fahren heute noch zum Europäischen Rat. Und Sie haben im Gepäck, dass 75 Prozent der Menschen in Deutschland der Überzeugung sind, dass sich die Ampelregierung mit dieser Haushaltskrise blamiert hat. Das ist das Gefühl, das die Menschen in den letzten Wochen entwickelt haben. Das passiert in einer Situation, Herr Bundeskanzler, in der in Europa Entscheidungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen und über den Stabilitäts- und Wachstumspakt anstehen. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie die Wächterrolle Deutschlands für die Stabilitätskultur in Europa aufs Spiel gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)

Sie wollten die Schuldenbremse betrügen. Sie haben anschließend die Schuldenbremse zum Problem erklärt. Und Ihr Finanzminister hat heute davon gesprochen, dass Sie kreative Wege gehen werden. Das schafft kein Vertrauen. Auf dem SPD-Parteitag haben Sie noch beschlossen, Sie wollen eine Führungsrolle in Europa übernehmen.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Genau das werden wir auch tun!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben keine Führung in Ihrer Koalition, Sie hatten noch nie Führung in Europa, und Sie haben in Europa der Stabilitätskultur einen großen Schaden zugefügt. Das ist die Realität in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist Unsinn! – Christian Petry [SPD]: Genau das Gegenteil ist der Fall!)

Sie rühmen sich heute, dass Sie es geschafft haben, einen Haushalt für 2024 in Eckpunkten zu vereinbaren. Herr Bundeskanzler, es fehlt eigentlich nur, dass Sie von einem historischen Moment oder einem Dreifach-Wumms sprechen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber das ganze Schauspiel, das Sie in den letzten vier Wochen seit dem Urteil des Verfassungsgerichts aufgeführt haben, hat nichts, meine Damen und Herren, mit einer Regierung im Arbeitsmodus zu tun, rein gar nichts. Das ist eine Selbsthilfegruppe mit Gedächtnislücke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Ergebnis ist auch kein großer Wurf. Darum muss man auch gar nicht herumreden. Das ist das Minimum, was man von einer Regierung erwarten können muss: dass sie einen Haushalt in Eckpunkten präsentieren kann. Aber Ihnen ist es ja auch ganz offensichtlich um etwas anderes gegangen. Ihnen ist es darum gegangen, wie Ihre Regierung aus diesem Schlamassel herauskommt. Oder wie könnte man sonst interpretieren, was Herr Habeck heute Nacht im Fraktionschat der Grünen geschrieben hat? Wörtlich: Verhandlungen fertig, Regierung steht noch.

(Zuruf von der SPD: Wo haben Sie das gelesen?)

Ich wiederhole: Regierung steht noch. – Darum ist es Ihnen offensichtlich gegangen: ob Ihre Ampelkoalition noch steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen aber: Die Frage, ob Deutschland durch diesen Haushalt stärker wird, interessiert die Menschen. Ob die Wirtschaft durch diesen Haushalt in Fahrt kommt, das interessiert die Menschen. Ob die Bürger durch diesen Haushalt entlastet werden, das interessiert die Menschen. Das kann man getrost mit Nein beantworten. Dieser Haushalt soll Deutschland nicht stärker machen; er soll ausschließlich die Ampel an der Macht halten. Das war Ihre Motivation bei dieser Einigung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dabei muss ich sagen: Ich hätte eigentlich erwartet, dass in dieser Lage die Ampel die Kraft hat, ihre Fehlentscheidungen zu korrigieren. Ihre Fehlentscheidungen sind die Grundlage für das Haushaltschaos. Deswegen sage ich Ihnen das noch mal: Dieses Land braucht schlichtweg kein Heizungsgesetz, das Staat und Bürger Milliarden Euro kostet. Es braucht keine 5 000 Stellen für Sachbearbeiter, die die Kindergrundsicherung ausbezahlen. Und es braucht kein Bürgergeld, das die Menschen in die Sozialhilfe treibt und nicht in die Arbeit integriert.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Regierung ist nicht in der Lage, die eigenen Fehlentscheidungen zu korrigieren. Sie sind nicht die Lösung des Haushaltsproblems, Sie sind das Haushaltchaos per se, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe Ihren Worten entnommen: Sie wollen die Schuldenbremse für nächstes Jahr einhalten. Kollege Vogel hat das hier auch noch mal betont. Herr Bundeskanzler, dieses Ziel teilen wir. Aber die Gegner dieses Ziels sitzen doch in Ihren eigenen Ampelfraktionen. Am Wochenende haben Sie auf dem SPD-Parteitag beschlossen, die Schuldenbremse auszusetzen, die Schuldenbremse zu schleifen. Frau Haßelmann hat gerade von einer „Reform der Schuldenbremse“ gesprochen. Das ist ja nur eine Umschreibung. Sie haben auf Ihrem Parteitag die Schuldenbremse zum „Wohlstandsrisiko“ erklärt.

(Dennis Rohde [SPD]: Ihre Ministerpräsidenten auch! – Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage Ihnen: Wir glauben Ihren Worten und Ankündigungen zur Schuldenbremse schlichtweg nicht. Sie wollen die Schuldenbremse wahrscheinlich schleifen.

(Dennis Rohde [SPD]: Und Ihre Ministerpräsidenten!)

Ich sage Ihnen: Unsere Zustimmung werden Sie dazu nie bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden mit Ihren Ministerpräsidenten!)

Heute wurde hier von Ampelkollegen davon gesprochen, dass man umweltschädliche Subventionen abbauen will. Ich zitiere mal den Bundesfinanzminister von vor wenigen Wochen hier im Plenum – wörtlich –:

„Bildung … Sicherheit … Wettbewerbsfähigkeit … All das ist möglich bei den bestehenden Einnahmen, ohne Flucht in neue Schulden oder höhere Steuern …“

Jetzt kommt der Abbau klimaschädlicher Subventionen. Bisher hat die FDP so was als „Steuererhöhungen“ bezeichnet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Möglicherweise haben Sie eine andere Sicht darauf bekommen. Aber es wurde heute noch überhaupt nicht gesagt, was das eigentlich heißt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau! – Zurufe von der SPD)

Was heißt das denn jetzt konkret, „umweltschädliche Subventionen abbauen“? Sind es die Dienstwägen? Ist es die Landwirtschaft? Ist es – ja – nur die Plastikabgabe? Reichlich unwahrscheinlich! Stichwort „Plastikabgabe“: Respekt, das ist wahrscheinlich ein Abschiedsgeschenk an Jürgen Trittin. Herzlichen Glückwünsch dafür; das gönne ich Ihnen gerne, aber das löst kein einziges Problem in diesem Haushalt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesfinanzminister hat ganz offensichtlich keine Zeit mehr, dieser Debatte beizuwohnen. Ich kann Ihnen trotzdem nur den Ratschlag geben: Fangen Sie nicht an, erneut Ihre Haushaltstricksereien zu verschleiern! Sagen Sie offen, dass es Ihnen nicht gelungen ist, Ihre Zusage „keine Steuererhöhungen“ einzuhalten! Sie haben es schlichtweg nicht geschafft und mussten Steuererhöhungen zugestehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahrscheinlich haben Sie noch eine Minute Redezeit! Was schlagen Sie denn vor?)

Herr Bundeskanzler, Sie haben auf dem SPD-Parteitag sehr viel von Zuversicht gesprochen. Ja, dieses Land braucht Zuversicht. Aber Zuversicht kann man nicht verordnen; man kann sie nur durch Handeln ermöglichen. Und das, was Sie in den vergangenen Wochen gezeigt haben, hat nicht zu Zuversicht geführt, sondern es hat den Pessimismus in Deutschland weiter gestärkt. Ich kann Ihnen nur raten: Kehren Sie zurück zu einer ehrlichen und soliden Haushaltspolitik! Haushaltspolitik kann man nicht durch Hütchenspielereien ersetzen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Mautminister! – Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kennen Sie sich aus!)

Um noch einmal darauf zurückzukommen, was im Fraktionschat der Grünen von Robert Habeck geschrieben worden ist: Verhandlungen fertig, Bundesregierung steht noch.

Herr Kollege, Sie kommen zum Ende, bitte.

Richtiger wäre gewesen: Verhandlung steht, diese Bundesregierung hat fertig.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos] – Zurufe von der SPD)

Das Wort hat Robin Wagener für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604798
Wahlperiode 20
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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