Dennis RohdeSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Koalition ist seit Anbeginn ihrer Zusammenarbeit mit nie dagewesenen Krisen konfrontiert.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Selbstgemachte!)
Die Folgen der Coronapandemie wiegen schwer. Der russische Angriffskrieg hat eine Zeitenwende ausgelöst, und diese Zeitenwende hat vieles fundamental verändert.
Was mussten wir uns damals alles anhören! Was wurde uns vorhergesagt! Der Absturz der deutschen Wirtschaft, ein Wutwinter, kalte Heizungen, Blackouts. Während einige das gesagt haben, hat diese Koalition verantwortungsvoll gehandelt. Wir haben nicht gezögert, unsere Wirtschaft gestützt und den Menschen Vertrauen und Sicherheit gegeben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: 14 Prozent!)
Wie groß war die Häme hier im Saal nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe! Was mussten wir uns anhören! Von Neuwahlen wurde gesprochen,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, aber hoffentlich!)
von einem Kollaps wurde gesprochen. Teils unanständige Schadenfreude, obwohl auch die eigenen Landesregierungen betroffen waren. Heute, 28 Tage später, können wir sagen: Das Urteil hat uns 28 Tage zurückgeworfen; aber es hat diese Koalition eben nicht umgeworfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Natürlich haben wir alle gemerkt, dass in diesem Land viel über den Haushalt gesprochen wurde, dass die Menschen verunsichert waren und dass sie Antworten verlangt haben, Antworten auf Fragen wie: Wie geht es weiter im Ahrtal? Können die sozialen Träger ihre Arbeit weiter leisten? Wie sieht es aus mit Investitionen des Staates in die Transformation? Sind die Renten sicher? Können die Ukrainer weiter mit der Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland rechnen?
Die Koalition hat reagiert. Wir haben verhandelt, und, ja, wir mussten uns aus mehreren Gründen dafür Zeit nehmen:
Zum einen mussten wir uns Zeit nehmen, weil wir nicht wollten, dass dabei Schnellschüsse herauskommen wie das, was heute von den Rednerinnen und Rednern der Union – von den Rednern, muss man ja richtigerweise sagen – hier gesagt wurde. Ich will das noch mal zusammenfassen: Das, was wir von Ihnen in den letzten Wochen gehört haben, war: Streicht bei den Armen! Streicht bei den Alten! Und streicht bei den Kindern! – Und ich sage: Das darf nie die Antwort einer verantwortungsvollen Politik sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb ist die Botschaft des heutigen Tages klar: Wir streichen nicht beim Sozialstaat! Der Sozialstaat wird nicht angegriffen. Das ist eine wichtige Botschaft des heutigen Tages, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zum anderen mussten wir uns Zeit nehmen, weil die Vorstellungen in der Koalition unterschiedlich waren; denn wir sind drei eigenständige Parteien mit eigenständigen Profilen, Profilen, die auch die Breite unserer Gesellschaft widerspiegeln. Aber was uns von der Opposition unterscheidet – der Unterschied wurde in den Reden der Opposition sehr deutlich –, ist: Wir wissen: Der Kompromiss gehört zur Demokratie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deshalb haben wir um den Kompromiss gerungen.
Staatspolitische Verantwortung bedeutet eben nicht, starr an eigenen Positionen festzuhalten, sondern aufeinander zuzugehen, auch wenn es einmal länger dauert. Für das Etwas-länger-Dauern, für die wahrscheinlich Hunderte Stunden, die verhandelt wurden, möchte ich an dieser Stelle Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner ganz ausdrücklich danken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Diese Verantwortung für das Ringen um die besten Lösungen gilt umso mehr in der heutigen Zeit – in einer Zeit multipler und komplexer Krisen. Heute gilt es umso mehr, Kompromisse einzugehen. Das ist die Grundlage für eine nachhaltige und prosperierende Gesellschaft. Deswegen ist wichtig:
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Wir stellen sicher, dass die Investitionen in die Transformation stattfinden. Wir stellen sicher, dass die Arbeitsplätze von heute auch morgen noch eine Perspektive haben. Und auch das ist eine wichtige Botschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auch die Ukraine hier noch einmal erwähnen. Kein Land in Europa unterstützt die Ukraine in einem Umfang wie die Bundesrepublik Deutschland unter Olaf Scholz; und wir werden da weitermachen. Bei allem, was wir tun, ist uns aber eines klar: Wir brauchen in unserer Bevölkerung weiterhin einen Rückhalt, eine große Unterstützung für den Kampf gegen Putins Russland. Gerade deswegen spielen wir den sozialen Zusammenhalt und die innere Sicherheit nicht gegen die äußere Sicherheit aus.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Botschaft, die der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister gesendet haben, ist klar: Wir unterstützen so lange, wie man unterstützen muss! Wenn es ans Eingemachte geht und wir mehr liefern müssen, dann sind wir bereit, die dazu notwendigen Beschlüsse zu fassen, um eben nicht sozialen Zusammenhalt und innere Sicherheit zu gefährden. – Und auch das ist eine wichtige Botschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden in dieser Woche den Nachtragshaushalt 2023 final beschließen und damit den ersten Schritt zur Umsetzung des Karlsruher Urteils gehen. Wir haben jetzt eine Einigung auf den Haushalt 2024. Beides zusammen bedeutet zum einen Planungssicherheit für all diejenigen, die Entscheidungen treffen müssen – für ihre Betriebe, für ihre Einrichtungen, für ihre Lebensentwürfe, für ihre Ziele für das nächste Jahr. Es bedeutet zum anderen: Notwendige Investitionen werden nicht vertagt, sondern sie werden angegangen, um die großen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen unser Land steht. Denn wir können keine Zeit verlieren, wenn wir Wirtschaft, Industrie und Infrastruktur modernisieren wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Diese Koalition regiert das Land, für das sie Verantwortung trägt, und das – das will ich noch mal betonen – in Zeiten von Kriegen und Krisen. Uns ist wichtig, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dieser Zeit sicherzustellen. Diese Koalition beweist heute – ich weiß, dass viele versucht haben, auf anderes zu wetten –, dass sie handlungsfähig ist.
Ich danke an dieser Stelle noch einmal den Regierungsvertretern für ihre Auftragsarbeit. Ab heute wird der Haushalt wieder vom Deutschen Bundestag verhandelt. Und auch das ist wichtig: Wir sind selbstbewusste Parlamentarier. Wir werden die Vorschläge entgegennehmen. Wir werden sie abwägen. Und am Ende entscheidet der Deutsche Bundestag.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist jetzt Gunther Krichbaum.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604803 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |