13.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 1

Johannes SchrapsSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, wenn man Ihnen vorhin so zugehört hat, dann konnte man sich tatsächlich eines Eindrucks nicht erwehren: Sie merken zunehmend, dass Ihre monatelange destruktive Politik

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: O Gott!)

hier nicht zu dem führt, was Sie sich vielleicht wünschen.

(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Illegale Praktiken aufzudecken, ist destruktiv, oder was?)

Egal was Sie versuchen, die Ampel findet immer wieder Lösungen dafür, und, ehrlich gesagt, man hat Ihnen in Ihrer Rede die Frustration sehr, sehr deutlich angemerkt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich bin froh über den Kompromiss zum Bundeshaushalt; denn er ist nicht nur innenpolitisch wichtig, sondern auch mit Blick auf den Europäischen Rat war das heute Morgen eine ganz, ganz wichtige Nachricht. Denn die europäischen Staats- und Regierungschefs werden in den kommenden Tagen hoffentlich historische Entscheidungen treffen, nicht nur zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und mit der Republik Moldau, sondern auch über die Bereitstellung von Hilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro für die kommenden Jahre.

Ich bin dankbar, dass auch das Ergebnis der Verhandlungen zum Bundeshaushalt ein klares Versprechen beinhaltet, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, bilateral durch die Flüchtlingshilfen hier in Deutschland und auch durch gemeinsame EU-Mittel. Ich glaube, das ist ganz wichtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thomas Hacker [FDP])

Die Fortsetzung der Unterstützung benötigt Kiew tatsächlich dringend, um im Kampf gegen den brutalen und völkerrechtswidrigen russischen Angriff bestehen zu können. Das ist ein absolut entscheidendes politisches Signal; denn wir müssen fest und langfristig an der Seite der Ukraine stehen.

Bei der Fülle der Themen, die beim Europäischen Rat auf der Agenda stehen, werden das in Brüssel wahrscheinlich erneut schwierige und zeitaufwendige Verhandlungsrunden. Aber die vergangenen Tage und Wochen zeigen, glaube ich, dass wir mit unserer Bundesregierung für solche Verhandlungen gut gerüstet sind und auch unter schwierigen Umständen letztlich zu guten Ergebnissen kommen.

Wir sprechen immer wieder über die Rolle Deutschlands in einer schwierigen Welt, in der der brutale Krieg Russlands gegen die Menschen in der Ukraine leider traurige Realität ist. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass wir als Abgeordnete des Bundestages heute ein klares Signal aussenden und unserem Bundeskanzler die Zustimmung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und mit der Republik Moldau mit auf den Weg geben, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Das EUZBBG, das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, gibt vor, dass die Bundesregierung vor diesen abschließenden Entscheidungen im Europäischen Rat mit Blick auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ein Einvernehmen mit uns hier im Bundestag herstellen muss.

Um dieses Einvernehmen herzustellen, nehmen wir mit den beiden heute vorliegenden Entschließungsanträgen Stellung zu dieser Thematik und laden die Bundesregierung ein, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen auf dem EU-Gipfel zu unterstützen. Diese Position kommt nicht aus heiterem Himmel; sondern sie ist auch eine Anerkennung dessen, was beide Länder in den letzten Jahren und Monaten trotz schwierigster äußerer Umstände erreicht und vorangebracht haben.

Beide Länder haben den Wunsch geäußert, perspektivisch Mitglied der Europäischen Union zu werden, und haben Beitrittsanträge gestellt. Jedem Land steht im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker selbstverständlich offen, nicht nur seine Staats- und Regierungsform frei zu wählen, sondern das Völkerrecht beinhaltet eben auch das Recht auf freie Bündniswahl und schließt übrigens auch die Freiheit ohne Fremdherrschaft mit ein. Deshalb unterstützt Deutschland beide Länder nicht nur militärisch, finanziell und humanitär, sondern gerade auch bei den weiteren Schritten auf dem Weg hin zu einer EU-Mitgliedschaft – auch wenn uns die Erfahrung lehrt, dass dafür wahrscheinlich ein langer Atem und viel Durchhaltevermögen notwendig sein werden.

Auch wenn sich die mediale Aufmerksamkeit heute – das ist ein wenig nachvollziehbar – eher auf den Haushalt und auf die Ukraine fokussiert, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir auch den Kandidatenstatus für Georgien und in unseren beiden Anträgen auch ausdrücklich das Ziel des EU-Beitritts für die Staaten des westlichen Balkans unterstützen. Denn die Prämisse, dass die EU-Erweiterung eine notwendige Investition in unsere Sicherheit und in die Stabilität und den Wohlstand auf dem europäischen Kontinent ist, gilt selbstverständlich auch für diesen Teil Europas, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Hacker [FDP])

Erweiterung und Vertiefung der EU müssen dabei parallel stattfinden, damit die EU auch mit mehr Mitgliedstaaten weiter handlungsfähig bleibt. Wir müssen uns als EU also aufnahmefähig machen, genau wie sich die Kandidatenländer beitrittsfähig machen müssen.

Politisch und moralisch ist die Situation also vollkommen klar: Deutschland muss fest an der Seite der Ukraine und der Republik Moldau stehen und sich damit auch dem imperialistischen Handeln Russlands entgegenstellen. So helfen wir nicht nur der Ukraine, sich zu verteidigen, sondern wir verteidigen auch unsere eigenen Grundwerte und unser demokratisches rechtsstaatliches Umfeld.

(Beifall bei der SPD)

Gerade mit Blick auf das Thema Rechtsstaatlichkeit schließe ich mich den Gratulationen an Donald Tusk und übrigens auch an die gesamte neue Regierungskonstellation in Polen ausdrücklich an.

Olaf Scholz hat von den Blockademöglichkeiten einzelner Mitgliedstaaten gesprochen hat, und es erfüllt mich persönlich mit großer Sorge, wenn man in Brüssel momentan im Zusammenhang mit der Unterstützung für die Ukraine immer von großer Einigkeit bei den 27 minus 1 Mitgliedstaaten spricht. Mit „minus 1“ ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban gemeint, der wieder einmal damit droht, dass er nur dann bereit ist, dem Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zuzustimmen und dem Land auch die unbedingt notwendigen Finanzhilfen zu gewähren, wenn die finanzielle Unterstützung aus Brüssel für Ungarn freigegeben wird, die von der EU aufgrund von Korruptions- und Rechtsstaatsbedenken im Moment eingefroren ist. Orban ist tatsächlich ein schwerer Mühlstein, den übrigens Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion, uns in Europa mit an den Hals gehängt haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])

Als Teil der Europäischen Volkspartei ist er in eine Machtposition gekommen, aus der er nun kaum wieder zu verdrängen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Kollege, Sie kommen bitte zum Ende.

Der Konditionalitätsmechanismus ist das schärfste Schwert, das wir haben, um die Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens, die Rechtsstaatlichkeit, in Europa zu schützen. Das dürfen wir nicht schleifen lassen.

Herr Kollege.

Und so wenig wir bei unserer Unterstützung für die Ukraine zögern dürfen, so wenig dürfen wir –

Herr Kollege.

– von den rechtsstaatlichen Werten abrücken, die uns in Europa verbinden.

Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat Robert Farle.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Auweia!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604818
Wahlperiode 20
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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