Gyde JensenFDP - Aktuelle Stunde: Ergebnisse der PISA-Studie 2022
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die PISA-Studie, über die wir heute samt der Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, sprechen, wird alle drei bis vier Jahre unter OECD-Staaten durchgeführt und misst die Fähigkeiten in den Bereichen Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften. Im Vergleich zur letzten Erhebung 2018 schneidet Deutschland in allen Disziplinen signifikant schlechter ab. Wir haben die Bilanz im Grunde heute noch einmal gehört. Ich möchte deswegen nicht näher darauf eingehen, sondern ein kleines bisschen auf das, was darüber hinaus gesagt wurde.
Was wir aber festhalten können, ist, dass der Leistungsverfall sicherlich auch im Zusammenhang mit der Coronapandemie steht und mit dem Mangel an digitalen Möglichkeiten, die ad hoc und sofort angewendet werden konnten, als die Schulen leider schließen mussten und viel zu lange geschlossen waren, einhergeht. Das betrifft Schülerinnen und Schüler, die leistungsstark sind, wie auch leistungsschwächere, und das muss uns ganz große Sorgen machen. Sie sind – das besagen zumindest die Zahlen, die wir vorliegen haben – um fast ein ganzes Schuljahr zurückgeworfen worden. Das zur Bestandsaufnahme.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte ist aber auch sehr deutlich geworden, dass sich vor allen Dingen die Opposition sehr gerne – und auch heute hier wieder – darauf konzentriert, die Probleme zu beschreiben. Und dann wird irgendwie der Eindruck erweckt, dass Sie nicht zuständig seien. Frau Ludwig hat das gemacht, Herr Rohwer auch gerade noch mal. Sie sind zuständig, weil das Grundgesetz den Bildungsauftrag in den Ländern verortet.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das habe ich nicht bestritten!)
Und solange das nicht verändert wird, kann der Bund nur dann unterstützen, wenn die Länder etwas machen. Meine Kollegin Ria Schröder hat das ausgeführt.
(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Die Länder haben doch eine Fortsetzung gewollt!)
Es gibt aber einen spannenden Punkt in der aktuellen PISA-Erhebung, den wir uns ein bisschen genauer ansehen könnten.
(Zuruf des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/CSU])
Und zwar schneidet Deutschland besonders schlecht beim Index der Schulautonomie ab. Lediglich 41 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland besuchen eine Schule, in der sich die Schulleitung hauptverantwortlich um das Einstellen von Lehrkräften kümmern kann; der OECD-Schnitt liegt deutlich darüber. Nur 55 Prozent besuchten eine Schule, in der die Lehrkräfte beispielsweise die Hauptverantwortung für die Auswahl der Lehrmittel trugen; auch da ist der OECD-Schnitt deutlich höher.
Schauen wir auf eine Veranstaltung, die vor Kurzem stattfand, und zwar den Deutschen Schulpreis. Dort wurden Schulen geehrt: Grundschulen, Berufsbildende Schulen, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Die hatten alle eine Sache gemeinsam, und zwar, dass sie den Mut hatten, auf Schulautonomie zu setzen.
(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Genau! Im staatlichen System!)
Sie hatten das Vertrauen in die Lehrkräfte und die Schulleitungen vor Ort, die genau wissen, was an den jeweiligen Schulen erforderlich ist. Estland macht das schon sehr lange – übrigens seit 2015 liberal regiert. 97 Prozent der Schülerinnen und Schüler dort haben Lehrer/-innen, die ihre Lehrmaterialien selber auswählen können und die Verantwortung bei der Einstellung des Personals tragen.
(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Und warum brauchen wir jetzt eine Grundgesetzänderung dafür? Das können wir doch jetzt schon machen!)
Ihnen werden vielleicht einige Punkte in der ganzen Debatte bekannt vorgekommen sein. Auch die Schulautonomie ist ein maßgeblicher Punkt, den wir im Startchancen-Programm vorsehen wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Schulautonomie kann möglich sein, wenn die Länder zustimmen; in der KMK liegt gerade der Entwurf zum Startchancen-Programm.
Herr Jarzombek ging darauf ein, dass vor allen Dingen für die Kleinsten die größten Anstrengungen getätigt werden müssen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Deswegen wollen wir mit dem Startchancen-Programm explizit Grundschulen an den Orten hervorheben,
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wo die Notwendigkeiten und die Herausforderungen am größten sind.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Na ja! Das sind 2,5 Prozent der Schulen! 2,5 Prozent!)
Bemerkenswert ist das Maß an Unmut und geringem Gestaltungswillen, das Sie in Ihren beiden Reden – vor allen Dingen Frau Ludwig – deutlich gemacht haben.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie müssen den Teufelskreis durchbrechen, immer nur zu sagen: In dem Fall sind zwar eigentlich die Länder zuständig; aber so können wir auch nicht weitermachen.
Ich würde mir wünschen – so wie wir uns immer gewünscht haben, zusammenzuarbeiten, wenn solche desaströsen Zahlen vorliegen –, dass Sie sich in der KMK jetzt hinsetzen und daran arbeiten, dass wir das Startchancen-Programm gemeinsam umsetzen können. Da kann man noch mehr machen. Wir würden uns das sehr wünschen.
(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Da müssen Sie auf Augenhöhe mit den Ministern reden!)
Wir haben uns von Tag eins an in der Bundesregierung – Bettina Stark-Watzinger allen voran – für das Startchancen-Programm starkgemacht, und wir hoffen sehr, dass aus dieser Debatte der nächste Impuls für die KMK und die Beratungen dort hervorgeht.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie müssen das Startchancen-Konzept jetzt überarbeiten nach den Ergebnissen!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604903 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Ergebnisse der PISA-Studie 2022 |