14.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 10

Michael SchrodiSPD - Verwendung der Steuermehreinnahmen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brehm, die Immobilienwertvermittlungsverordnung ist von Herrn Seehofer beschlossen worden.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Aha!)

Darum gibt es auch keine Erhöhungen in der Erbschaftsteuer. Der CO2-Preis steigt auf das Niveau, das wir als GroKo beschlossen haben.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Komisch! – Weitere Zurufe von der FDP: Aha!)

Wir haben jetzt Senkungen der Stromsteuer für 600 000 Gewerbebetriebe auf den Weg gebracht.

(Zurufe von der SPD und der FDP: Ah! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ach so? Das hat Herr Brehm ja gar nicht erwähnt!)

Und wir haben schon angekündigt, den Kinderfreibetrag stärker anzuheben als bisher vorgesehen. Sie sprechen gegen sich. Sie sprechen auf jeden Fall nicht für die Menschen. Sie verbreiten Fake News, und das war unwürdig, was Sie hier betrieben haben, Herr Brehm.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir beschäftigen uns ja mit Anträgen der AfD, einem Sammelsurium. Die AfD überschreibt einen Antrag mit „Die erheblichen Steuermehreinnahmen Deutschlands richtig einsetzen“. Die AfD hat ja auch im vorigen Tagesordnungspunkt immer wieder suggeriert, dass sie für die Menschen der Mitte da sei

(Zuruf von der AfD: Natürlich!)

und die hohen Steuerbelastungen abbauen wolle.

Wie die AfD den richtigen Einsatz für die Menschen wirklich versteht, zeigen mehreren Studien, zum Beispiel gerade wieder vom DIW. Ich zitiere: „Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der AfD-Politik leiden“; denn: „Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen“ von unten nach oben.

(Jürgen Braun [AfD]: Herr Fratzscher! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Mir kommt es auch von unten nach oben!)

Hinter all den rechtspopulistischen, widerlichen Inhalten steht eben auch eine knallharte, neoliberale Politik für die Reichsten in diesem Land. Das muss auch einmal deutlich formuliert werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zwei Punkte, zu denen Sie ausgeführt haben und die man auch richtigstellen muss.

Erstens. Das Thema „kalte Progression“ ist ein Phänomen in der Einkommensteuer. Inflationsbedingte Lohnsteigerungen führen dazu, dass der Einkommensteuertarif ein Stück ansteigt. Dies frisst die Lohnsteigerungen quasi auf. Sie suggerieren, diese starke Inflation und das Problem der kalten Progression sei ein Phänomen des Euros. Es sei Ihnen gesagt: Die D-Mark – 49 Jahre lang gab es sie – hatte eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,8 Prozent, der Euro in über 20 Jahren von 1,68 Prozent. Der Euro ist eine harte Währung und hat mit dem Thema der kalten Progression nichts zu tun. Hören Sie auf mit der Hetze gegen den Euro, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Seit 2012 – das müssten Sie wissen – gibt es den Bericht über die Wirkung der kalten Progression. Dort zeigt sich, dass die kalte Progression ausgeglichen wurde. Das spielte in den letzten Jahren eine geringere Rolle, weil die Inflation so niedrig war. Jetzt, wo sie aber höher ist, haben wir mit dem Inflationsausgleichsgesetz nicht nur die inflationsbedingten Mindereinnahmen respektive die kalte Progression ausgeglichen,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Für 2022 haben Sie die nicht ausgeglichen! Die haben Sie eingestrichen!)

sondern wir haben die komplette Inflation ausgeglichen, was weitaus mehr ist als der Ausgleich der kalten Progression. Wir haben also in dem Fall ein Stück weit überkompensiert, gleichzeitig aber auch das Kindergeld auf 250 Euro erhöht.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das hat ja auch nicht jeder bekommen!)

Auch Freibeträge und Pauschbeträge sind in den letzten Wochen und Monaten erhöht worden. All das, was Sie behaupten, ist schlichtweg falsch und zeugt von Ihrer Nichtkenntnis des Phänomens der kalten Progression, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zweitens. Sie beschäftigen sich mit vermögensbezogenen Steuern, suggerieren da auch – mein Vorredner hat es schon gesagt –, dass wir diese verheizen wollten, für die Ukraine beispielsweise. Erstens gibt es keine Zweckbindung von Steuern. Zweitens fließen die vermögensbezogenen Steuern, beispielsweise auch die Erbschaftsteuer, den Länderhaushalten zu. Sie werden dort auch dringend benötigt, um Schulen, um Wohnungsbau, um Digitalisierung voranzutreiben. Das alles wollen Sie anscheinend nicht; denn Sie hetzen gegen jede Form von vermögensbezogenen Steuern, auch gegen die Erbschaftsteuer.

Kurz: Im internationalen Vergleich sind die vermögensbezogenen Steuern in Deutschland gering: Im UK, in den USA sind sie höher. Wir haben eine hohe Vermögenskonzentration in Deutschland. Eine Dokumentation im ZDF – sie ist an der einen oder anderen Stelle zu hinterfragen – hat zuletzt gezeigt, dass es eine ganze Industrie gibt, die Steuergestaltungsmodelle gerade für die Vermögendsten, für die Reichsten in diesem Land anbietet.

Herr Schrodi, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der Union?

Gerne.

Vielen Dank, Herr Kollege Schrodi, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie zirkulieren ja in Ihrer Rede die ganze Zeit um das Thema Vermögensteuer. Könnten Sie vielleicht das Plenum erhellen mit der klärenden Aussage: Möchte die SPD denn eine Vermögensteuer einführen, ja oder nein?

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Beziehungsweise: Möchte sie die Vermögensteuer wiederbeleben?

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Wenn Sie mich weiter hätten reden lassen, wäre ich dazu gekommen. Aber Sie geben mir jetzt etwas mehr Zeit, um das auszuführen, ohne dass dies von meiner Redezeit abgeht; ich danke Ihnen dafür.

(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Sehr gerne!)

Wir haben auf dem SPD-Parteitag klargemacht, dass wir auch vermögensbezogene Steuern wollen, dass die Vermögendsten in unserem Land ein Stück weit mehr zur Finanzierung der wichtigen Aufgaben, die wir vor uns haben – der Transformation, der Digitalisierung – beitragen sollen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Macht Herr Lindner jetzt einen Gesetzentwurf dazu? – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Da muss Christian Lindner zuhören!)

Übrigens – ich habe es Ihnen gerade gesagt –: Vermögensbezogene Steuern kommen nicht dem Bundeshaushalt zugute. Eine Reaktivierung der Vermögensteuer käme den Länderhaushalten zugute; wir wissen, wie es zum Beispiel in NRW um das Thema „Digitalisierung in den Schulen“, um den Kitaausbau bestellt ist.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: War das jetzt ein Ja oder ein Nein?)

Ich glaube, wir brauchen die stärksten Schultern unserer Gesellschaft, die das ein Stück weit tragen. Deswegen gibt es den Beschluss schon seit 2019. Zur Zeit der Großen Koalition haben wir gesagt: Wir wollen die Vermögensteuer reaktivieren. Ich weiß, dass Sie das damals nicht wollten.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wir wollen das immer noch nicht! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie ja die FDP! Die hilft Ihnen bestimmt!)

Wir haben unsere Beschlüsse ganz klar formuliert, und wir wissen auch, dass eine Partei in unserer Koalition das nicht will.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Und wer setzt sich jetzt durch?)

Das nehmen wir zur Kenntnis. Trotzdem haben wir uns als SPD ganz klar positioniert. – Sie können auch gern stehen bleiben. Ich antworte Ihnen noch: Es geht immer noch um dasselbe Thema.

Aber Sie müssen es auch nicht ausreizen; denn Sie haben ja Ihre Redezeit, Herr Schrodi.

Gut. – Wenn Sie hier einmal genau hinschauen: Also, das, was wir zur Vermögensteuer beschlossen haben: Ein Freibetrag von 1 Million Euro, gemeinsam veranlagt 2 Millionen Euro, würde überhaupt nur das höchste 1 Prozent der Vermögendsten in unserem Land betreffen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ich denke, Sie haben eine Vermögensabgabe beschlossen! – Gegenruf des Abg. Tim Klüssendorf [SPD]: Beides!)

Das heißt: 1 Prozent der Steuerpflichtigen wäre überhaupt davon betroffen. Es handelt sich aber um diejenigen, die 30 Prozent des Vermögens in unserem Land besitzen.

Ich glaube, bei den großen Aufgaben, die wir zu lösen haben, ist es gut, sich damit auseinanderzusetzen. Dass die AfD das auch nicht will, dass sie selbst die Erbschaftsteuer abschaffen will und hier gegen jede vermögensbezogene Steuer zu Felde zieht, zeigt, dass sie zwar ein sehr großes Herz für die Reichsten der Gesellschaft hat, aber nicht für die Mitte der Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zuletzt sei Ihnen beim Thema Einkommensteuer noch gesagt: Es gibt eine weitere Studie des ZEW, die deutlich macht, dass man umso mehr von den Plänen der AfD profitiert, je höher die Einkommensteuerklasse ist. Am meisten profitieren die Bezieher mit Einkommen ab 250 000 Euro.

(Jürgen Braun [AfD]: Marcel Fratzscher, der die Inflation anzweifelt!)

– Nein, das sagt das ZEW. – Der größte Anstieg der Ungleichheit ergäbe sich, wenn die AfD ihr Programm umsetzen könnte.

Dass sich der Molkereimilliardär Theo Müller mit Ihrer Fraktionsvorsitzenden trifft, liegt nicht nur daran, dass sich die beiden gut verstehen, sondern auch daran, dass er sich die größten Steuererleichterungen für sich und für die anderen Milliardäre in diesem Land erhofft.

Wir machen das nicht mit. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit. Diese Ampel wird gute Dinge auf den Weg bringen. Wir werden das hinbekommen.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Jürgen Braun [AfD]: Jawohl, Herr Fratzscher! Danke!)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Albrecht Glaser.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605060
Wahlperiode 20
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Verwendung der Steuermehreinnahmen
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