14.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 10

Michael MeisterCDU/CSU - Verwendung der Steuermehreinnahmen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute drei Vorlagen der AfD. Ich darf Ihnen zunächst mal sagen: Wir werden als Unionsfraktion alle drei Vorlagen ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht zunächst um eine Vermögensabgabe. Da will ich einfach mal den Hinweis geben: 1945 hatten es die Nationalsozialisten geschafft, Deutschland und Europa in Schutt und Asche zu legen. Die junge Bundesrepublik musste darüber hinaus mit Flucht und Vertreibung zurande kommen und das Ganze bewältigen. In diesem Kontext und auf dieser Grundlage wurde in Deutschland ein Lastenausgleichsgesetz beschlossen. Aber die heutige Situation ist nicht mit der von 1945 vergleichbar. Die damalige Lage war eine Folge nationalistischer und antieuropäischer Politik. Was wir brauchen, um eine Vermögensabgabe zu vermeiden, sind eine proeuropäische Politik und das Weglassen von Nationalismus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Tim Klüssendorf [SPD])

In dem von Ihnen gestellten Antrag ist zu lesen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, „Ausgaben zugunsten deutscher Bevölkerung zu priorisieren“. Da kommt genau das nationalistische Gedankengut, das uns ins Elend geführt hat, zum Ausdruck.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Enrico Komning [AfD]: Wir sind gewählt vom deutschen Volk!)

Das sind Sie. Nationalistisches Gedankengut führt Deutschland ins Elend.

Stichwort „Vermögensteuer“. Die Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, und eine Substanzsteuer ist schädlich für Wachstum in Deutschland. Wir brauchen, wenn wir uns die Wirtschaftslage anschauen, dringend Wachstum. Deshalb lehnen wir eine Wohlstandsbremse ab.

Der Kollege Schrodi hat formuliert, von der Vermögensteuer seien ja nur wenige betroffen. Das ist falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Nein, das ist richtig!)

Das ist vollkommen falsch. Sie müssen, egal wie Sie Freigrenzen oder Freibeträge festsetzen, erst einmal den Wert aller Vermögen ermitteln, um festzustellen, wer unterhalb oder oberhalb der Freigrenzen liegt. Und damit binden Sie Ressourcen, die wir in der Finanzverwaltung dringend anderweitig benötigen. Das halte ich für absolut unsinnig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Projekt wird am Ende viel mehr Geld kosten, als es der Bundesrepublik Deutschland oder den Ländern einbringt. Ich bin sehr dankbar, Frau Kollegin Raffelhüschen, dass Sie für die FDP an dieser Stelle die klare Aussage getroffen haben, dass wir in Deutschland keine Vermögensteuer wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich finde es entsetzlich, wie die AfD in ihrem Antrag Steuerpolitik mit der Frage nach Frieden in der Ukraine vermischt. Da wird Herr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, als „Kern des Problems“ bezeichnet. Der Kern des Problems sitzt nicht in Kiew, der Kern des Problems sitzt in Moskau und heißt Wladimir Putin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie können in Ihren Anträgen doch keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben. Es ist vollkommen unsäglich, was Sie hier tun.

Zum Thema Erbschaftsteuer will ich nur folgenden Hinweis geben: Wir hatten am 29. November letzten Jahres den Antrag gestellt, aufgrund der Inflationsentwicklung die Freibeträge in der Erbschaftsteuer um 65 Prozent zu erhöhen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)

Wir hatten uns dazu durchgerungen, in unserem Antrag zu jedem einzelnen Freibetrag einen konkreten Wert zu nennen. Da stand zu jedem Freibetrag ein konkreter Eurobetrag als Vorschlag.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Hat die FDP abgelehnt!)

Sie von der AfD wollen nun die Freibeträge erhöhen, machen aber keinen einzigen konkreten Vorschlag, was eigentlich gemacht werden soll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist schon merkwürdig, liebe Kollegin Beck, dass Sie sich im Kontext von Vermögensteuer bzw. Erbschaftsteuer als Anwältin der Länder darstellen. Eigentlich ist das großartig. Wir alle sollten als Föderalisten Anwälte der Bundesländer sein. Sie haben aber auch das Wachstumschancengesetz angesprochen. Da will ich den dezenten Hinweis geben: Wenn nur die unionsgeführten Länder beim Wachstumschancengesetz den Vermittlungsausschuss hätten anrufen wollen, dann gäbe es wegen einer nicht genügenden Zahl an Stimmen kein Vermittlungsverfahren. Das heißt, der Vermittlungsausschuss wurde parteiübergreifend angerufen. Deshalb sollten Sie aufhören, das Märchen zu erzählen, die Union sei gegen dieses Gesetz. Sie machen Politik zulasten der Länder, und deshalb sind die Bundesländer geschlossen gegen dieses Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Unsinn! Das stimmt doch vorne und hinten nicht! – Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Frau Beck, Sie können sich gerne melden. Aber da Sie eben keine Zwischenfrage des Kollegen Brehm zugelassen haben, lasse ich eine solche von Ihnen jetzt auch nicht zu.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat mich angesprochen!)

Das war kein guter Umgang, wie Sie das gemacht haben. Deshalb ist das so.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Dr. Meister, Sie haben mich persönlich angesprochen!)

Wir haben das Thema „kalte Progression“ angesprochen. Wir haben 2012 gemeinsam mit der FDP den Beschluss des Bundestages herbeigeführt, dass alle zwei Jahre die Entwicklung der kalten Progression überprüft wird und dass es dann diskretionär einen Vorschlag der Bundesregierung dazu gibt. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist vor dem Hintergrund der Inflation die richtige Entscheidung gewesen.

Herr Dr. Meister, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schrodi?

Eine Frage des Herrn Schrodi lasse ich gerne zu.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Meister mag Herrn Schrodi lieber als mich!)

Es geht wahrscheinlich in eine ähnliche Richtung, was Frau Beck fragen wollte. Aber vielen Dank, sehr geehrter Herr Meister, dass Sie meine Frage zulassen. – Sie haben gerade das Wachstumschancengesetz angesprochen. Wir werden es nachher im Rahmen der zweiten und dritten Lesung des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes noch einmal zum Thema haben; denn dann geht es auch um Änderungsanträge betreffend das Wachstumschancengesetz. Sie insinuieren gerade, dass die unionsgeführten Bundesländer gemeinsam mit den A-Ländern, also mit den von SPD und Grünen geführten Bundesländern, das Wachstumschancengesetz aufhalten mussten,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Stimmt ja auch!)

weil die Finanzlast zu groß sei.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Einstimmig im Bundesrat, 16 zu null!)

Zwei Dinge seien sei hier angemerkt. Erstens. Wenn ich mich recht entsinne, Herr Meister – vielleicht können Sie das bestätigen –, gab es von Ihrer Fraktion zum Wachstumschancengesetz einen Antrag, der vorsah, die Bestandteile, die die Länder und Kommunen am stärksten belasten – ich nenne Verlustvortrag und Verlustrücktrag –, auszuweiten.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Jetzt erzählen Sie keine Unwahrheit!)

Sie wollten also eine stärkere Belastung von Kommunen und Ländern, als unser Gesetz das vorgesehen hat.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir sprechen mit den Ländern! Im Gegensatz zu Ihnen!)

Zweitens. Herr Meister, vielleicht sind Sie aus Ihrer Arbeitsgruppe, die jetzt im Vermittlungsausschuss ist, informiert worden.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie reden schon viel zu lange! Sie hatten schon sechs Minuten!)

Ich war dabei. Wir haben als A-Seite gemeinsam mit den Ländern einen Vorschlag gemacht – übrigens hat NRW gesagt, die Verlustverrechnung sei komplett zu streichen –, der genau die Dinge, die Länder und Kommunen wollen, vorsieht. Wer aufgestanden ist, den Saal verlassen hat und nicht dafür gesorgt hat, ist die B-Seite, ist Herr Spahn.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist falsch! Das ist einfach nicht richtig!)

Herr Schrodi, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich möchte auch wissen, warum Sie hier behaupten, wir wollten belasten. Das tun derzeit die Unionsseite und die B-Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie belasten jeden Tag! Sie machen die Menschen ärmer!)

Lieber Kollege Schrodi, vielen Dank für die Frage. – Erstens. Nach meiner Erinnerung hat die Ampelkoalition hier das Wachstumschancengesetz beschlossen, und die Bundesländer waren 16 zu null der Meinung, dass sie das so nicht tragen können.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Die hat vorher keiner gefragt!)

Zweitens. Sie haben das Vermittlungsverfahren angesprochen. Ich war persönlich nicht dabei.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber ich!)

Aber ein zentraler Punkt war – wenn ich das Ganze richtig verfolgt habe –, dass zum Zeitpunkt der Gespräche für das Jahr 2024 noch kein Haushaltsentwurf auf dem Tisch lag, auf dessen Basis man sich die finanziellen Folgen dieses Gesetzes auch nur annähernd hätte anschauen können.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So ist es! Ampelmurks wie immer!)

Ich halte es persönlich für absolut unverantwortlich, Entscheidungen dieser Art ohne seriöse Grundlagen im Haushalt treffen zu müssen. Dafür tragen Sie und Ihre Fraktion die Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dritte Bemerkung dazu. Ja, es gab zeitkritische Themen, die in dem Gesetzentwurf standen. Wir haben seit diesen Gesprächen Druck gemacht und versucht, diese durchzusetzen.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben doch gar nicht stattgefunden, die Gespräche!)

Was haben Sie gemacht? Sie haben unsere Anträge zurückgewiesen und haben – um die Öffentlichkeit zu täuschen – fast wortgleiche Anträge gestellt. Das ist es, wie Sie Politik machen: täuschen, tarnen, tricksen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Anträge im Ausschuss zurückgezogen!])

Ich will eine letzte Bemerkung zum Thema „kalte Progression“ machen. Wir haben 2012 eingeführt, dass alle zwei Jahre ein Bericht dazu vorgelegt wird und dass dann eine diskretionäre Entscheidung getroffen wird. Das halte ich für absolut richtig. Automatismen, wie sie die AfD fordert, führen zur Steigerung der Inflation; das hat sich in Italien, Belgien, Luxemburg und Zypern gezeigt. Das, was die Kollegen von der AfD hier vorschlagen, treibt die Inflation.

(Kay Gottschalk [AfD]: Die Geldpolitik der EZB treibt die Inflation!)

Das kann nicht unser Ziel sein. Wir wollen dauerhaft stabiles Geld.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da die Kollegin Katharina Beck direkt angesprochen wurde, hat sie jetzt die Möglichkeit zu einer persönlichen Erklärung.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605064
Wahlperiode 20
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Verwendung der Steuermehreinnahmen
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