Carl-Julius CronenbergFDP - Änderung des Nachweisgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union möchte die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitsverträge modernisieren. Daran ist nicht viel auszusetzen. Sie legt dazu einen Gesetzentwurf vor, der erstens nicht überrascht, zweitens die Koalition bestärkt und schließlich drittens doch unklar bleibt. Eine Bemerkung vorab: Wenn heute viele an der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zweifeln, dann ist es unser Auftrag, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Jede Maßnahme, die Bürokratie abbaut, die Genehmigungen beschleunigt, die Abläufe digitalisiert, hilft, weil das die Produktivitätskräfte in unserem Land entfesselt und den Standort Deutschland stärkt. Deshalb machen wir Freien Demokraten das, und die Koalition gleich mit.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber der Reihe nach. Erstens. Was nicht überrascht: Der Unionsentwurf reiht sich ein in ein Paket von Anträgen mit der Überschrift, sagen wir mal, „Aufarbeitung der Versäumnisse des Kabinetts Merkel IV“.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU])
Herr Kollege Oellers, Sie wissen das doch: Die EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie wurde im Juli 2019 verabschiedet. Sie hatten knapp zwei Jahre Zeit, sie im Sinne des heutigen Gesetzentwurfes umzusetzen. Ob inhaltlich richtig oder falsch – in jedem Fall kommt Ihr Gesetzentwurf reichlich spät; da beißt die Maus keinen Faden ab.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wilfried Oellers [CDU/CSU]: So kann man auch über eigenes Versagen hinwegtäuschen!)
Zweitens. Schauen wir in das Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Bürokratieentlastung. Da hat die Koalition vereinbart, dass im Nachweisgesetz die Schriftform um die elektronische Form ergänzt werden soll; also das, was Sie heute fordern. Man könnte sagen: Ihr Gesetzentwurf ist nicht falsch, sondern überflüssig. Das tue ich aber nicht, sondern ich sage: Schönen Dank für die indirekte Zustimmung beim Thema Bürokratieentlastung. Den Weg hat Jan Dieren schon aufgezeigt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie bestärken uns, diesen Weg weiterzugehen. Gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Wir sind dabei!)
Der Gesetzentwurf dient also der Bewältigung eigener Versäumnisse und der Unterstützung der Koalition und bleibt dann – drittens – doch irgendwie unklar.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Sie fordern alternativ zur Schriftform die elektronische Form – Beate Müller-Gemmeke ist darauf eingegangen –, aber was meinen Sie genau?
(Zuruf von der SPD: Genau!)
Haben Sie versucht, eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie zu erreichen, die von „Electronic Form“ spricht? Dann wäre die juristisch korrekte Übersetzung „Textform“ gemäß § 126b BGB gewesen. Das brächte richtig viel. Was die Richtlinie zulässt, sollte unseren Betrieben, ob groß, mittel oder klein, am Ende nicht verwehrt bleiben, sondern eins zu eins ermöglicht werden. Oder meinen Sie das, was Sie schreiben, also die elektronische Form? Das wäre dann aber gemäß § 126a BGB. Dann müssten beim Arbeitsvertragsabschluss beide Seiten mit der qualifizierten elektronischen Unterschriftsignatur operieren, was ziemlich an der Praxis vorbeigeht. Das brächte genau genommen gar nichts. Oder waren Sie sich am Ende des Tages eigentlich gar nicht wirklich einig, was Sie wollen?
(Pascal Kober [FDP]: Die kennen den Unterschied gar nicht!)
Wir wissen es nicht; das braucht uns aber auch nicht weiter zu beschäftigen, weil es in Wahrheit um etwas Grundsätzliches geht. Jedes Jahr werden in Deutschland zig Millionen Arbeitsverträge abgeschlossen oder geändert, oft in mitbestimmten oder tarifgebundenen Betrieben, ohne dass es irgendeinen Zweifel gibt, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Wollen wir wirklich – wollen wir wirklich, wirklich, wirklich –, dass die wenigen schwarzen Schafe, die es immer geben wird, dauerhaft digitalen Fortschritt im Arbeitsrecht der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt verhindern? Oder wollen wir nicht lieber den Anständigen den Weg freimachen und den Unanständigen mit aller Macht des Rechtsstaats auf den Pelz rücken? Das ist die Entscheidung, um die es geht.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bundespräsident Gauck hat es treffend formuliert: Lasst uns Bürger endlich wie Erwachsene behandeln! Schenken wir Betrieben und Beschäftigten mehr Freiheit und Vertrauen. Sie haben es verdient.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der nächste Redner ist Dr. Markus Reichel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605256 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 144 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Nachweisgesetzes |