15.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 145 / Zusatzpunkt 6

Otto FrickeFDP - Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Artikel 115 II GG

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Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir heute? Wir reden heute über die ersten Auswirkungen eines Urteils, das vor vier Wochen die Politik, die Journalisten, Bund und Länder in einige Verwirrung gestürzt hat, weil es überrascht hat. Ich weiß, dass es da weiterhin die Diskussion gibt, das sei alles nicht überraschend gewesen.

(Zurufe von der AfD: Ja!)

Aber wenn man sieht, wie im Bund und in den Ländern Nachtragshaushalte, Veränderungen von Haushalten, Erklärungen von Notsituationen zustande kommen, und zwar unabhängig von der Frage, wer an der Regierung ist, müssen wir erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht ein grundsätzliches, ein wesentliches Urteil gefällt hat.

Im Rahmen der Gewaltenteilung heißt das für uns im Parlament, das, was das Verfassungsgericht entschieden hat, demütig anzuerkennen, und das, woran es Kritik geübt hat, zu verbessern.

(Peter Boehringer [AfD]: Hört! Hört!)

Das, was wir hier heute in zweiter und dritter Lesung und mit entsprechenden Entschlüssen beschließen, ist eine Umsetzung dieses Urteiles. Das ist die Aufgabe, die wir haben, und diese nehmen wir heute wahr.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was machen wir heute? Wir werden auf der einen Seite den Nachtragshaushalt in zweiter und dritter Lesung beschließen, der durch den Haushaltsausschuss behandelt worden ist; hierzu gab es auch eine sehr interessante Anhörung. Wir werden auch dem entsprechenden Antrag zustimmen, der einen Beschluss nach Artikel 115 Grundgesetz vorsieht, und wir verabschieden das sogenannte Haushaltsfinanzierungsgesetz. Das alles hört sich technisch an. Was machen wir genau?

Das Erste ist der Nachtragshaushalt 2023. Das Urteil – darüber sind sich alle einig – besagt ganz klar, dass der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, den diese Koalition nutzen wollte, um durch die Energiekrise zu kommen und die sehr hohen Energiepreise Anfang dieses Jahres abzufedern, dafür nicht mehr von uns genutzt werden kann. Ergebnis ist also: Wir gehen durch eine Umbuchung in den Kernhaushalt, nehmen die entsprechenden Anpassungen vor, ohne neue Möglichkeiten der Verschuldung zu schaffen und ohne neue Schulden zu machen. – So geht man mit diesem Urteil um. So geht diese Koalition mit dem Urteil um, nämlich indem sie klar und deutlich nachvollzieht,

(Lachen des Abg. Peter Boehringer [AfD])

welche Anforderungen notwendig sind. Das ist eine Haushaltspolitik, wie sie dann auch sein soll.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Ja, wir müssen deswegen einen Beschluss einer Notlage gemäß Artikel 115 Grundgesetz machen. Rückblickend aus der Sicht des damaligen Haushaltes müssen wir erkennen, wo die Energiepreise lagen. Die Anhörung hat ergeben: Die Voraussetzungen für diesen Beschluss einer Notlage, die das Verfassungsgericht sehr eng gefasst hat – die Frage ist nicht, ob ich irgendetwas gerne politisch beschließen will, sondern dies geht ganz klar nur in einem bestimmten Rahmen –, lagen vor, und wir treffen diesen Beschluss entsprechend.

Daneben, meine Damen und Herren, haben wir das Haushaltsfinanzierungsgesetz. Ohne jetzt zu technisch zu werden, auch wenn man das als Haushälter ja sehr gerne tut, möchte ich darauf hinweisen, dass wir dieses Haushaltsfinanzierungsgesetz im Ausschuss in zwei Teile geteilt haben. Dabei haben wir uns die Dinge, die sich auf den Haushalt 2023 auswirken, vorgenommen. Das betrifft die Abwicklung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, Fragen beim Zuschuss zur Rentenversicherung, beim Pflegevorsorgefonds und ähnlichen Stellen. Dann haben wir in den vergangenen Tagen, und zwar am Mittwoch, noch einen zweiten Teil beschlossen. Dieser beinhaltet Änderungen beim Elterngeld – ich möchte mich noch mal ausdrücklich bei den Koalitionsfraktionen bedanken, dass wir hier eine verbesserte Anpassung bei der Grenze des zu versteuernden Einkommens vorgenommen haben –, die Auflösung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“, den Rechtskreiswechsel vom SGB II in das SGB III, die Stärkung von Parlamentsrechten – das wird die Regierung im Haushaltsverfahren noch merken –, die Absenkung der Stromsteuer und die Rückkehr zum CO2-Preispfad der Großen Koalition.

So sehr ich als Liberaler sagen muss: „Ich weiß nicht, ob ich gerne auf Pfaden der CDU/CSU wandeln will“,

(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

halte ich es doch für vernünftig, dass wir, nachdem die Energiepreise gesunken sind – ich hätte sie gerne noch niedriger –, hier wieder den Pfad beschreiten, den die CDU/CSU damals auch wollte. Ich lese ja gerne in Grundsatzprogrammen, und in ihrem Grundsatzprogramm steht, dass sie ausdrücklich unterstützt, dass wir beim CO2-Preis das entsprechende Steuerungsmittel haben. Insofern ist auch dies ein vernünftiger Kompromiss, ein vernünftiger Vorschlag dieser Koalition.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Denn Kompromiss ist am Ende der Kern.

Liebe Koalition, ich empfehle euch, den Entschließungsantrag der CDU/CSU durchzulesen. Ich will, Frau Präsidentin, hier keinen Ärger bekommen. Ich zitiere nur aus dem Antrag: „Bündnis der Trickser und Täuscher“, „Kreditermächtigungen erschlichen“, „heuchlerisch“, „Tricksereien“. Ich weiß nicht, ob das der parlamentarische Stil am Vorabend des dritten Advents sein sollte.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Wir müssen hier am Ende zu vernünftigen Lösungen kommen. Ich will Ihnen auch sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU: Wenn Sie sehen, dass für solche Formulierungen Unterstützung von ganz außen kommt, sollten Sie vielleicht noch mal überlegen, ob man einen solchen Antrag nicht zurücknimmt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber, meine Damen und Herren, versuchen, verbindlich zu schließen, diesmal nicht mit Shakespeare, sondern mit Barack Obama:

„Wenn wir denken, dass man mit allem durchkommt, wenn man keine Kompromisse macht, wenn man einfach seine Linie durchzieht und sagt, ich habe recht, dann mag man sich ja vielleicht gut fühlen, man mag auch eine gewisse puristische Reinheit für sich empfinden, aber am Ende bekommt man nicht, was man will.“

Oder statt Barack Obama die Rolling Stones: „You can’t always get what you want“.

Danke.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605282
Wahlperiode 20
Sitzung 145
Tagesordnungspunkt Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Artikel 115 II GG
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