15.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 145 / Zusatzpunkt 6

Thorsten FreiCDU/CSU - Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Artikel 115 II GG

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das stimmt, Herr Gerster, heute genau vor einem Monat hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung getroffen, die uns zu diesem Tagesordnungspunkt zwingt. Es ist in der Tat nicht anders als eine Einmaligkeit zu bezeichnen, dass das Bundesverfassungsgericht – erstmals in der Geschichte unseres Landes – einen Haushalt für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat. Das ist der Grund, warum wir hier sind.

Da Sie infrage stellen, wie wir formulieren: Wie würden Sie es denn anders nennen als einen Trick – übrigens ersonnen von niemand anderem als dem Bundeskanzler –, dass Sie sich an der Schuldenbremse des Grundgesetzes vorbei einfach zig Milliarden zusätzlich unter den Nagel reißen, um Ihre Politik zu finanzieren, um Priorisierungen zu entgehen?

(Bettina Hagedorn [SPD]: „Unter den Nagel reißen“, das ist doch unverschämt! – Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

– Natürlich ist das ein Trick und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchaus auch erwartbar.

(Widerspruch der Abg. Saskia Esken [SPD])

Und es war ein Fehler, den Sie begangen haben, ein Fehler, den der Bundeskanzler nicht bereit und in der Lage ist, einzugestehen.

(Saskia Esken [SPD]: Was sagen denn Reiner Haseloff und Daniel Günther dazu?)

Es ist tatsächlich so, dass dieser Fehler nicht einfach nur ein Fehler ist. Vielmehr kostet er dieses Land und seine Menschen jeden Tag Geld sowie Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Die Menschen bei uns im Land spüren das jeden Tag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer jetzt glaubt – der Nachtragshaushalt 2023 hängt sehr eng mit dem Haushalt 2024 zusammen –, dass diese Situation, diese Zäsur als Chance begriffen wird, neu zu priorisieren, Schwerpunkte zu setzen, einzusparen und für die Zukunft lange Linien zu zeichnen, der wird nach dem, was wir seit Mittwoch von Ihnen hören, schwer enttäuscht. Im Grunde genommen geht es um zwei Dinge: mehr Schulden und wuchtige Steuermehreinnahmen. Das ist Ihre Lösung! Von Einsparungen ist jedenfalls bis auf ein „Wünsch dir was“-Konzert in Ihren Ideen nichts zu sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Machen Sie Vorschläge!)

Ich will Ihnen gerne zwei Dinge sagen: Erstens. Ich finde es nicht redlich, dass Sie sich hierhinstellen und eine Rede halten, mit der Sie insinuieren, dass unsere Fraktion nicht zu den Hilfen für die Opfer im Ahrtal steht,

(Beifall bei der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Schäbig!)

dass Sie mit Ihren Reden insinuieren, als würden wir nicht für alles stehen, was der Ukraine hilft, die russische Aggression zurückzuwerfen.

(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])

Natürlich sind wir für diese Ziele, und natürlich ist das richtig, und natürlich wollen wir, dass das im Haushalt verankert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])

Nur dass Sie sich dafür Hintertüren aufmachen, um mehr Schulden zu machen,

(Katja Mast [SPD]: Was sind Ihre Vorstellungen?)

dazu will ich Ihnen einfach nur sagen: Das steht auf ganz schwacher verfassungsrechtlicher Basis. Deswegen ist Ihnen nur abzuraten, diesen Weg weiterzugehen.

Ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie reden immer davon, dass wir solidarisch sein sollten, dass wir Ihnen in dieser Situation helfen sollten.

(Katja Mast [SPD]: Nein! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ja, wir sind bereit. Erinnern Sie sich an das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr?

(Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Wir haben Ihnen die Hand gereicht. In dem Moment, wo die Verfassungsänderung vollzogen war, haben Sie einen Wortbruch begangen und haben die Umwidmung der Mittel veranlasst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Glauben Sie wirklich, dass wir Ihnen noch vertrauen und glauben, dass wir gemeinsam diese Herausforderungen lösen können? Das ist eben mitnichten der Fall.

Zum zweiten Thema, zu den Steuererhöhungen. Diese nennen Sie natürlich nicht so, weil sie nicht so heißen dürfen. Aber was hat denn eigentlich zwei Jahre Koalition mit SPD und Grünen mit der FDP und ihrem Verständnis des Eigentumsbegriffs gemacht?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was heißt denn eigentlich „Steuersubventionen“? Gehen Sie davon aus, dass der Staat zunächst einmal alles mit 100 Prozent besteuert,

(Karsten Klein [FDP]: Lesen Sie mal den Subventionsbericht der Bundesregierung!)

dass er prohibitive Abgaben für alles Handeln und alles Tun erhebt und dass es schon eine Subvention ist, wenn er es nicht tut? Nein, das, was Sie machen, ist nicht der Abbau von Steuersubventionen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Schlagen Sie im Lexikon mal die Definition nach!)

Das, was Sie machen, ist der Aufbau von Steuern und Abgaben in unterschiedlichen Bereichen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und zwar insbesondere für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Lesen Sie mal den Definitionsbegriff nach!)

Das ist nicht in Ordnung, zumal der Bundesfinanzminister hier an diesem Pult erklärt hat: Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wir sind ein Hochsteuerland, und mehr Abgaben und Besteuerung bremsen den Aufschwung in Deutschland.

(Karsten Klein [FDP]: Das ist Trickserei, was Sie da machen!)

Das waren die Worte des Bundesfinanzministers. Und jetzt tun Sie genau das Gegenteil.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Quatsch! – Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will Ihnen sagen: Wenn Sie den Haushalt wirklich konsolidieren wollen, dann wären drei Dinge zu empfehlen. Erstens ist die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Der Bundeskanzler hat im März dieses Jahres hier gesagt, dass seine politischen Entscheidungen zu einem Wirtschaftswachstum wie in den 1950er- und 1960er-Jahren führen werden. Nur zur Erinnerung: Zwischen 1950 und 1960 hatten wir 8,2 Prozent Wirtschaftswachstum, und zwar 8,2 Prozent pro Jahr. Derzeit haben wir die Situation, dass Deutschland unter den Industriestaaten die einzige Volkswirtschaft hat, die schrumpft, und zwar um 0,5 Prozent. Hätten wir nur ein Wirtschaftswachstum im europäischen Durchschnitt von 0,9 Prozent, dann hätten wir mehr Wertschöpfung im Volumen von 50 Milliarden Euro und mehr Steuereinnahmen im Volumen von 20 Milliarden Euro. Das würde den Haushalt konsolidieren, und deshalb müssen Sie genau da ansetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will ein zweites Beispiel nennen. Füttern Sie nicht weiter das Bürokratiemonster! Der Normenkontrollrat hat am 20. November dieses Jahres sein Jahresgutachten vorgelegt, in dem steht, dass nie zuvor in der Geschichte unseres Landes die Bürokratie so gewachsen ist wie zwischen Juni 2022 und Juli 2023: ein Plus von 54 Prozent für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in unserem Land. Das gab es noch nie. Haupttreiber sind unterschiedliche Gesetze, die Sie gemacht haben, aber vor allen Dingen das Heizungsgesetz. Und in der Tat: Das Heizungsgesetz kann weg. Damit könnte man einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen. Tun Sie es!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Die Kindergrundsicherung ist eigentlich Bürokratiegrundsicherung. Einen Großteil des Geldes brauchen Sie, um 5 000 zusätzliche Verwaltungsstellen zu schaffen, um dieses Gesetz zu administrieren. Das macht nichts besser, aber vieles schlechter. Hören Sie auf damit!

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist eine grundlegende Reform der sozialen Leistungen. Der Bundesarbeitsminister hat ein Gutachten in Auftrag gegeben – es wurde am 2. Dezember vorgelegt –, in dem unter anderem das ifo-Institut ganz klar sagt, dass es für Empfänger sozialer Transferleistungen in der Regel nicht lohnend ist, zusätzlich eine Arbeit anzunehmen. Tun Sie doch endlich etwas, dass sich Arbeit wieder lohnt und damit wir uns auf diejenigen konzentrieren können, die die Unterstützung und Solidarität der Gesellschaft wirklich benötigen.

(Zuruf des Abg. Johannes Schraps [SPD])

An dieser Stelle könnten Sie Milliardenbeträge einsparen. Das wäre eine Möglichkeit und eine Chance, für die Zukunft lange Linien zu zeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos])

Wir erleben heute eine vertane Chance. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Dem werden wir sicher nicht zustimmen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])

Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Felix Banaszak.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605296
Wahlperiode 20
Sitzung 145
Tagesordnungspunkt Nachtragshaushaltsgesetz 2023, Artikel 115 II GG
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