Luiza Licina-BodeSPD - Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Wenn Überheblichkeit keine Grenzen kennt!
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hier haben wir wieder mal so einen typischen AfD-Schaufensterantrag vorliegen, der selbstverständlich nicht im Interesse Deutschlands ist und der auch überhaupt nicht mit unseren europäischen Werten vereinbar ist.
Die Frage, wie wir zukünftig mit Asyl und Migration umgehen werden und umgehen wollen, wird nächste Woche auf europäischer Ebene weiterverhandelt werden. Ziel ist und bleibt die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, und der Schwerpunkt liegt auf den Gemeinsamkeiten. Denn wir werden als Deutschland allein in dieser Frage nicht weiterkommen. Was diese Frage angeht, sitzt die EU in einem Boot. Diese Erkenntnis ist seit ein paar Jahren gereift. Und es ist unserer Innenministerin zu verdanken, dass wir einen Durchbruch errungen haben, dass letztes Jahr im Juni ein Beschluss zustande gekommen ist und dass nun über die richtigen Maßnahmen verhandelt wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Liebe CDU/CSU, unser Bundeskanzler hat sich in dieser Frage ganz klar geäußert und auch in seiner Regierungserklärung dazu Stellung genommen und noch einmal klargemacht, dass es für uns eine hohe Priorität hat, zu guten Ergebnissen und vor allen Dingen zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und den Transitländern zu kommen. Wir sind auf einem guten und richtigen Weg. Das ist allen klar und bewusst.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist nicht allen klar!)
Und da braucht die Bundesregierung keine Aufforderungen von der rechten Seite.
(Beifall bei der SPD)
Europa muss das Europa der offenen Grenzen bleiben. Hierzu gehören natürlich auch verlässliche Kontrollen der Außengrenzen. Dazu gehört aber auch die Sicherstellung klarer und rechtssicherer Asylverfahren unter Wahrung der Menschenrechte. Mit GEAS werden wir das machen. Wir werden an den Außengrenzen Asylverfahren durchführen, die in Teilen auch Personen betreffen werden, die aus sicheren Herkunftsländern zu uns kommen und nur eine geringe Chance auf einen Schutzstatus haben. Aber einer Sache muss ich widersprechen: Entgegen Ihrer Forderung wollen wir Familien mit Kindern genauso wie unbegleitete Kinder und Jugendliche aus den Grenzverfahren herausnehmen. Das sind oft die Schwächsten; sie sind oft am stärksten traumatisiert. Dafür werden wir uns mit Nachdruck einsetzen. Zumindest müssen die betreffenden Verfahren in irgendeiner Form priorisiert werden.
Alle Asylverfahren bleiben rechtsstaatlich; das ist ganz klar. Zugang zum Recht muss weiter gewährleistet sein. Ich weiß gar nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass man die Klagerechte ausschließen kann. Das ist in keinem Rechtssystem denkbar.
Der Solidaritätsmechanismus, den wir vereinbart haben, ist vor allem wichtig, weil das Dublin-Verfahren nicht so wirklich funktioniert, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben. Mich hat das nie gewundert. Ich habe selber viele Jahre Asylverfahren bearbeitet, und ich habe mich immer gefragt: Was ist das eigentlich für eine Regelung? Sie muss selbstverständlich reformiert werden. Denn die Zuständigkeit für Asylverfahren liegt bei den Anrainerländern. Wir können doch nicht einfach die ganze Verantwortung auf diese Länder schieben und uns aus der Affäre ziehen. Genau das machen Sie in Ihrem Antrag. Dublin ist meines Erachtens im Zusammenhang mit dem Solidaritätsmechanismus eigentlich ein Auslaufmodell.
Gemeinsame Mindeststandards wollen wir natürlich auch regeln. Im Rahmen der Asylverfahren sind die unterschiedlichen Regelungen der EU-Staaten für Aufnahme, Unterbringung und Versorgung immer ein Problem gewesen. Ganz wichtig bleibt aber weiterhin, dass wir Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten, Schutz gewähren, genauso wie wir das bei der Ukraine gemacht haben. Hier haben wir gesehen, dass sich Europa schnell geeint und solidarisch gehandelt hat.
Da Sie von Obergrenzen sprechen: Schauen Sie mal ins Grundgesetz. Artikel 16a GG kennt keine Obergrenzen. Es steht überhaupt nicht zur Disposition, dass wir solche einführen; sie werden ganz sicher nicht kommen.
(Beifall bei der SPD – Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Lesen Sie den Grundgesetzartikel doch mal! Haben Sie den Artikel 16a Absatz 2 mal gelesen?)
Wir tragen aufgrund unserer Geschichte nämlich eine ganz besondere Verantwortung, und wir bekennen uns ausdrücklich zur Genfer Flüchtlingskonvention.
Auch das Wording Ihres Antrags ist völlig daneben. Sie sprechen von Massenzustrom nach Europa. Das Bild, das Sie da malen, gibt es gar nicht.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Gibt es! Sprechen Sie mit Ihren Wählern!)
Gucken Sie sich mal die Zahlen an! 6,6 Millionen Menschen leben außerhalb Europas in Flüchtlingslagern, 4,6 Millionen davon in Flüchtlingslagern vom UNHCR. Diese schaffen es gar nicht nach Europa, und sie wollen es auch gar nicht. Sie warten nämlich in den Nachbarländern darauf, in ihre eigenen Länder zurückkehren zu können. So viel dazu.
Jedes Land in der EU muss seinen Beitrag leisten, und darum geht es bei GEAS. Wir können die Verantwortung nicht auf ein Land abwälzen. Das Wichtige ist, dass wir alle Anstrengungen, was das GEAS angeht, gemeinsam unternehmen und dass wir es nicht so ad absurdum führen, wie Sie das mit Ihrem Antrag machen.
Sie nehmen in Ihrem Antrag Stellung zu Widerruf, Rücknahme und Regelüberprüfung. Da würde ich einen Blick ins Asylgesetz empfehlen. Das ist sowieso schon Rechtslage. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF überprüfen regelmäßig Widerruf- und Rücknahmegründe. Wenn die Voraussetzungen aber nicht vorliegen, dann kann man eben auch nicht vollziehen. Denn es gibt viele Regelungen im Zusammenhang mit Abschiebungshindernissen zu beachten. Das können zielstaatsbezogene, inlandsbezogene, aber auch faktische und tatsächliche Abschiebungshindernisse sein. Da würde ich mich an Ihrer Stelle einfach mal mit der Rechtslage auseinandersetzen. Wir können das nicht einfach beiseitewischen und auf europäischer Ebene etwas anderes vereinbaren. Das kommt nicht infrage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit – ich habe jetzt schon kurz überzogen – und wünsche Ihnen frohe Weihnachten. – Als Demokratinnen und Demokraten lehnen wir diesen Antrag natürlich ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Clara Bünger.
(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605369 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 145 |
Tagesordnungspunkt | Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems |