Kerstin ViereggeCDU/CSU - Jahresbericht 2022 der Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister Pistorius! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die ersten Tage des neuen Jahres zeigen bereits, dass dieses Jahr aller Voraussicht nach nicht ruhiger wird als die vergangenen zwei Jahre. Es ist wichtiger denn je, dass die Bundeswehr schnellstmöglich in die Lage versetzt wird, unsere Sicherheit und die unserer Partner zu gewährleisten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir erinnern uns zurück: 27. Februar 2022. Der Kanzler ruft die Zeitenwende aus, kündigt das Sondervermögen an, schwört die Bevölkerung auf eine nationale Kraftanstrengung ein mit dem Ziel der umfassenden Ertüchtigung der Bundeswehr. Fast zwei Jahre später müssen wir uns unangenehmen Fragen stellen: Wo stehen wir? Sind die Materialiendefizite bei der Truppe adressiert worden? Hat sich die Einsatzbereitschaft substanziell verbessert? Ist die Bundeswehr strukturell auf ihre Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet worden? Wurde die Beschaffung von Munition in ausreichender Quantität eingeleitet? – Nein. Die Antworten lauten alle: Nein.
Es ist zwar richtig, dass in allen Handlungsfeldern etwas unternommen wurde, um Missstände zu adressieren, aber bei Weitem nicht genug, nur ansatzweise. Die selbstgesetzten Ziele sind nicht erreicht. Davon, dass die Bundeswehr den – ich zitiere den Bundeskanzler – „Grundpfeiler der konventionellen Verteidigung in Europa“ darstellt und die „am besten ausgestattete Streitkraft in Europa“ ist, sind wir noch Lichtjahre entfernt. Und das sieht auch Frau Wehrbeauftragte so; denn sie sagte: Die Bundeswehr hat von allem zu wenig, zu wenig Personal, zu wenig Material, zu wenig Geld. Auf knapp 200 Seiten hat Frau Dr. Högl aufgelistet, wie der Zustand der Bundeswehr ist. Somit dient ihr Bericht für das Jahr 2022 als dringend benötigter Realitätscheck für die Zeitenwende. Er zeigt auf, wie weit Anspruch und Realität bei der Umsetzung der Zeitenwende auseinanderklaffen, und er vermittelt uns ein genaues und ungeschöntes Bild der Sorgen und Nöte der Truppe. Deshalb möchte ich auch heute die Chance nicht ungenutzt lassen, um Ihnen und Ihrem gesamten Team im Namen der CDU/CSU-Fraktion unseren aufrichtigen Dank auszusprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Handlungsbedarf ist offensichtlich, und genau wegen dieses Handlungsbedarfs hatte ich die Wortwahl des Kanzlers in seiner Regierungserklärung zum russischen Überfall auf die Ukraine begrüßt. Er sprach davon, dass die Umsetzung der Zeitenwende einer großen nationalen Kraftanstrengung bedarf. Das war und ist richtig. Aber wenn das, was wir in den letzten zwei Jahren von dieser Regierung gesehen haben, ebenjene nationale Kraftanstrengung darstellen soll, dann wird mir angst und bange.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn das alles sein sollte, dann steht es um unser Land noch schlechter, als selbst die zynischsten Kommentatoren zu behaupten wagen.
Die demokratischen Fraktionen in diesem Haus waren sich im Februar 2022 einig: Die Zeitenwende darf nicht scheitern. Kaum zwei Jahre später hat man den Eindruck: Die Luft ist raus. Die Kanzlerpartei verstrickt sich in semantischen Debatten über das Wort „kriegstüchtig“. Dann wird die ohnehin schon unzureichende finanzielle Unterfütterung der Zeitenwende durch faule Haushaltskompromisse weiter untergraben, aber zeitgleich werden noch weitere kostspielige Ankündigungen medial inszeniert, ohne die notwendigen Aufstockungen im Haushalt. Die Bundeswehr muss in die Lage versetzt werden, ihrer Rolle als Verteidiger unserer Sicherheit und der unserer Partner gerecht werden zu können. Dafür ist es zwingend notwendig, dass die Umsetzung der Zeitenwende nun endlich die politische Priorität erhält.
Und wenn wir schon über Prioritäten und politischen Willen sprechen: Für die Sicherheit Europas ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung ihre militärische Unterstützung für die Ukraine noch weiter verstärkt. Das Prinzip „as long as it takes“ allein reicht schon lange nicht mehr. Es bedarf einer zusätzlichen Leitlinie, die da lauten sollte: mit allen möglichen Mitteln. Die Bereitstellung von Taurus-Marschflugkörpern aus den Beständen der Bundeswehr ist machbar und unzweifelhaft erforderlich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren Abgeordnete, es genügt nicht, die längst überfällige Lieferung von Taurus lautstark in den Medien zu fordern. Deshalb appelliere ich an Sie, für den Entschließungsantrag der CDU/CSU zu stimmen. Zeigen Sie Rückgrat! Zwingen Sie das Kanzleramt zum Handeln! Die Ukraine und ganz Europa werden es Ihnen danken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Merle Spellerberg das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605472 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2022 der Wehrbeauftragten |