Carina KonradFDP - Agrarpolitischer Bericht 2023, Entlastung der Landwirtschaft
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Landwirte protestieren gegen die Agrarpläne der Bundesregierung“, „In ganz Deutschland rollen die Traktoren“, „Trecker-Demo“, „Bauern auf dem Weg nach Berlin“ – das sind keine Überschriften aus dieser Woche, meine Damen und Herren. Das sind Überschriften aus dem Jahr 2019; denn in Wahrheit brodelt es in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum schon viel länger und nicht erst seit einigen Wochen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich versuche mal, den Unterschied zwischen damals und heute herauszuarbeiten. Damals sind die Landwirte gegen die Vorhaben der Bundesregierung auf die Straße gegangen, gegen das Insektenschutzgesetz und die Düngeverordnung. Die GroKo hat das Insektenschutzgesetz dann trotzdem beschlossen. Das hat zu enormer Bürokratie in den Betrieben geführt und bis heute offensichtlich, wenn man den Debatten von Naturschutzverbänden Glauben schenken darf, keinen Beitrag für Artenvielfalt und Biodiversität geleistet.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr richtig!)
Die Düngeverordnung wurde trotzdem auf den Weg gebracht, obwohl es der Staat bis heute nicht geschafft hat, flächendeckend in den Bundesländern die Voraussetzungen für die Ausweisung von Messstellen zu schaffen. Die Landwirte wurden aber in die Pflicht genommen, auf Erträge zu verzichten, unsachgemäß zu düngen. So ist die Politik in der Vergangenheit gewesen.
Und was ist jetzt der Unterschied zu heute? Im Rahmen der Haushaltsaufstellung ist ein Fehler passiert. Das ist, glaube ich, inzwischen jedem klar. Die Belastungen, die für die Landwirtschaft vorgesehen waren, waren zu hoch.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Die FDP hat sie doch verteidigt!)
Deshalb hat sich diese Regierung korrigiert und die Einsparvorhaben für die Landwirtschaft massiv reduziert. Das ist der Unterschied zwischen damals und heute.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Politik muss sich auch korrigieren dürfen.
Herr Merz, Sie haben selbst gesagt, dass auch Sie nicht garantieren könnten, dass der Agrardiesel in Zukunft nicht wegfallen würde. Das will ich hier auch einmal in Erinnerung rufen. Ich glaube, dass wir zu mehr Ehrlichkeit und Lösungsorientierung in der Debatte kommen müssen; denn sonst werden die Menschen weiter zu den Rändern flüchten müssen, weil sie in der Mitte der Gesellschaft kein Lösungsangebot finden. Und, Herr Merz, von Ihnen als Vorsitzender der Unionsfraktion hätte ich mir als Lösungsangebot auch etwas mehr erwartet.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was denn? Meine Güte! Lernen Sie mal sparen und nicht nur Steuern erhöhen! Das ist doch einfallslos ohne Ende! Und so was von der FDP!)
Denn Lösungsangebote schafft man nur gemeinsam.
Landwirte brauchen Planungssicherheit.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie schaffen Planwirtschaft! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sind Sie in der Regierung oder in der Opposition?)
Sie haben den gesellschaftlichen Diskurs richtig benannt. Sie demonstrieren für die gesellschaftliche Forderung, dass sich Leistung in diesem Land lohnen muss. Dieses Signal senden sie uns.
(Beifall bei der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was tun Sie denn dafür? Menschenskinder!)
Meine Damen und Herren, das ist ganz zentral. Leistung muss sich lohnen. Das muss sich in jedem einzelnen Gesetzgebungsverfahren hier abbilden, und das tut es im Übrigen auch. Denn landwirtschaftliche Betriebe, der Mittelstand, das Handwerk, all diejenigen, die mit demonstriert und sich solidarisiert haben, können ihre Betriebe nicht in den Rucksack packen und ins Ausland verlagern. Das ist nicht möglich. Deshalb müssen wir diese Leistungen im Alltag viel besser anerkennen. Das ist eine Aufgabe an jeden von uns, und die nehme ich persönlich auch sehr ernst.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb gehört es auch dazu, hier einmal Respekt zum Ausdruck zu bringen und einen Dank an all diejenigen zu senden, die auf den Straßen unterwegs waren und sich von denen abgegrenzt haben, die nichts Gutes mit der Landwirtschaft im Sinn hatten und diese Demonstrationen instrumentalisieren wollten. Die Landwirtschaft hat sich abgegrenzt und vernünftig demonstriert. Dafür auch einmal ein Dankeschön!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir zu Lösungen kommen wollen, dann müssen wir das gemeinsam tun. Agrarpolitik können wir hier im Bund gestalten. Wir können hier entsprechende steuerliche Voraussetzungen schaffen; denn landwirtschaftliche Betriebe wirtschaften nun mal unter freiem Himmel und haben deshalb bessere und schlechtere Jahre und müssen gerade in schlechteren Jahren oft Steuerlasten bewältigen, die zu Liquiditätsengpässen in den Betrieben führen. Für sie können wir hier was tun. Diese Dinge wollen wir uns jetzt genau anschauen. Und da werden wir etwas tun.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Klimawandel betrifft die Landwirte mehr als andere Branchen; denn sie wirtschaften unter freiem Himmel. Das geht mit Ertragsschwankungen und auch neuen Herausforderungen einher. Und die pauschale Verteufelung von Pflanzenschutzmitteln, die Sie übrigens in der Europäischen Union mit vorangetrieben haben, bringt uns an dieser Stelle nicht weiter. Wir brauchen in Zukunft mehr Handwerkszeug für die Landwirte und nicht weniger. Wenn Pflanzen krank sind, muss man sie auch behandeln können. Dafür braucht man eine Wirkstoffvielfalt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Bernd Schattner [AfD]: Kann man die Ampel behandeln?)
Landwirte brauchen auch neue Sorten. Es gibt neue Technologien, die dafür sorgen können, dass neue Sorten viel schneller zur Verfügung stehen. Aber es gibt eine große gesellschaftliche Ablehnung gegen die Zulassung neuer Züchtungsmethoden in Deutschland und in Europa. Und dagegen können wir gemeinsam etwas tun, indem wir Ängste nehmen, erklären, um was es dabei geht. Am Ende muss das Produkt entscheidend sein, das dabei herauskommt, und nicht der Weg seiner Herstellung, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Eines möchte ich am Ende noch erwähnen – das ist mir ganz wichtig, weil ich Landwirtin bin und das seit Jahren erlebe –:
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Herr Lindner ist auch Landwirt! Er mistet den Pferdestall aus!)
Die Zeit, die man heute als Landwirt im Büro verbringt, um die Anforderungen und Auflagen zu erfüllen, verschlingt Innovationskraft und Kreativität, um die Betriebe nach vorne zu entwickeln. Diese Situation stellt junge Menschen vor die Frage, ob sie Betriebe – übrigens nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Mittelstand – überhaupt noch übernehmen wollen oder nicht. Sie fragen sich, ob es überhaupt noch Freiräume gibt, sich unternehmerisch zu entwickeln und auch neue Ideen in den Betrieben umzusetzen.
Dieser Zustand ist nicht mehr hinnehmbar. Deshalb müssen wir uns in die detailreichen Tiefen der Bürokratie begeben und Vereinfachungen herbeiführen. Es ist eine ganz zentrale Aufgabe für die Zukunft, jede einzelne Verordnung auf Länderebene, auf Bundesebene, auf kommunaler Ebene einem Praxischeck zu unterziehen. Das wird vieles erleichtern. Das ist eine anstrengende Aufgabe, und ich lade Sie alle ein, dabei mitzumachen. Denn das ist der Weg, wie man Populisten klein macht, anstatt Menschen pauschal zu verunglimpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Renate Künast.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7605548 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Agrarpolitischer Bericht 2023, Entlastung der Landwirtschaft |